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Gipfel in Zeiten des Umbruchs

Gleich nach dem G8-Gipfel findet in den USA der Nato-Gipfel statt: Themen sind der geplante Raketenabwehrschirm und der Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan. Bei beidem gibt es noch viel Gesprächsbedarf.

Von Rolf Clement | 18.05.2012
    Gipfelkonferenzen spielen für die Gastgeber immer eine besonders wichtige Rolle: Der Glanz vieler Staats- und Regierungschefs soll das eigene Bild aufpolieren und dem Wahlbürger die Bedeutung des Einladenden verdeutlichen. Auch, wenn niemand die Bedeutung der Außenpolitik in den USA überschätzen sollte. Dass Präsident Barack Obama an diesem Wochenende zuerst zum G-8-Gipfel und gleich im Anschluss zum NATO-Gipfel in die USA eingeladen hat, dürfte damit zu tun haben, dass er sich im Herbst der Wiederwahl stellen muss.

    So ist es für Obama betrüblich, dass der erneut zum russischen Präsidenten gewählte Vladimir Putin nicht an den Gipfeln teilnimmt. Den ganz großen internationalen Schulterschluss kann Obama also nicht demonstrieren. Dennoch sitzt Russland beim NATO-Gipfel gleichsam indirekt mit am Verhandlungstisch. Denn bei zwei der Hauptthemen spielt die russische Position eine wichtige Rolle. Einerseits geht es um den Abzug aus Afghanistan, andererseits um die Raketenabwehr.

    Die NATO will ihre Mitgliedsstaaten vor einem Raketenangriff schützen. Dafür soll ein Abwehrsystem entwickelt und aufgestellt werden. Aus Sicht der NATO geht die größte Gefahr derzeit vom Iran aus. Das kann sie in offiziellen Papieren allerdings nicht festhalten, weil die Türkei die Nennung des benachbarten Iran durch ein Veto verhindert. Da in der NATO alle Beschlüsse einstimmig gefällt werden, kann jeder Staat einen unliebsamen Beschluss verhindern. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmusen formuliert es so:

    "Lassen sie mich zunächst einmal unterstreichen, dass die Raketenabwehr der NATO nicht gegen ein bestimmtes Land, sondern gegen eine Bedrohung gerichtet ist. Und diese Bedrohung kann von vielen Seiten kommen. Wir wissen, dass mehr als 30 Länder in der Welt über Raketentechnologie verfügen oder sie erwerben wollen. Einige davon sind in der Lage, NATO-Gebiet zu erreichen."

    Die NATO argumentiert nun, wenn die Bedrohung aus Regionen des Nahen und Mittleren Ostens komme – gemeint ist der Iran -, dann sei dadurch auch Russland bedroht, denn die iranischen Raketen könnten auch auf Russland gerichtet werden. Also benötige Russland ebenfalls Schutz vor solchen Raketen. Aus Sicht der NATO wäre es deshalb sinnvoll, wenn man diese Raketenabwehr gemeinsam entwickle.

    Beim letzten Gipfeltreffen der NATO im November 2010 in Lissabon hatte die Allianz Russland offiziell angeboten, das Raketenabwehrprogramm gemeinsam zu entwickeln. Das Angebot steht noch, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es in der vergangenen Woche erneuert:

    "Mit dieser Zusammenarbeit wollen wir ein qualitativ neues Kapitel im Verhältnis zu Russland aufschlagen. Zum ersten Mal würden die NATO und Russland echte gemeinsame Verteidigungsanstrengungen unternehmen."

    Russland hatte allerdings schon im November 2010 skeptisch auf das Angebot reagiert. Man sei durchaus interessiert, hieß es in Moskau, aber man bestehe darauf, dass Entscheidungen über Architektur und Einsatz gemeinsam gefällt würden.

    Einer solchen Zwei-Schlüssel-Lösung, also einem Mitentscheidungsrecht der Russen beim Einsatz, wollte und will die NATO nicht zustimmen. Sie kann nach eigenem Verständnis die Entscheidung über den Einsatz eines Abwehrsystems nicht von der Zustimmung eines Nichtmitglieds abhängig machen. Es entwickelte sich ein politischer Schlagabtausch.

    Moskau gab zu Protokoll, es befürchte, dass der Raketenabwehrschirm der NATO auch gegen Russland gerichtet sei, dass also Russland damit eine strategische Option genommen würde. Vor diesem Hintergrund schaukelten sich in den letzten Monaten immer wieder Wortgefechte hoch. Russland drohte erst mit der Aufstellung von Raketen in Kaliningrad/Königsberg. Die NATO konterte nicht öffentlich, aber in vertraulichen Beratungen, damit würde Russland die Notwendigkeit einer Raketenabwehr gegen russische Systeme provozieren. Zuletzt hieß es sogar, Russland wolle die Abwehrstellungen bombardieren.

    Immer wieder versuchte die NATO, Russland ins Boot zu holen. In Ramstein bei Kaiserslautern hat das NATO-Hauptquartier für Luftoperationen seinen Sitz. Hier wird die Raketenabwehr, sollte sie einmal funktionieren, gesteuert. Stellvertretender Befehlshaber dort ist Generalleutnant Friedrich Wilhelm Plöger. Technisch hält er eine Zusammenarbeit mit Russland für denkbar:

    "Ich könnte mir vorstellen, dass wir mit den Russen zusammen unsere Frühwarninformationen teilen und dann nach Auswertung der Frühwarninformationen in eine echte Koordination von Abhöroperationen einsteigen könnten und dann vor Ort koordinieren, wer am besten geeignet ist, mit seinen Abwehrsystemen angreifende Flugobjekte zu bekämpfen."

    Die NATO will auf der Gipfelkonferenz in Chicago erste Fakten schaffen und eine "anfängliche Einsatzbereitschaft" erklären. Plöger zur konkreten Bedeutung dieser Entscheidung:

    "Wir werden mit der ersten Einsatzfähigkeit in der Lage sein, angreifende ballistische Flugkörper zu beobachten und planen zu können."

    Also noch keine wirkliche Abwehrfähigkeit – nur beobachten und planen. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hofft, dass sich Russland nicht endgültig abwendet:

    "Ich denke, die Russen haben Bedenken formuliert, wenn es zu Phase drei und vier in unserem gestaffelten Herangehen kommt. Ich denke, sie sind nicht allzu besorgt wegen dieses ersten Schritts - der Erklärung einer Interims-Einsatzfähigkeit."

    Schon 2010 hatte der damalige US-Botschafter bei der NATO, Daalden, die Phasen für das System erläutert. Zuerst sollen Abwehrraketen auf einem Kriegsschiff im Mittelmeer stationiert werden. Das ist mittlerweile geschehen. Später sollen dann zum Beispiel in Rumänien stationäre Abwehrstellungen installiert werden. In Polen und der Türkei sind Radarstellungen vorgesehen.

    Das Schiff der US-Marine verfügt über Abfangraketen, die Höhen außerhalb der Erdatmosphäre erreichen können. Damit sind sie technisch in der Lage, weitreichende Raketen mit Sprengköpfen zu zerstören. Generalleutnant Plöger beteuert allerdings, dass ein Abschuss von russischen Raketen unmöglich sei:

    "Technisch machen wir das einerseits dadurch klar, dass unsere Abfangsysteme von der Finesse noch nicht geeignet sind, die höchstentwickelten Systeme der Russen abzufangen. Zum anderen von der Positionierung der Abfangsysteme, die dort positioniert werden, wo sie von ihrer Lage, von ihrer Stellung im Raum am besten stehen, um angreifende Flugkörper abzufangen. Und da ist sicherlich nicht Russland dabei, denn Russland ist unser Partner, mit dem wir keinerlei bedrohliche Beziehungen pflegen."

    Zu den bereits erwähnten Elementen der Raketenabwehr kommen andere aus weiteren NATO-Staaten hinzu. Generalsekretär Rasmussen:

    "Einige dieser Länder werden Raketenabwehreinrichtungen beherbergen, darunter die Türkei. Dort arbeitet schon eine Radarstation. Einige Staaten haben Marineeinrichtungen angeboten. Das zeigt: Es ist eine gemeinsame Anstrengung."

    Deutschland verfügt mit den "Patriot-Systemen" über ein Abwehrsystem gegen Raketen kürzerer Reichweite. Diese erreichen aber nur Ziele innerhalb der Erdatmosphäre. "Patriots" wurden während des Irak-Kriegs in Israel gegen irakische Raketen eingesetzt. Die "Patriot-Raketen" sollen als deutscher Beitrag in das Raketen-Abwehr-System der NATO integriert werden.

    So hat der Beschluss des NATO-Gipfels, eine erste Einsatzbereitschaft festzustellen, in erster Linie politischen Charakter. Drei Ziele verfolgt der Gipfel damit: Der Beschluss richtet sich an die Parlamente der NATO-Mitgliedsstaaten, um deutlich zu machen, dass dieses Programm nun tatsächlich anläuft. Iran soll signalisiert werden, dass die NATO schon jetzt willens und in der Lage ist, sich gegen mögliche Raketenangriffe zu schützen. Schließlich soll auch Russland gezeigt werden, dass die NATO dieses Programm selbst dann zum Ziel führt, wenn Moskau seine Mitarbeit dauerhaft verweigert.

    Etwas mehr Bewegung ist beim zweiten großen Thema des NATO-Gipfels in Chicago zu erwarten, dem Abzug der internationalen Kampftruppen aus Afghanistan. Dabei braucht die NATO die Unterstützung Russlands. Es könnte zum wichtigen Transitland für umfangreiches NATO-Militärgerät werden.

    US-Präsident Obama hat Staats- und Regierungschefs sämtlicher Staaten eingeladen, die sich an der Afghanistan-Mission beteiligen. Mit rund 60 Delegationen findet in Chicago damit der größte NATO-Gipfel aller Zeiten statt.

    Der Zeitplan für den Abzug wird beim Gipfel lediglich bestätigt werden. Irritationen und Hinweise auf einen schnelleren Abzug der Kampftruppen aus einigen Ländern haben in den offiziellen Konferenzen der NATO nie eine Rolle gespielt, in der Öffentlichkeit allerdings schon. Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnerte vergangene Woche im Bundestag daran, dass sich die Bundeswehr an die Absprachen halten wird:

    "In Chicago wird es nun konkret darum gehen, den in Lissabon beschlossenen Fahrplan bis 2014 zu bekräftigen. Und die Bundesregierung steht zu dem oft genannten Motto: zusammen hinein, zusammen heraus."

    Weil dies alle verantwortlichen Politiker aus NATO-Staaten öffentlich betonen, manches aber in den innenpolitischen Diskussionen anders klingt, wurde Verteidigungsminister Thomas de Maizière bei der letzten Ministerratstagung der Allianz Mitte letzten Monats in Brüssel ungewöhnlich deutlich:

    "Ich habe auch in den Sitzungen dringend darum gebeten, jede weitere Irritation bis Chicago und nach Chicago auch vor oder nach Wahlen zu unterlassen."

    Für die Sicherheit in etwa der Hälfte des afghanischen Territoriums sind bereits jetzt afghanische Soldaten und Polizisten verantwortlich. US-Außenministerin Hillary Clinton zieht eine positive Bilanz:

    "Der Übergabeprozess liegt im Zeitplan. Die Afghanen stehen zunehmend selbst für ihre Sicherheit und ihre Zukunft ein. Die NATO bleibt vereint - in der Unterstützung des Zeitplans von Lissabon und für ein dauerhaftes Engagement in Afghanistan."

    Bundeskanzlerin Merkel pflichtet ihr bei:

    "Das Land ist heute kein Rückzugsgebiet für Al Kaida mehr. Die Taliban sind geschwächt. Die Zahl der Anschläge geht seit Monaten kontinuierlich zurück. Die Zahl der afghanischen Sicherheitskräfte ist in den letzten Jahren durch verstärkte Ausbildungsmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft kontinuierlich gestiegen und wird in diesem Jahr die geplanten 325.000 erreichen."

    Es kommt allerdings darauf an, dass die NATO-Staaten und ihre ISAF-Partner einheitlich und gemeinsam handeln. Mittlerweile hat ein Wettlauf um die besten Abzugsbedingungen begonnen. Einige Partner haben bereits mit Usbekistan, Kirgisien, aber auch mit Russland Verhandlungen über den Abzug ihrer Truppen aufgenommen. Die Abzugswege durch den Norden sind bei den NATO-Staaten beliebter als die über Pakistan. Der Norden ist ruhiger und stabiler. Allerdings kann diese unkoordinierte Vorgehensweise für die Bundeswehr unangenehme Folgen haben: Sie ist für die Sicherheit im Norden Afghanistans verantwortlich, den die Nationen bei ihrem Abzug durchqueren müssen. Ein nur auf bilateraler Basis mit den Transitländern ausgehandelter Abzugsplan einzelner NATO-Staaten birgt die Gefahr, dass die Bundeswehr bis zuletzt bleiben muss. In diesem Fall könnte sie erst abziehen, wenn die Partnerarmeen Afghanistan über den Norden verlassen haben. Daran hat die Bundesregierung kein Interesse. Es wäre dann nicht gewährleistet, dass bis Ende 2014 alle deutschen Kampftruppen abgezogen sind.

    In der NATO sieht man dieses Risiko, glaubt aber, dass es weitgehend gebannt ist. So sagt der Chef des Stabes im NATO-Hauptquartier Operationen im belgischen Mons, der deutsche Vier-Sterne-General Manfred Lange:

    "Wir hier im Bündnis hoffen – und das gilt für alle Nationen -, dass es einen geordneten Abzug gibt, einen abgestimmten Abzug gibt. Das ist in den allermeisten Fällen sichergestellt."

    Logistiker der NATO haben errechnet, dass die internationalen Truppen in Afghanistan über so viel Material verfügen, dass der Abzug noch drei Jahre dauern würde. Vorausgesetzt, dass bis dahin alle sieben Minuten ein Container-LKW das Land verlassen würde. Dies zeigt, wie schwer es jetzt schon ist, den beschlossenen Zeitplan einzuhalten.

    Wichtig ist deshalb auch, dass die NATO sich darauf verständigt, welches Material sie zurücklassen kann und was sie unter allen Umständen mitnehmen muss. So müssen wohl alle Waffensysteme zurückgebracht werden, denn wer weiß, in welche Hände sie fallen könnten.

    Die NATO-Staaten müssen sich in Chicago außerdem über die Zusammenarbeit mit Afghanistan nach dem Abzug der Kampftruppen verständigen. Aber auch in dieser Frage beginnen einige Länder, angefangen mit den USA, bilaterale Abkommen mit Afghanistan zu schließen, mit denen die künftige Zusammenarbeit geregelt werden soll. Begonnen hat damit US-Präsident Barack Obama. In dieser Woche hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ein entsprechendes Abkommen mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai unterzeichnet. Damit läuft die Staatengemeinschaft Gefahr, dass die künftige Afghanistan-Mission aus einem Flickenteppich nationaler Missionen besteht, ohne eine gemeinsame Klammer. Bisher fehlt ein Rahmenabkommen, das die NATO mit Kabul abschließen muss.

    Schließlich muss das Wesen der Nachfolgemission gemeinsam besprochen werden. Unstrittig ist, dass nach dem Abzug der Kampftruppen weiterhin Einheiten aus NATO-Staaten in Afghanistan bleiben. Aber welche Aufgaben sollen diese haben? Während es offiziell heißt, dass es sich um eine Unterstützungsmission für Ausbildung und Ausrüstung handelt, gibt es auch andere Stimmen. Und diese Spekulationen finden Nahrung in Äußerungen verantwortlicher Politiker. NATO-Generalsekretär Rasmussen stellt diese Fragen:

    "Wie können wir die Ausbilder schützen, sodass sie ihren Job in einem sicheren Umfeld machen? Das ist das eine. Wie weit wollen wir gehen, wenn wir die afghanischen Sicherheitskräfte unterstützen, zum Beispiel, wenn es um den Einsatz von Spezialtruppen geht? Können wir uns vorstellen, dass eine NATO-geführte Trainingsmission oder eine Unterstützungsmission nach 2014 auch afghanischen Spezialtruppen hilft?"

    Das sind einige der jetzt aktuellen Fragen. Welche Antworten der Gipfel geben wird, ist noch offen. So deutete US-Präsident Obama bei seinem jüngsten Besuch in Kabul an, dass auch nach dem offiziellen Abzug der Kampftruppen eine Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte bei Kampfhandlungen möglich sein müsse. Ein hoher Bundeswehrgeneral sprach intern von einem Vierklang: Ausbildung, Beratung, regionale Verstärkungen und Spezialkräfte. Zudem verweist Verteidigungsminister Thomas de Maizière darauf, dass auch nach 2014 bleibende Kräfte mit einer Schutzkomponente versehen werden müssten. Damit sind einige Aufgaben definiert, die nur erfüllt werden können, wenn auch nach 2014 Kampftruppen in bestimmten Umfang zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte im Land bleiben.

    In der NATO ist man allerdings zuversichtlich, dass die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Aufgaben in immer stärkerem Maße selbst wahrnehmen können - auch der Chef des Stabes im operativen Oberkommando der NATO, Manfred Lange:

    "Wir haben im Jahr 2011 einen immensen Qualitätssprung gehabt, nicht nur, was die Ausbildung in Sprache und Schrift betrifft, sondern vor allem die militärischen Fähigkeiten. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind mittlerweile in der Lage, auch komplexe Operationen durchzuführen. Wir können sehen, dass sie rund 40 Prozent, 42 Prozent der Operationen schon in Eigenverantwortung durchführen können, bei den Spezialkräften bewegt sich diese Zahl auch etwa bei 25 bis 28 Prozent. Man kann also zunehmend sehen, dass sie ihre eigene Verantwortung wahrnehmen können und dass sich die Qualität deutlich steigert."

    Ein kleineres Problem des Afghanistan-Komplexes wird den NATO-Gipfel wohl nur kurz beschäftigen. Die afghanische Regierung wird wohl auf sehr lange Zeit nicht in der Lage sein, ihre Sicherheitskräfte selbst zu bezahlen. Afghanistan kann dafür jährlich 500 Millionen Dollar aufbringen. Die internationale Staatengemeinschaft wird – so die Berechnungen – Kabul mit rund 3,6 Milliarden Dollar pro Jahr unterstützen müssen. Die USA werden davon rund die Hälfte übernehmen, bisher haben sie die Sicherheitskräfte nahezu vollständig finanziert.

    Die Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe soll nicht auf Dauer gewährleistet werden. General Lange wagt eine Perspektive:

    "Wir wollen also keine langfristige, also keine über zehn, 15 Jahre hinausgehende Partnerschaft haben, wo wir immer wieder unterstützen müssen, sondern wir wollen die nächsten zehn Jahre, das ist meine persönliche zeitliche Perspektive, dazu nutzen, die Afghanen in die Lage zu versetzen, ihre eigenen Sicherheitskräfte zu strukturieren, zu bezahlen, auszubilden."

    Ob es um Afghanistan, um das gemeinsame Raketenabwehrsystem oder weitere Themen geht: Der NATO-Gipfel in Chicago wird keine Beschlüsse hervorbringen, die die Strategie der NATO verändern. Das Nachdenken über prinzipielle Fragen hat allerdings begonnen. Wie muss sich die NATO aufstellen, wenn sie keine aktuellen Missionen bestreiten muss? Welche Rolle wird die Allianz dann spielen? Wie können die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Nicht-NATO-Staaten bewahrt werden?

    Ob diese Gipfelstrategie Barack Obama bei seinem Wahlkampf hilft, ist noch offen. Der Gipfel muss einige Akzente setzten, für die Zukunft der NATO in operativen Fragen. Das große Konzept kommt später wieder auf die Tagesordnung.

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