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Gesundheitsreport
Auch Otto Normalverbraucher dopt am Arbeitsplatz

Wacher, lockerer, leistungsfähiger? Zahlreiche Deutsche nehmen Medikamente, damit sie das Gefühl haben im Job mithalten zu können. Inzwischen sind das bei Weitem nicht nur Kreative und Spitzenmanager, wie ein Gesundheitsbericht der DAK-Krankenkasse feststellte. Zwar sei Doping am Arbeitsplatz laut DAK-Chef kein Massenphänomen, aber inzwischen eine ernst zu nehmende Größe.

Von Stefan Maas | 17.03.2015
    Eine junge Beschäftigte schläft am Arbeitsplatz ein.
    Männer und Frauen sagten etwa gleich häufig, ohne Medikamente seien sie "häufig gefühlsmäßig" nicht in der Lage, ihren Job zu machen (dpa / picture alliance / Rene Fluger)
    Das Ergebnis der Studie sei für ihn eine Überraschung gewesen, sagte Herbert Rebscher, der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit:
    "Doping am Arbeitsplatz ist mittlerweile bei Otto Normalverbraucher angekommen."
    Es seien bei Weitem nicht die Kreativen und die Spitzenmanager, die sich dopten - zumindest mit Medikamenten - um im Job Spitzenleistungen zu bringen.
    "Wir stellen fest, je höher die berufliche Hierarche und die persönlichen Bildungsvoraussetzungen, umso relativ geringer ist das Problem."
    Mittel gegen die Aufmerksamkeitsschwäche ADHS - um wacher und aufmerksamer zu sein, Antidepressiva gegen Unsicherheit und Betablocker gegen Lampenfieber. Pharmakologisches Neuro-Enhancement - also Gehirndoping per Medikament - sei eher für ganz andere Berufsgruppen ein Thema:
    "Nämlich für geringer qualifizierte Berufe, für monotone Berufe."
    Hoher Zeitdruck, Unsicherheit des Arbeitsplatzes massive Veränderungen der Arbeitsprozesse, einige der Gründe, die weit mehr als sechs Prozent der befragten bereits mindestens einmal dazu getrieben haben, Medikamente zu nehmen, für deren Wirkung sie nicht die entsprechenden Symptome haben. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung hätten demnach etwa drei Millionen Menschen mindestens einmal per Medikament gedopt. Nicht ganz die Hälfte davon in den vergangenen zwölf Monaten. 2008 bei der ersten Untersuchung waren es weit weniger. Kein Massenphänomen, aber eine ernst zu nehmende Größe, sagt DAK-Chef Rebscher.
    "Die Zahlen, die wir vorlegen, unterschätzen das Problem eher als dass sie es überschätzen."
    Auffällig ist, erklärte Hans-Dieter Nolting vom Forschungsinstitut IGES, Männer und Frauen greifen etwa gleich häufig ins Medizinschränkchen:
    "Einen Unterschied gibt es bei der Bevorzugung dieser beiden Klassen, wenn Sie so wollen von Substanzen. Die Männer sind eher interessiert an den leistungssteigernden Präparaten, während die Frauen eher eine Präferenz haben für die stimmungsbeeinflussenden Substanzen."
    Über 40 Prozent nehmen Medikamente zu bestimmten Anlässen
    Die Befragungen hätten gezeigt, sagt Nolting, Männer hätten eher Angst nicht mit Kollegen mithalten zu können, wollten mehr leisten können und weniger schlafen müssen. Frauen hätten weit häufiger als Männer angegeben, Medikamente zu nehmen, weil sie in ihren Tätigkeiten viel mit Menschen zu tun hätten. In pflegenden Berufen etwa oder im Service. Männer und Frauen sagten etwa gleich häufig, ohne Medikamente seien sie "häufig gefühlsmäßig" nicht in der Lage, ihren Job zu machen. Über 40 Prozent der Befragten beiderlei Geschlechts gaben an, zu bestimmten Anlässen zu Medikamenten zu greifen. Prüfungen, Präsentationen, wichtige Verhandlungen oder Gespräche. Interessant auch, sagte Nolting, in welcher Altersgruppe besonders häufig gedopt werde:
    "Die Jüngeren, 20 bis 29 sind da gar nicht mal die höchsten, sondern es sind vor allem die 40 bis 50-Jährigen."
    Vor allem bei den stimmungsaufhellenden Substanzen.
    "Bei den eher leistungsbeeinflussenden gibt es zwischen den Altersgruppen kaum einen Unterschied."
    Ob verschrieben vom Arzt - immerhin in jedem zweiten Fall - von Freunden oder Familienmitgliedern zugesteckt - oder im Internet bestellt. Eines haben die Substanzen gemeinsam: Ihre Wirkung sei zum Dopen eher gering, sagen die Experten. Vor allem im Vergleich zu den möglichen Nebenwirkungen.