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Geteiltes Italien

In Italien fordern die Rechtspopulisten der Lega Nord schon seit zwanzig Jahren die Selbstbestimmung der norditalienischen Regionen. Angesichts der Eurokrise werden alte Klischees jetzt neu aktiviert um die alte Diskussion wieder anzufachen.

Von Karl Hoffmann | 05.10.2012
    "Italien ist wieder so geteilt, wie es vor der Einigung durch Giuseppe Garibaldi war. In Mailand werden Eindringlinge aus Apulien festgenommen. Im Zentrum hat sich der Kirchenstaat wieder etabliert. Und der Süden Italiens ist ein Sultanat, besiedelt von Immigranten aus Afrika."

    Eine bissige Zukunftssatire, die seit einiger Zeit im Internet kreist. Noch scheint sie reine Utopie , aber die Wirtschafts- und Finanzkrise hat wieder mal die alte Feindschaft zwischen dem Norden und dem Süden Italiens entfacht. Im italienischen Parlament streiten sich die Abgeordneten der Lega Nord heftig mit den Volkstretern aus den südlichen Landesteilen.

    "Wir prangern mit aller Kraft die Diskriminierung an, die die nördlichen Landesteile samt ihrer Bevölkerung seit Jahren erdulden."

    Ereifert sich die Lega Nord-Abgeordnete Paola Goisis . Ihr Kollege aus Apulien, Angelo Cera von der Zentrumspartei zahlt mit gleicher Münze heim.

    "Die Leute so gegeneinander aufzuhetzen ist ja unerhört, so ein feiges Gesindel."

    Worum es im Einzelfall geht, spielt keine Rolle. Der Tenor ist immer der gleiche : Der reiche Norden verdient das Geld, und muss den armen Süden subventionieren. Der Lega-Abgeordnete Grimaldi schlägt zurück:

    "Ihr seid immer nur aufs Geld aus , wir im Norden müssen schuften, und der Süden bekommt das Geld."

    Arbeitsscheu, verschwendungssüchtig und kriminell - siehe Mafia – oft enden solche Klischees der Norditaliener in purem Rassismus, zum Beispiel in den Fußballstadien.

    "Wir lieben die Terroni", tönt gehässig der Chor der Veroneser Fußballfans gegen die Gastmannschaft aus Süditalien. Terroni, Erdlinge ist die erniedrigende Bezeichnung für Sizilianer, Kalabresen und Apulier, die zu Millionen aus ihrer ländlich geprägten Heimat auswandern mussten, weil es dort keine Arbeit gab. Viele schufteten für wenig Geld in den Fabriken Norditaliens, unverzichtbare Arbeitskräfte für das italienische Wirtschaftswunder nach dem letzten Weltkrieg. Der chronische Mangel an Arbeit ist in Süditalien nie beseitigt worden. Deshalb trifft die Krise den Süden besonders hart und tiefe Schuldenlöcher in den Regionen, den Städten und Gemeinden südlich von Rom haben den schlechten Ruf Süditaliens nicht gebessert.
    Aber nun werden auch in Norditalien immer mehr Skandale aufgedeckt, sodass der Streit darüber, wer nun die ehrlicheren und fleißigeren Italiener sind, zur Farce ausufert. Ausgerechnet die nördlichste Region Südtirol gibt pro Kopf der Bevölkerung noch mehr für die regionale Verwaltung aus als Sizilien, die als besonders korrupt verschriene Insel. Und in der Lombardei, Heimat der stolzen Saubermänner von der Lega Nord, musste erst deren Gründer Umberto Bossi wegen übler Vetternwirtschaft abdanken . Und nun ist auch noch ein gewaltiger Bestechungsskandal aufgedeckt worden. Hunderte von Millionen Euro aus dem Gesundheitsetat wurden veruntreut. Vor zwei Tagen geriet ein weiterer gigantischer Schwindel in die Schlagzeilen, diesmal in Ligurien, ebenfalls Norditalien. Ein vom Staat beauftragter Steuereinnehmer soll etwa 100 Millionen Euro in die eigene Tasche gesteckt haben. Der Sizilianer Gino Miceli aus Catania am Fuße des Ätna kann seine Häme kaum verhehlen:

    "Die Vorurteile gegenüber uns Süditalienern sind inzwischen wohl überflüssig geworden . Dank der Globalisierung sind wir uns doch alle in jeder Hinsicht ähnlich geworden. Der einzige Unterschied zwischen Nord und Süd ist, dass bei uns das Wetter besser ist."
    Roberto Maroni, der neue Vorsitzende der Lega Nord, ist da allerdings anderer Meinung. Er will zum Beispiel , dass am Euro nur noch die reichen Regionen teilhaben dürfen:

    "Einige Regionen erfüllen dafür die nötigen Voraussetzungen, wie Norditalien, andere eben nicht, wie der Rest Italiens, sprich der Süden."