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Gesundheitsreport 2015
Gefährliches Dauersitzen

Dauersitzen ist eines der Themen im neuen Gesundheitsreport 2015 der privaten Krankenversicherung DKV. Erwachsene sitzen an einem normalen Werktag laut der Studie 7,5 Stunden, ein Drittel davon vor dem Fernseher. Mediziner sehen darin ein enormes Problem – und plädieren etwa für Büroarbeit im Stehen.

Von Philip Banse | 26.01.2015
    Ein Mann sitzt abends in einem Büro an einem vollen Schreibtisch und arbeitet in Berlin.
    Langes Sitzen – zum Beispiel im Büro – ist ein Risiko für die Gesundheit. (picture-alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
    Die Gesellschaft für Konsumforschung hat im Auftrag der Deutsche Krankenversicherung DKV 3.100 Erwachsene repräsentativ befragt. Ziel war herauszufinden, ob sich Erwachsene und ihr Kinder gesund ernähren und ausreichend bewegen. Jeder Mensch sollte sich täglich mindestens eine halbe Stunde gut bewegen, heißt, der Puls muss nach oben gehen. Kinder sollten täglich mindestens eine Stunde toben und sich ausgiebig bewegen. Doch das geschieht viel zu selten, sagt Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochschule in Köln, der die Studie betreut hat:
    "Für mich am signifikantesten ist, dass sich nur elf Prozent der Bevölkerung in allen Punkten gesund ernähren und ausreichend bewegen. Nur elf Prozent, ganz schön wenig. Zum zweiten ist es, dass sich nur 30 bis 40 Prozent der Menschen ausreichend körperlich aktiv bewegen, immer noch mehr als 50 Prozent sich nicht vernünftig ernähren – obgleich wir alle wissen, was das wäre, das ist dramatisch. Wir haben im Moment 7,5 Stunden Sitzzeiten habe, das ist ja fatal. Im Vergleich schauen die Menschen 3 Stunden lang fernsehen – wo uns alle sagen, ich habe keine Zeit mich vernünftig zu bewegen."
    Diese Umfrage findet zum dritten Mal statt und auch der Trend ist ermutigend: Seit Jahren bewegen wir uns immer weniger. Die Ursachen für die mangelnde Bewegung seien vielschichtig, aber eins sei jetzt klar: Mit vernünftigen Argumenten lassen sich die Menschen nicht in Bewegung setzen, sagt Professor Froböse:
    "Es ist so, dass wir Bewegungsräume schaffen müssen und auch vielleicht dafür sorgen müssen, dass die Menschen sich einfach bewegen müssen, dass der Parkplatz nicht vor der Tür stattfindet, dass der Bolzplatz nicht am Stadtrand ist, dass die Einkaufszentren nicht am Stadtrand sind, sondern im Zentrum, dass man zu Fuß hingehen kann, dass man Wohngebäude so gestaltet, dass eben nicht der Fahrstuhl chromblitzend in der Mitte des Gebäudes ist und die Treppe stinkend und muffig irgendwo. Ganz viele Akteure müssen wieder die Sensibilität für das Thema Bewegung wieder bekommen."
    Sitzendes Risiko
    Eines der größten Gesundheitsrisiken ist das lange Sitzen. Erwachsene sitzen an einem normalen Werktag laut Studie 7,5 Stunden, ein Drittel davon vor dem Fernseher. Das sei ein enormes Problem, sagt Wolfgang Reuter, leitender Arzt beim Auftraggeber der Studie, der DKV, er plädiert etwa fürs Arbeiten im Stehen. Wer sich nach der Arbeit entspannen will, sollte sich nicht mit dem Rotwein vor den Fernseher setzen, sondern lieber Spazieren gehen – auch, um Vorbild zu sein für die Kinder. Die Mehrheit der Kinder ist laut Studie nicht die geforderte eine Stunde am Tag wirklich aktiv. Fernsehen, Hausaufgaben, Computerspiele – all das halte vom Bewegen ab, klagt Studienleiter Froböse. Stattdessen würden aktive Kinder mitunter stigmatisiert, zu oft für krank erklärt. Die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung, ADHS, wurde vor einigen Jahren immer öfter diagnostiziert und verharrt jetzt auf hohem Niveau, sagt der leitende Arzt der DKV Reuter:
    "Wenn wir bei uns in den Akten nachgucken, finden wir, dass neun Prozent aller Jungs einmal im Leben die Diagnose ADHS bekommen haben. Da mag manchmal eine Verdachtsdiagnose dabei sein, um Dinge abrechnen zu können, aber das ist erschreckend viel. Da ist mein Appell an meine ärztlichen Kollegen, genau drauf zu achten: Ist das noch eine Normvariante, was das Kind zeigt, oder ist das schon eine psychische Erkrankung?"