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Getreiderevolution in der Wüste

Deutschen Saatgutexperten ist es gelungen, eine neue Getreidesorte zu züchten, die in wüstenartigen Gebieten wie Mali besonders gut wächst. Die Ernteerträge könnten bis zu 40 Prozent steigen - und das ganz ohne Gentechnik.

Von Bettina Rühl | 14.10.2013
    Bella Berthé bereitet sein Feld für die Aussaat vor. Hier im Süden des westafrikanischen Landes Mali hat die Regenzeit angefangen, er muss sein Sorghum in den Boden bringen. Berthé hofft auf eine gute Ernte.

    "Ich benutze eine neue Sorghum-Sorte, die viel mehr Ertrag bringt, als unsere traditionelle. Für uns Bauern ist sie deshalb sehr interessant."

    Die neue Sorte entstand in den Laboren des ICRISAT, eines landwirtschaftlichen Forschungsinstituts. Dessen Wissenschaftler haben sich auf semi-aride, also halbwüstenartige Regionen wie den Sahel spezialisiert. Sorghum und Hirse wachsen im dortigen Klima besonders gut. Die deutsche Saatgutexpertin Eva Weltzien und ihr Mann haben die Sorghum-Sorte gezüchtet, die den Bauern Berthé und seine Kollegen so überzeugt.

    "Was wir entwickelt haben, sind Sorghum-Hybriden, die hier an die Anbaubedingungen in Westafrika gut angepasst sind, und zwar haben wir die entwickelt auf der Basis von lokalen Sorten. Damit sichergestellt ist, dass die Anpassung stimmt, und dass die Kornqualität auch stimmt, dass die Leute damit kochen können und zubereiten können, was sie schon immer mit Sorghum gekocht oder zubereitet haben. "

    Für die neue Sorte haben die Wissenschaftler verschiedene lokale Sorten miteinander gekreuzt, und auch einige exotische Sorten eingekreuzt. Die Steigerung der Produktivität ist erheblich.

    "Das sind so im Durchschnitt zwischen 30 und 40 Prozent, und was besonders spannend ist, ist dass diese Ertragssteigerungen auch sich realisieren lassen, selbst wenn Anbaubedingungen sehr schlecht sind. "

    Das ist im Sahel wichtig, weil die Bedingungen der Bauern meistens schlecht sind: Die Böden sind trocken und wenig fruchtbar. Und der Regen ist meistens unzuverlässig: er kommt zur falschen Zeit, kommt gar nicht oder in einem solchen Überfluss, dass er die Felder überflutet. Mit dem Klimawandel nehmen die Schwankungen vor allem in Afrika weiter zu, weitere Ernteausfälle drohen. Angesichts dieser Gefahr wird auch wieder über gentechnisch veränderte Pflanzen als mögliche Lösung diskutiert. Der Schweizer Landwirtschaftsexperte Hans Herren forscht seit über zwanzig Jahren auf dem Kontinent.

    "Bis jetzt, und das sind jetzt 20 Jahre Gentech-Industrie, gibt es keine Pflanze, die mehr produziert, die überhaupt Wasser-resistent oder Trockenheit tolerant ist. Es wurde ein bisschen was gemacht mit Insekten- und Krankheitsresistenz, aber die bricht auch schon wieder zusammen. "

    Auch Eva Weltzien hält die gentechnische Veränderung von Pflanzen für den völlig falschen Weg. Die richtige Antwort auf den Klimawandel sei nicht eine neue Sorte, sondern Vielfalt:

    "Wenn das Ende der Regenzeit so unvorhersehbar ist, dann brauchen die Leute eben Sorten, die zu verschiedenen Zeiten blühen, dass sie unter den verschiedenen Sorten wenigstens eine Sorte haben, die noch etwas bringt."

    Hinzu kommt, dass Bella Berthé und seine malischen Kollegen inzwischen kritisch gegenüber der Gentechnik sind: Sie haben von möglichen Risiken gehört und machen längst nicht jede technische Neuerung in der Landwirtschaft mit. Berthé hat auch gar keine Veranlassung mehr, sich anderes Saatgut zu wünschen.

    "Ich kann meine Familie ernähren und meine Kinder zur Schule schicken. Wir leben gut ich bin zufrieden. Natürlich ist niemand ohne Probleme, manchmal bräuchte man für das eine oder andere mehr Geld. Aber zu Essen haben wir auf jeden Fall genug. "