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Gewalt in Computerspielen

Ob Fernsehserien oder Computerspiele: Vor allem Jugendliche sind fasziniert von gewalttätigen Szenen auf dem Bildschirm. Warum übt diese Gewalt eigentlich eine solche Anziehungskraft aus? Mit dieser Frage beschäftigen sich Experten aus den Bereichen Psychologie, Kommunikationswissenschaften und Medieninformatik auf einer Tagung an der Universität Potsdam.

Von Eva-Maria Götz | 31.05.2007
    Maskierte Gestalten in olivgrünen Tarnanzügen springen von Fallschirmen gesichert aus einem Flugzeug. Unter ihnen liegt eine Stadt von orientalischem Erscheinungsbild, die es zu erobern gilt. Diverse Waffen stehen zur Verfügung, hinter jeder Ecke lauert ein Feind, den man erschießen, erstechen, in die Luft jagen, kurz: eliminieren muss, um selbst zu überleben. Der Spieler ist einer der Eroberer, das, was er auf dem Bildschirm sieht, ist täuschend echt, bis in die letzte Perspektive stimmt das Panorama. Und es ist sein Spiel, dessen Verlauf individuell variiert, je nachdem wo der Fallschirm landet. Das neue Computerspiel erscheint im Sommer und hat jetzt schon eine enorme Internetpräsenz und eine riesengroße Fangemeinde. Und viele dieser Fans sind wahrscheinlich jünger als 18 Jahre trotz der angegebenen Altersbeschränkung.

    " Was ich überraschend fand, war zum einen der hohe Verbreitungsgrad von nicht altersgerechten Spielen in den Stichproben die wir haben, und überrascht hat mich diese enge Verknüpfung zwischen Gewaltgehalt und Reiz, der von dem Spiel ausgeht, dass also alle Spiele, die die richtig gut fanden, das waren die, die auf unserem Gewaltrating weit oben standen. "

    Über einen Zeitraum von zwei Jahren untersuchte Barbara Krahé, Professorin am Institut für Psychologie der Universität Potsdam das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Mit einem Großteil der Probanden, die Zahl liegt zwischen 1300 und 1500 Teilnehmern, kommunizierten sie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Internet, andere waren Schüler aus sechsten bis achten Klassen, die persönlich befragt und beobachtet werden konnten. Barbara Krahé:

    " Wir wollten gerne wissen, ob man einen Zusammenhangherstellen kann zwischen der Häufigkeit mit der Gewaltspiel konsumiert werden und Auswirkungen auf die aggressiven Gedanken, Gefühle und Verhaltensabsichten. Wir haben nicht das tatsächlich aggressive Verhalten untersucht, sondern die Verhaltensabsichten, wie man sich zum Beispiel in einer vorgestellten Konfliktsituation verhalten würde und wir haben erwartet, dass die, die diese Inhalte stärker konsumieren, sich von denen unterscheiden, die das weniger tun, zum Beispiel darin, dass sie eher Aggression normativ gutheißen, weil in sehr vielen Spielen die Gewalt im Dienste der guten Sache als positiv dargestellt wird und wir haben auch erwartet, dass sich so eine feindselige Weltsicht herausbildet. "

    Die Erwartungshaltung wurde durch die Studienergebnisse bestätigt: Wer als Spieler eines Ego-Shooting-Spiels seine Wahrnehmung ständig gezielt daraufhin trainiert, angebliche "Feinde" in Sekundenbruchteilen zu erkennen und zu vernichten, verliert mit der Zeit sein Vertrauen in die reale Welt.

    " Man fühlt sich von den anderen bedroht, man denkt, dass die einem feindselig gegenüberstehen, das erzeugt Ärger. Ärger ist eine ganz wichtige Begleitemotion zu Aggression und so kann man sich den Zusammenhang vorstellen. "

    Spätestens seit den Amokläufen in Erfurt und Emsdetten stehen gewaltverherrlichende Computerspiele und Horrorfilme im Verdacht, die Hemmschwelle für aggressives, gewalttätiges Verhalten zu senken, waren doch beide Attentäter starke Konsumenten dieser Medien. Doch Forschungsarbeiten, die diese Vermutungen auf eine wissenschaftlich solide Basis stellen, gibt es, vor allem in Europa, bislang nur wenige. Laut Barbara Krahé liegt ein Problem darin, dass es schwer ist, ein allgemein verbindliches Maß für Gewaltkonsum zu finden.
    " Das ist in der Forschung ein heißes Thema und eine ganzheitliche Lösung gibt es nicht. In der Mehrzahl der Fälle wird es so gemacht, dass man die Nutzer selber fragt, wie viel Gewalt ist in diesem Spiel drin, manche Studien schlüsseln das noch mal genau auf, was sie damit meinen. Wir haben zum Beispiel gesagt, ihr müsst euch überlegen: Wie viel wird da gekämpft, wie viel Blut fließt da, haben versucht, das zu umreißen, was Gewaltindikatoren sind könnten und dann haben wir es den Befragten selbst überlassen, so ein allgemeines Rating für jedes Spiel uns zu geben. "

    In der Regel, so ein Ergebnis der Potsdamer Studie, kommen die Spieler in Sachen Gewaltanteil zur gleichen Einschätzung wie die Experten, die Spiele untersuchen. Allerdings haben die blutrünstigen Darstellungen für die überwiegend männlichen Jugendlichen keinerlei abschreckende Wirkung. Im Gegenteil:

    " Wir haben nicht nur gefragt, wie häufig spielst du dieses Spiel, sondern wir gut gefällt dir dieses Spiel und wir finden, dass die Spiel mit den höchsten Gewaltratings auch die sind, die den höchsten Beliebtheitsgrade haben von den Nutzern. "

    Jeder zweite Junge ab zehn Jahren , so eine Umfrage, hat bereits Erfahrung im Umgang mit Ego-Shooterspielen. Eine erschreckend große Zahl, wenn sich die Studienergebnisse bestätigen, dass es tatsächlich einen Zusammenhang gibt zwischen Gewaltkonsum in den Medien und Gewaltausübung in Konfliktsituationen. Oder sind die Killer-Spieler einfach von vorneherein aggressiver als ihre Altersgenossen, die sich auf dem Sportplatz austoben?

    " Besorgniserregend ist besonders die Wirkungsthese, dass man also sagt, auch diejenigen, die eigentlich ganz harmlos und friedfertig sind, die werden dadurch beeinflusst. Nach dem, was wir bisher wissen, spielt beides eine Rolle: Sowohl sind diejenigen, die ein Aggressionsniveau mitbringen, eher an den Spielen interessiert, sie reagieren auch stärker auf den Gewaltgehalt. Aber auch diejenigen, die sich ständig diesem Medium aussetzen, zeigen eine Zunahme ihrer Aggressionsbereitschaft über die Zeit. "

    Es ist vor allem der Abstumpfungsmechanismus, der die Gewaltbereitschaft erhöht, weil das Mitgefühl mit Opfern sinkt, sagt Professorin Krahé, die trotzdem vor einer Polarisierung der Debatte warnt. Denn so, wie nicht jeder Raucher Lungenkrebs bekommt und nicht jeder alkoholisierte Autofahrer zwingend einen Unfall verursacht, wird auch nicht aus jedem Ego-Shooter ein Sicherheitsrisiko.

    " Ich glaube, dass es für Kinder auch teilweise die Funktion ist, raus zu kommen aus so einer Erschöpfung nach einem langen Schultag, und das muss man sich auch einfach überlegen. "

    Ziel der Potsdamer Tagung ist nun eine bessere Vernetzung der bisherigen Forschungsergebnisse und wenn möglich, die Erarbeitung einer Empfehlung für Eltern und Gesetzgeber.

    " Das Ziel ist, das wir gemeinsam eine Bestandsaufnahme versuchen, dass wir die Bereiche identifizieren, über die wir noch wenig wissen. Dazu gehört die Frage: Was sind eigentlich die Dinge, die diese Medien so attraktiv machen, und dann wird es um die Frage gehen: was kann man mittelfristig entwickeln und erproben um diese schädigenden Wirkungen entweder gleich zu vermeiden oder abzubauen. "

    " Im Moment ist ja auch die Altereinstufung in die Kritik geraten, da sollte man zumindest mal drauf gucken. Soweit ich die Kriterien überblicke, spielt der Gewaltgehalt keine zentrale Rolle. Das könnte man hinterfragen, ob das richtig ist. Ich glaube, dass es für Eltern noch nicht mal ausreicht, was es für eine Alterempfehlung gibt. Sie müssten sich im Prinzip die Spiele einzeln angucken. Das ist aber eine unrealistische Forderung "