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Gesunkenes Flüchtlingsboot
Polizei nimmt Kapitän fest

Die italienischen Behörden haben nach der Flüchtlingskatastrophe auf dem Mittelmeer den Kapitän und ein Crewmitglied des Unglücksboots festgenommen. Den Männern wird mehrfache fahrlässige Tötung sowie die Begünstigung illegaler Einwanderung vorgeworfen.

21.04.2015
    Ein Polizeiwagen am Hafen in Catania bei der Ankunft der Überlebenden
    Ein Polizeiwagen am Hafen in Catania bei der Ankunft der Überlebenden (dpa / picture-alliance / Orietta Scardino)
    Dies teilte Staatsanwalt Rocco Liguori in der Nacht zum Dienstag mit. Der Kapitän des verunglückten Boots stammt aus Tunesien, bei dem Crewmitglied handelt es sich um einen syrischen Staatsbürger. Die Verdächtigen wurden an Bord eines Rettungsschiffs verhaftet, das 27 Überlebende der Katastrophe nach Catania auf Sizilien brachte. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geht von etwa 800 Toten aus. "Darunter sind Kinder von zehn, zwölf Jahren", sagte eine Sprecherin. Geborgen wurden zunächst 24 Leichen, die zur Bestattung nach Malta gebracht wurden. Es habe sich um "Syrer, rund 150 Eritreer, Somalier" gehandelt. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass Hunderte weitere Menschen bei dem Unglück ums Leben kamen. Die Überlebenden stammten aus Mali, Gambia, Senegal, Somalia, Eritrea und Bangladesch.
    Seit vergangener Woche sollen bis zu 1300 Migranten im Mittelmeer ihr Leben verloren haben. Rund 400 Menschen ertranken offenbar bei einem vorangegangenen Schiffsunglück am 13. April.
    EU plant Krisengipfel
    Die EU beraumte für den kommenden Donnerstag einen Krisengipfel an. Auf der Agenda soll vor allem der Kampf gegen Menschenhändler stehen. Dazu wurde bereits ein Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, der unter anderem eine Ausweitung der Seenotrettung und "zivil-militärische" Maßnahmen zur Festsetzung und Zerstörung von Schleuserbooten vorsieht. Als Vorbild soll die Anti-Piraterie-Mission der EU vor der Küste Somalias dienen. Die Hilfsorganisation Save the Children kritisierte, dass die Ministerrunde kein "sofortiges Handeln" beschlossen habe.
    Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi drängte die EU, den Fokus darauf zu legen, das Ablegen weiterer Flüchtlingsboote von Libyen zu verhindern. "Wir haben es mit einer organisierten kriminellen Aktivität zu tun, bei der viel Geld gemacht, aber viele Leben ruiniert werden", sagte er. Renzi forderte vor allem eine Stabilisierung der Lage in Libyen. Von dort starten besonders viele Flüchtlinge in Richtung Europa, weil es kaum noch eine funktionierende Staatsmacht gibt.
    Scharfe Kritik an der EU
    Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), warf den Innenministern allerdings vor, kein echtes Interesse an der Bekämpfung von Schlepperbanden und dem Schutz von Flüchtlingen zu haben. "Ich bin da pessimistisch", sagte er im Deutschlandfunk. "Ich sehe den politischen Willen insbesondere in den Innenministerien der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht. " Lambsdorff forderte eine "legale Möglichkeit der Zuwanderung in die Europäische Union" und ein "ernst gemeintes, wirklich gemeinsam europäisch verantwortetes Seenot-Rettungsprogramm".
    Der Vorsitzende der Hilfsorganisation Borderline Europe, Elias Bierdel, kritisierte die Abschottungspolitik der EU als "systematisch unterlassene Hilfeleistung". Im Deutschlandfunk sprach er vom "größten Menschenrechtsskandal weltweit". Die Flüchtlings- und Einwanderungspolitik in Europa sei "von vorvorgestern", kritisierte derweil der Politologe Claus Leggewie. Der CSU-Außenpolitiker Hans-Peter Uhl sagte hingegen im DLF: "Wir in Europa können nicht die ganze Welt umarmen."
    Erneut Flüchtlinge in Seenot
    Am Montag meldete Italiens Ministerpräsident Renzi neue SOS-Rufe zweier Boote nahe der Küste Libyens. Sie stammten von einer Rettungsinsel mit 100 bis 150 Flüchtlingen und einem Boot mit weiteren rund 300 Personen an Bord, sagte Renzi. Zuvor hatte die Internationale Organisation für Migration mitgeteilt, ein Anrufer habe gesagt, 20 Menschen seien bereits tot. In Griechenland kamen drei Menschen ums Leben, als ihr Flüchtlingsboot vor der Insel Rhodos auf Grund lief.