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Giftiger Bohrschlamm
Reinigen statt in der Erde verbuddeln

Viele Jahrzehnte lang wurde hochgiftiger Bohrschlamm aus der Erdölförderung einfach in der Erde vergraben. Tausende Tonnen Erde müssen deswegen auf Sondermülldeponien wandern. Der Bohrschlamm könnte aber auch gereinigt werden. Dafür hat eine bayerische Firma ein besonderes Verfahren entwickelt.

Von Ines Rutschmann | 02.06.2016
    Eine Pferdekopfpumpe mit der in Deutschland Erdöl gefördert wird.
    Auch in Deutschland wird Erdöl gefördert. (imago/Sämmer)
    Wird nach Öl und Gas gebohrt, fällt Dreck an. Mit Chemikalien versetzte Flüssigkeiten spülen das Bohrloch frei. Neben Erde können dabei auch Substanzen an die Oberfläche gelangen, die als gefährlich gelten. Was mit diesem Bohrschlamm, der bis in die 70er-Jahre hinein in Deutschland zu Tage gefördert wurde passiert, beschäftigt heute Behörden und Umweltverbände.
    Hohes Umweltrisiko
    "Diese Bohrschlämme wurden früher nicht richtig entsorgt, nicht deponiert, sondern einfach irgendwo in Gruben gelagert und dort lagern sie jetzt immer noch. Diese Bohrschlämme sind teilweise mit Quecksilber, radioaktiven Stoffen oder krebserregenden Kohlenwasserstoffen versetzt. Und von diesen ungesicherten Gruben geht natürlich eine immense Gefahr für Natur und Mensch und fürs Trinkwasser aus", sagt Daniel Hiß vom Deutschen Naturschutzring. Vor anderthalb Jahren begann Niedersachsen als erstes Bundesland mit der Aufarbeitung. Mehr als 500 Flächen werden daraufhin untersucht, ob auf ihnen gefährliche Bohrschlämme lagern. Diese gehören nicht in Bohrgruben, sondern auf Deponien für Sondermüll. Alternativ lässt sich der Abfall reinigen. Die Firma Econ Industries aus Starnberg hat dafür ein Verfahren entwickelt. In Bitterfeld steht eine von vier Anlagen in ganz Deutschland: Rund neun Meter ist sie hoch und bis zu 20.000 Tonnen kann sie pro Jahr behandeln.
    In der Luft schwebt der Geruch von Erdöl - angeliefert werden sehr ölhaltige Schlämme, die von jüngsten Bohrungen in der Nordsee stammen. Zu den gefährlichen Schlämmen gehören diese nicht. Es geht in Bitterfeld darum, das enthaltene Öl zurückzugewinnen. Dazu kommt der Schlamm in einen zylinderförmigen Mischer, der von außen durch heißes Thermalöl erwärmt wird. Wasser und Erdöl verdampfen und steigen auf. Kondensatoren kühlen das Gemisch wieder ab. Da sich Öl in Wasser nicht löst, können die Flüssigkeiten hintereinander abgelassen werden. Die getrocknete Erde wird separat aufgefangen. Das Besondere am gesamten Prozess ist: Er läuft unter Vakuumbedingungen ab. Prozessingenieur Uwe Gebert erklärt den ersten Vorteil dabei: "Die Anlage ist einfach rundum dicht. Ich habe wirklich das sprichwörtlich geschlossene System. Und alle Medien sprich Dampf oder Kondensate oder Abgas - das lässt sich alles extrem einfach händeln."
    Kosten für Reinigung sind hoch
    Enthält der Schlamm Quecksilber oder giftige Kohlenwasserstoffe, können umwelttechnische Anlagen die Schadstoffe nach der Kondensation aus der Flüssigkeit abtrennen. Das Ziel am Ende der Prozesskette ist, das Wasser in die Kanalisation zu leiten. "Die Erde soll zurück an ihren Ursprungsort gelangen und nicht deponiert werden müssen", sagt Geschäftsführer Reinhard Schmidt. "Ob wir das erreichen, liegt eben an der Fragestellung, wie die Substanzen, die da drin sind, sich zusammensetzen und ob andere Substanzen, die wir nicht verdampfen können, wie beispielsweise Blei oder Kupfer, in dem Boden noch enthalten sind."
    Neben den meisten Schwermetallen gehören auch radioaktive Stoffe zu diesen Substanzen. Im Mischer herrschen Temperaturen von bis zu 350 Grad Celsius. Der geringe Druck im Vakuum senkt die Siedetemperatur aller Stoffe um rund 100 Grad. So kann alles verdampfen, was unter Normaldruck spätestens bei 450 Grad siedet. Das reicht für Quecksilber und die meisten Schweröle, allerdings nicht für Blei oder Kupfer. Ob hierzulande Bohrschlämme mit solchen Stoffen belastet sind, kann Reinhard Schmidt nicht einschätzen. Seine Firma hat bisher nur ins Ausland Anlagen geliefert, die gefährliche Schlämme verarbeiten. Dort geschieht das häufig direkt neben den Bohrstellen. Aus Deutschland gab es dagegen noch keinen Auftrag. "Weil in Deutschland die Verbrennung und die Deponierung immer noch höher eingestuft wird als eine lokale Behandlung am Anfallort."
    Die Deponierung von gefährlichem Bohrschlamm ist für die Industrie deutlich günstiger als eine Reinigung. Bis zu 65 Euro pro Tonne kostet die Lagerung. Eine Anlage von Econ Industries lässt sich dagegen nur schwer unter 200 Euro pro Tonne betreiben, obwohl der Energieeinsatz durch die Vakuumtechnik vergleichsweise niedrig ist: Für eine Tonne Schlamm braucht die Anlage rund 200 Kilowattstunden Energie.