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Gewitterträchtige Großwetterlage
"Tief Mitteleuropa" wird zunehmen

Wir erleben das Schauspiel jetzt schon seit dem 26. Mai: Eine Gewitterfront löst die andere ab, Erdrutsche an Mosel, Rhein und Elbe und nicht zuletzt Sturzfluten wie in dem kleinen Ort Braunsbach in Baden-Württemberg oder im niederbayerischen Simbach. Meteorologen geben dafür einer Wetterlage die Schuld, die sie "Tief Mitteleuropa" nennen und der sie grundsätzlich ein "hohes Schadenspotenzial" attestieren.

Von Volker Mrasek | 07.06.2016
    Blitze schlagen neben Windrädern ein
    In weiten Teilen Deutschlands gehörten zuletzt Tiefdruckgebiete mit starken Gewittern zum Alltag (picture alliance / dpa / Sven Koopmann / Photoka)
    Tag für Tag das Gleiche, und das schon seit rund zwei Wochen: Der DWD, der Deutsche Wetterdienst, warnt vor folgenschweren Gewittern in weiten Teilen des Landes: Normalerweise dürfte man erwarten, dass der Spuk zu dieser Jahreszeit schnell wieder vorbei ist. Und dass Tiefdruckgebiete samt ihrer Gewitterzellen nur kurz durchziehen, dank der vorherrschenden Westwind-Strömung vom Atlantik. DWD-Meteorologe Thomas Deutschländer:
    "Das ist ja die normale Zugbahn: von West nach Ost, eher ein bisschen nördlich von uns, gerade im Sommer. / Da regnet es natürlich auch. Aber die ziehen dann durch, und wir haben dann eben ein paar Liter Niederschlag. Das passiert dann aber schnell und ist dann auch wieder vorbei."
    Diesmal aber haben wir es mit einer Witterung zu tun, die ganz anders ist. Ein Dauer-Hoch über Skandinavien blockiert die übliche Zugbahn, und in unseren Breiten hat sich ein dominantes Höhen-Tief eingenistet. Experten wie Deutschländer sprechen von der Großwetterlage "Tief Mitteleuropa", abgekürzt: TM.
    "Die Wetterlage ist häufig wirklich mit sehr starken Niederschlägen verbunden über Mitteleuropa. Ein in der Regel sehr stationäres, also sprich: Ortsfestes Tief, was von der Lage und von den Strömungsverhältnissen her, die sich dann in Europa einstellen, dazu führt, dass feucht-warme Luftmassen aus dem Mittelmeerbereich nach Deutschland oder Mitteleuropa geführt werden. Die treffen dann hier auf kältere Luftmassen von Norden. Und das Ganze führt dann eben dazu, dass es zu diesen heftigen Starkniederschlägen kommt, weil dann auch so viel Wasser in der Atmosphäre ist."
    Wetterlage tritt immer öfter auf
    Das Jahrhundert-Hochwasser an der Elbe 2002. Ähnlich verheerende Überschwemmungen vor drei Jahren an Donau und Elbe. Monsunartige Niederschläge im Münsterland im vorletzten Sommer. Jedes Mal steckte laut DWD das schadensträchtige Tief Mitteleuropa dahinter. Und jetzt schon wieder! Eigentlich ist die Wetterlage gar nicht so häufig. Aber sie tritt immer öfter auf. Das ergab eine statistische Analyse der Offenbacher Meteorologen. Dabei kam heraus:
    "Dass diese Wetterlage in den letzten rund 60 Jahren - genau genommen im Zeitraum 1950 bis 2011 - ungefähr 20 Prozent zugenommen hat. Wir sprechen hier von einer Wetterlage, die im Jahr im Schnitt etwa 8-10mal früher und jetzt eben etwas häufiger auftritt. Wir reden hier also von einer Zunahme von zwei bis drei Fällen. Aber wir sind noch nicht restlos sicher, dass es sich dabei auch um einen langfristigen, nachhaltigen Trend handelt. Im Moment deutet aber alles darauf hin."
    Thomas Deutschländer beschäftigt sich beim DWD vor allem mit Fragen des Klimawandels. Und auch im Fall des Tiefs Mitteleuropa stellt sich natürlich die Frage: Macht sich hier bereits die globale Erwärmung bemerkbar?
    "Es ist immer sehr schwer, in der Klimastatistik und auch in der Zuordnung von Fällen auf einzelne Jahre zu gehen. Aber es liegt in der Theorie, dass sich insgesamt auch die Starkniederschläge erhöhen. Und dazu würde natürlich auch hervorragend passen, dass sich die Anzahl dieser Tief-Mitteleuropa-Lagen erhöhen würde."
    Starkregen könnte zunehmen
    Ein Argument dafür liefern auch vorliegende Klima-Projektionen für die Zukunft. Bis Ende des Jahrhunderts könnte die gefährliche Wetterlage demnach weiter zunehmen.
    "So in einer Größenordnung zwischen zwei und fünf Fälle mehr, das heißt vielleicht noch mal eine Zunahme, wie wir sie jetzt schon beobachtet haben. Und das ist natürlich schon nicht ganz ohne, wenn diese Wetterlage zunimmt. Dann haben wir natürlich mehr Gefahr, dass es zu Starkniederschlägen und auch Überschwemmungen und dem, was damit verbunden ist, kommen kann."
    Nach den neuesten Vorhersagen wird sich das Wetter Ende dieser Woche beruhigen und die Gewitterneigung wieder zurückgehen. Eine endgültige Entwarnung ist das aber nicht. Die Offenbacher Meteorologen verweisen hier auf Langzeit-Vorhersagen, wie sie der US-amerikanische Wetterdienst rechnet. Demnach soll der Juni in Deutschland nasser werden als normalerweise üblich. Gewitter und Starkregen könnten sich also in Kürze schon wieder zurückmelden.