Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Glaube an die FDP, nicht an den Chef

Noch ist es etwas über ein Jahr hin bis zur nächsten Bundestagswahl, die voraussichtlich Ende September 2013 stattfinden wird. Und alle Parteien müssen sich fragen, wie sie ihre Stammwähler bedienen. Laut Klischee finden sich die der FDP gut auf dem Golfplatz.

Von Verena Herb | 23.08.2012
    Knapp 20 Minuten dauert die Fahrt von der Hamburger Innenstadt zum Golfplatz Treudelberg im Nordosten. Schon am Morgen um 10:30 Uhr ist der Parkplatz gut gefüllt: Die meisten Autos sind schwarze Limousinen mit Hamburger Kennzeichen. Auch Thomas Wawerla hat sich diesen Vormittag freigenommen, um eine kleine Runde auf dem Golfplatz zu drehen. Neun Löcher - für mehr reicht die Zeit nicht, denn am Nachmittag muss er in seiner Zahnarztpraxis wieder Patienten behandeln. Er lässt den Blick über die akkurat getrimmte Graslandschaft schweifen:

    "Ja, das ist bei Golfplätzen immer so. Das ist die schönste Landschaft. Ein Park, der für mich gepflegt ist, Rasenmäher, die für mich vorher langfahren. Ja, es ist herrlich".

    Seit Beginn der 90er-Jahre spielt der 53-Jährige Golf – fast genauso lange wählt er auch die FDP. Zwar hat das eine mit dem anderen nicht unmittelbar etwas zu tun, doch dass er mit seinem Beruf als Zahnarzt mit eigener Praxis und seiner Passion für den Golfsport dem typischen Klischee eines liberalen Wählers entspricht, ist ihm vollkommen klar.

    "Also, die FDP-Wähler haben mit Sicherheit mit so einem Vorurteil zu kämpfen. Ich weiß nicht, inwieweit sie damit Schwierigkeiten haben. Aber das Vorurteil besteht glaube ich sehr."

    Thomas Wawerla hat sich die Golftasche über die Schulter geworfen, und geht zum ersten Abschlag. Auf Hamburgs Golfplätzen sind Wähler sämtlicher politischer Parteien zu finden: Auch Sozialdemokraten, CDU-Anhänger und Grüne wandern gerne übers Green. Und doch - es mag ein unauslöschliches Vorurteil sein - selbstständige Unternehmer, Juristen, Zahnärzte und vermögende Pensionäre bringt man vornehmlich mit der Klientelpartei eines Philipp Rösler, Guido Westerwelle und Wolfgang Kubicki in Verbindung. Wawerla ist dieses Image sehr wohl bekannt.

    "Die Partei der Besserverdienenden. Die Partei der Klientelbedienung. Die Partei, die immer mit der Fünf- Prozent-Hürde kämpft. Aber gerade das mit den Besserverdienenden – dieses Klischee, was sie sich ja selber mal angeheftet hat, das hängt ihr immer noch nach."

    Der Zahnarzt stellt sein Golfbag ab. Er holt einen kleinen hölzernen Gegenstand aus seiner Hosentasche und steckt das sogenannte Tee ins Gras. Dann legt er den weißen Ball obendrauf, nimmt den Driver - ein Schläger für die weiten Distanzen - aus der Tasche, stellt sich seitwärts des Balls, macht ein paar Probeschwünge und schlägt ab.

    Nach etwa 150 Metern landet der Ball auf dem Grün. Ein guter Schlag. Nicht weit entfernt steht eine Gruppe von drei Herren auf der Wiese und diskutiert. Günter Frische trägt ein dunkelblaues Polohemd und eine lange helle Hose. Jeans und kragenlose Hemden sind nicht gestattet auf dem Golfplatz. Der Pensionär spielt regelmäßig auf der Treudelberger Anlage. Mit Thomas Wawerla teilt er die Passion fürs Golfspielen und die Sympathie für die FDP. Auch, wenn er den jungen Parteichef kritisch sieht, er bleibt den Liberalen treu – trotz eines Philipp Röslers an der Spitze.

    "Weil ich die FDP nicht nur an Rösler festmache. Ich mache sie an der Historie fest, ich mache sie an Hans-Dietrich Genscher fest. Sie ist für mich derzeit absolut noch wählbar. Weil sie liberale Ziele hat und weil sie diese Ziele auch in ihrem Programm niedergeschrieben hat und weil ich denke, dass es ganz viele in der FDP noch gibt, die durchaus nach diesen Zielen noch agieren."

    Sein Golfpartner, der Friseur Thomas Ernst, nickt:

    "Ich würde die Partei auch gerade deshalb wählen, weil sie eben auch noch ein bisschen querdenkt. Und auch die Europapolitik infrage stellt. Ich finde, der FDP fehlt im Prinzip eigentlich nur ein Kämpfer. Der die Werte noch mal richtig rüberbringt und auch kämpferisch, gerade gegenüber der großen Koalitionspartei auch vertritt. Ich glaube, dass dadurch durchaus mehr Prozentpunkte noch zu holen wären."

    Thomas Wawerla hat zwischenzeitlich den Schläger zurück in die Tasche gesteckt, nickt der Herrentruppe freundlich zu und macht sich auf zum nächsten Grün.

    "Ich glaube, wenn die FDP es wirklich schafft, auch Themen zu besetzen, die den Wähler auch wirklich interessieren. Und wenn sie auch einen marktwirtschaftlichen Contrapunkt setzen kann und auch alternative Standpunkte überzeugend vertreten kann, dann hat sie eine Chance über die fünf Prozent zu kommen. Aber wenn sie sich nur als Abnicker der CDU geriert, dann wird das schwierig."

    Auch er sei kein Fan von Philipp Rösler, das gibt Wawerla offen zu. Denn er glaubt nicht, dass der junge Vorsitzende in der Berliner Koalition wirklich auf Augenhöhe zur CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel, steht.

    "Wenn ich Rösler da sehe, wie er da neben Merkel daher läuft, das ist ja alles ... Wer nimmt den ernst? Er wird ja auch gar nicht mehr gefragt."

    Und doch wählt er die FDP. Trotz allem, wie er sagt:

    "Ja, weil das die letzte Stimme ist, die die Marktwirtschaft wirklich hochhält. Und alle anderen Parteien wollen dem Staat, diesem anonymen Etwas dort und diesen Behörden und den Beamten und der Bürokratie immer mehr Geld und immer Macht zur Verfügung stellen. Und das ist unproduktive Macht."

    Mittlerweile ist man am letzten Loch angekommen. Knapp zwei Stunden hat das Spiel gedauert. Feine Schweißperlen rinnen dem sympathischen Hamburger das Gesicht herunter. Was aber eher der sportlichen Anstrengung als der politischen Aufregung geschuldet ist:

    "Geh Du mal sechs oder sieben Kilometer und bleib mal konzentriert bis zum letzten Schlag."

    Thomas Wawerla ist mit seinem Golfspiel an diesem Vormittag zufrieden. Ob auch seine Partei im Wahljahr 2013 ihre Ziele erreichen wird, da ist sich der Zahnarzt nicht so sicher.

    "Der Chef ist nicht gut. Also, ich würde mir schon den Döring wünschen, aber das ist zu kurz vor der Wahl. Jetzt noch das Führungspersonal auszutauschen: Das würde mich wundern. Sie wird keine andere Wahl haben, als mit Rösler in den Wahlkampf zu gehen."

    Um in Berlin aus der Regierungsverantwortung zu fliegen. Das prophezeit der treue FDP-Wähler schon heute.