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Gewinnbringend vermittelbar

Peer Steinbrück hat seit 2009 für Vorträge mehr als eine Million Euro bekommen. Neben dem SPD-Kanzlerkandidaten vermitteln Redneragenturen auch gerne ehemalige Politiker, wie Altkanzler Gerhard Schröder und Ex-Außenminister Joschka Fischer. Sie zählen in Deutschland zu den Top-Verdienern.

Von Axel Rahmlow | 01.11.2012
    An wenigen ausgesuchten Stellen im Berliner Büro von Ulrike Ramsauer hängen Bilder, die sie selbst gemalt hat. Eindeutige Motive sind schwer zu erkennen, das bunte Durcheinander bildet einen Kontrast zu den hohen weißen Wänden. Von hier aus vermittelt die Chefin ihrer eigenen Redneragentur Vorträge für aktive und ehemalige Politiker. Etwa Altbundespräsident Richard von Weizsäcker oder der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel. Banken, Unternehmen oder Stiftungen wollen ihre Hilfe.

    "Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren mit Rednern und überlege mir: Wer passt zum Thema? Ich könnte meinen Computer fragen, aber das meiste läuft im Kopf ab."

    Auf Ramsauers Internetseite sind die meisten ihrer Kontakte mit ausführlichem Lebenslauf beschrieben – neben Politikern sind es Journalisten, Sportler und Professoren. Bei jedem angefügt ist eine Liste an potenziellen Themen für Vorträge. Das zu zahlende Honorar gibt es aber nur auf Anfrage. Ramsauer stellt – wie viele andere ähnliche Agenturen – den Kontakt her, schließt die Verträge und informiert die Protagonisten über das Thema. Dafür bekommt sie ein Honorar vom Veranstalter oder eine Provision vom Redner. Die Nachfrage wächst, die Konkurrenz auch. Allerdings fehlt es an vermarktbarem Personal à la Peer Steinbrück.

    "Es sind ganz, ganz wenige, die diese Kompetenz und dieses Charisma besitzen. Ich selbst denke, dass es im Bundestag keine zehn Abgeordnete gibt, die in der Honorarliga von Herrn Steinbrück liegen."

    Den Beweis für seine Schlagfertigkeit hat er persönlich zuletzt Anfang der Woche geliefert. Als Steinbrück seine Nebeneinkünfte als Redner offenlegt, inszeniert er sich genüsslich als Vorreiter für mehr Transparenz – als strahlenden Gegensatz zur Konkurrenz von Union und FDP.

    "Nachdem einige die Möglichkeit suchten, mir einen Stein an den Kopf zu werfen mit Blick auf eine mangelnde Transparenz, trage ich jetzt gerne dazu bei, dass aus diesem Stein ein Bumerang wird, der an ihren eigenen Kopf zurückfliegt."

    Eindeutige Bilder mit Schmunzeleffekt: Dafür, sagt die Vermittlerin Ramsauer, sind die rund 15.000 Euro brutto, die Steinbrück in den meisten Fällen bekommen hat, auch angemessen. Ein amerikanischer Politiker würde für dieses Geld nicht mal anreisen. Topverdiener in Deutschland sind Altkanzler Gerhard Schröder und Ex-Außenminister Joschka Fischer, mit geschätzten 25.000 Euro im Schnitt. Für die Zukunft tippt die Agenturchefin auf Bundespräsident Joachim Gauck – mittlerweile.

    "Es war wirklich nicht einfach, für ihn Vorträge zu akquirieren. Einfach weil die Veranstalter gesagt haben: "Ach Gauck, das ist doch ziemlich lange her, er spielt keine Rolle mehr in der Öffentlichkeit." Dann wurde Gauck natürlich Kandidat für das Bundespräsidentenamt und plötzlich wollte ihn jeder haben.""

    Genau anders herum sei es bei Christian Wulff gewesen. Gaucks Vorgänger ist für Ulrike Ramsauer heute unvermittelbar, das Image ist nach seinem Rücktritt zu schlecht. Bei Gauck dagegen freut sie sich schon heute darauf, wenn er – nach seiner Amtszeit natürlich – wieder auf dem Markt ist. Mit dem Ex-Bundespräsidenten als Vortragsreisendendem rechnet auch Siegfried Haider. Der Geschäftsführer der Agentur experts4events aus München sagt: Mit prominenten Politikern wollen Unternehmen ihr Publikum vor allem beeindrucken.

    "Letztendlich ist die hohe Summe nicht ins Verhältnis zu setzen zu dem Inhalt des Gesagten, sondern in Bezug auf den Nutzen für den Auftraggeber. Das ist insofern wichtig, als dass es insgesamt rund ist und für die Leute informativ und unterhaltsam."

    Haider vermittelt zum Beispiel Kurt Biedenkopf, den früheren Ministerpräsident von Sachsen. Gerade die ehemaligen Größen der deutschen Politik seien gefragt.

    "Die reichen wir natürlich hin und her. Alle die erfolgreich waren, da können sie im Wesentlichen davon ausgehen, dass die auch im Vortragsgeschäft präsent sind."

    Agenturbesitzerin Ulrike Ramsauer weiß, warum zum Beispiel Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler bis zu 20.000 Euro kosten soll: Ehemalige Politiker sagen selten ab, müssen nicht etwa kurzfristig zu Abstimmungen im Bundestag. Vor allem aber sind sie nicht mehr eng an die Parteilinie gebunden:

    "Ich vergleiche den Rednermarkt immer mit dem Markt der Dirigenten. Die werden mit dem Alter immer besser durch die Erfahrung. Es ist ein Glücksfall, weil die sagen können, was sie denken."

    Auch mal einen Spruch gegen die eigenen Leute raushauen, das kommt beim Publikum gut an. Egal, ob es um Politikrentner oder noch aktive Abgeordnete geht. Beide Vermittler, Ramsauer wie Haider, erhoffen sich von der Diskussion um Peer Steinbrück mehr Offenheit für ihr Geschäft. Denn die Redner sollten stolz auf hohe Honorare sein – verdient seien sie allemal.