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Glaube, Geister und Geschenke
Die Dschinn von Delhi

Dschinn sind in der islamischen Vorstellung unsichtbare Wesen, Geister oder Dämonen. In Indiens Hauptstadt Neu-Delhi suchen viele Menschen ganz unterschiedlicher Religionen Trost bei den Dschinn. Sie pilgern zur Ruine einer Moschee, wo sie Dschinn vermuten und ihnen ihre Wünsche anvertrauen.

Von Silke Diettrich | 15.12.2017
    Die Menschen kommen mit ihren Problemen hierher, sie sprechen ihre Wünsche in Gebeten aus oder schreiben sie auf Zettel, damit die Dschinn sie lesen können.
    Die Menschen schreiben auf Zettel, was sie sich von den Dschinn wünschen (Deutschlandradio / Silke Diettrich)
    "Nachts treffen sie sich alle hier, für das bloße Auge sind sie unsichtbar, sie tauchen in der Gestalt von Katzen auf."
    Surjit Kumar spricht leise, wenn er von den Dschinn erzählt. Sie könnten die Menschen nämlich hören und sehen. Die Menschen hingegen müssten sich viel Mühe geben. Nur dann sei es möglich, den Atem und das Tuscheln der Dschinn zu vernehmen. Nach der islamischen Mythologie hat Allah diese Kreaturen aus Feuer erschaffen.
    Noch kreisen Milane über den Gemäuern, am Abend wagen sich die Dschinn heraus, so der Glaube.
    Noch kreisen Milane über den Gemäuern, am Abend wagen sich die Dschinn heraus, so der Glaube. (Deutschlandradio / Silke Diettrich)
    Jetzt - am Tage - aber ziehen Milane ihre großen Kreise über der Festung mit der Kuppel, die der Sultan Feroz Shah Kotla im 14. Jahrhundert erbauen ließ. 700 Jahre später liegen die zerfallenen Mauern eingeklemmt zwischen einem Cricket-Stadion und der mehrspurigen Ringstraße der Mega-Metropole Delhi.
    Die Menschen kommen mit Problemen und Wünschen
    Es spielt keine Rolle, welcher Religion die Leute angehören. Menschen wie Reena Kumar kommen hierher, weil sie Probleme haben:
    "Ich habe drei Töchter. Meine Schwiegermutter wollte, dass ich einen Sohn auf die Welt bringe. Ich bin so oft es ging hier hergekommen und habe gebetet, mein Mann auch. Und unsere Gebete wurden erhört. Wir sind noch mit einem Sohn gesegnet worden."
    Familie Kumar Tak glaubt, dass ihre Gebete erhört wurden
    Familie Kumar Tak glaubt, dass ihre Gebete erhört wurden (Deutschlandradio / Silke Diettrich)
    Zwischen den Blumengirlanden und den Räucherstäbchen stecken in jeder Nische des Gemäuers handgeschriebene Briefe. Ein verzweifelter Vater bittet darum, dass sich sein ältester Sohn von seiner Tochter trennt, sie sei eine schlechte Person. Ein älteres Ehepaar bittet darum, dass sein Sohn eine Arbeit und eine Frau findet, sie haben ihren Brief gleich mehrfach kopiert. Sicher ist sicher.
    Wünsche werden wahr
    Khatoun Mansouris Wünsche wurden schon oft erfüllt: "Wir mussten aus unserer Wohnung ausziehen, weil der Besitzer uns raus haben wollte. Wir hatten große Sorgen, weil wir nicht wussten, wo wir hin können. Und dann habe ich hier gebetet, und nur wenige Tage später haben wir eine neue Wohnung gefunden, in derselben Straße!"
    Tonschalen mit Süßspeisen stehen in den Ecken der Ruine verteilt - als Dankeschön an die Dschinn, wenn sie geholfen haben.
    "Ich bin heute auch nur gekommen, um mich zu bedanken, weil mein letzter Wunsch in Erfüllung gegangen ist. Obwohl die Wünsche ja nie ausgehen. Die hat man ja sein Leben lang. Sobald der eine erfüllt ist, steht schon der nächste an. Mir fällt auch gerade wieder einer ein – aber den verrate ich nicht."
    Sobald es dunkel wird, müssen alle die Festung verlassen, um die Dschinn nicht zu stören, die sich dann hier versammeln, um Wünsche wahr werden zu lassen.