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Gewalt-Statistik
Mehr Rassisten als Islamisten

Die Gefahr von Terror und Gewalt geht der öffentlichen Wahrnehmung zufolge vor allem von Tätern mit islamistischem Hintergrund aus. Doch eine Studie aus den USA zeigt, dass dort in den vergangenen Jahren wesentlich mehr Menschen Opfer rassistischer Gewalt wurden. Auch in Deutschland ist der potenzielle Gefährderkreis Rechtsextremer größer als der von Islamisten.

Von Ursula Kissel | 08.01.2016
    Die Robe eines Ku-Klux-Klan-Mitglieds, dahinter das Gesicht eines Schwarzen in einer Ausstellung in Washington.
    Die Robe eines Ku-Klux-Klan-Mitglieds in einer Ausstellung in Washington. (AFP / Karin Zeitvogel)
    In den USA beherrscht die Angst vor islamistischem Terror seit den Anschlägen vom 11. September 2001 die öffentliche Debatte. Doch die Gefahr durch "weiße Rassisten" ist nach einem Bericht der amerikanischen Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League (ADL) deutlich größer.
    Deren Angaben zufolge war das vergangene Jahr in den USA das schlimmste Terrorjahr seit 1995. Die Organisation warnt vor einem zeitgleichen Erstarken verschiedener extremistischer Bewegungen. In der Folge seien im vergangenen Jahr 52 Menschen von US-amerikanischen Extremisten getötet worden – mehr als in den beiden Vorjahren zusammen. Für 19 Morde seien einheimische Islamisten verantwortlich, für weitere 20 jedoch "weiße Rassisten". Weitere Morde gingen auf das Konto von Anti-Regierungs- und Abtreibungsgegnern.
    Rassisten für 70 Prozent der Morde seit 2006 verantwortlich
    Zwischen 2006 und 2015 wurden in den USA laut ADL insgesamt 295 Menschen durch einheimische Terroristen getötet. Für 70 Prozent der Morde (206) seien weiße Rassisten verantwortlich. Islamisten töteten im besagten Zeitraum 38 US-Bürger.
    Die Angriffe mit den meisten Opfern gingen demnach vom einem Islamistenpaar mit pakistanischen Wurzeln sowie von einem rassistischen Einzeltäter aus. Das muslimische Ehepaar ermordete im kalifornischen San Bernardino im Dezember während einer Weihnachtsfeier 14 Menschen. Der von der ADL als weißer Rassist bezeichnete Dylann Roof tötete im Juni bei einem Angriff auf eine schwarze Gemeinde in Charleston in South Carolina neun Personen. Der Mann besaß die US-Staatsbürgerschaft, seine Eltern waren Einwanderer aus Pakistan.
    Deutschland: Islamistischer Terror gilt als größte Bedrohung
    Die Anschläge von Islamisten in Paris, aber auch die Übergriffe von Männern arabischer und nordafrikanischer Herkunft auf Frauen in der Silvesternacht in Köln, Hamburg und anderen Städten schüren in Deutschland die Angst vor weiterer Gewalt.
    Dem Verfassungsschutz zufolge gibt es in Deutschland ein "islamistisch-terroristisches" Spektrum, zu dem nach Angaben von Mitte November etwa tausend Menschen zählen. Darunter seien inzwischen etwa 420 sogenannte Gefährder, denen schwere politisch motivierte Gewalttaten grundsätzlich zugetraut werden. Dieser Personenkreis wird von den Sicherheitsbehörden beobachtet. Es handelt sich vor allem um junge Muslime, gebürtige wie Konvertiten. Die Gefahr durch islamistische Anschläge gilt aktuell als größte Bedrohung der Sicherheit in Deutschland.
    Auf der anderen Seite aber verzeichnet das Bundesamt für Verfassungsschutz einen weitaus größeren Personenkreis von gewaltorientierten Rechtsexremisten. Nach Zahlen vom 31.12.2014 werden dieser Gruppe 10.500 Personen zugeordnet. Die Szene insgesamt umfasste im Jahr 2014 demnach doppelt so viele Mitglieder.
    Mit der Zahl der Flüchtlinge in Deutschland ist auch die Menge der rassistisch motivierten Gewalttaten gewachsen. Laut dem Bundesinnenministerium starb 2015 mindestens ein Mensch durch fremdenfeindliche Gewalt. Allein bis Ende September wurden insgesamt fast 390 Gewalttaten registriert, bei denen es 300 Verletzte gab.