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"Glaubwürdigkeit ist natürlich erschüttert"

Neben möglichen hochschulrechtlichen Konsequenzen geht es auch um die Zukunft von Karl-Theodor zu Guttenberg. Wenn er kein glaubwürdiger Vorgesetzter der Soldaten mehr sein könne, dann müsse man die Frage nach dem Rücktritt positiv beantworten, sagt der Fachmann für Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Deutschlandfunk, Rolf Clement.

Rolf Clement im Gespräch mit Silvia Engels | 17.02.2011
    Silvia Engels: Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg hat gerade einmal mehr einen Truppenbesuch in Afghanistan absolviert. In Deutschland wird derweil nicht über die Situation der Soldaten im Kampfeinsatz diskutiert, sondern über den Plagiatsvorwurf gegen die Doktorarbeit des CSU-Politikers. Eigentlich hängen diese Themen ja nicht zusammen, aber indirekt doch, denn mittlerweile geht es um die persönliche Glaubwürdigkeit Guttenbergs.
    Wie wird nun das rechtliche Prüfverfahren rund um die Plagiatsvorwürfe gegen die Doktorarbeit von Karl Theodor zu Guttenberg weitergeführt? Dazu sagte am Morgen Bernhard Kempen, Präsident des Hochschulverbandes, im Deutschlandfunk:

    "Sie dürfen davon ausgehen, dass nicht dieselben, die schon mal die Arbeit bewertet haben, jetzt wieder sozusagen zur Kontrolle gebeten werden, sondern dass da schon andere Personen jetzt tätig sind. Hier geht es um Textpassagen, die offenbar nicht nur untergeordnet sind, also nur ein, zwei Sätze. Wenn das sich bestätigt, dann wird man da schon darüber nachdenken müssen, ist das nicht doch so schwer, dass man daraus entsprechende Konsequenzen ziehen muss. Herr zu Guttenberg wird genauso behandelt wie jeder andere Doktorand auch."

    Engels: Professor Bernhard Kempen. So weit die möglichen hochschulrechtlichen Konsequenzen, aber das Ganze hat mittlerweile eine politische Komponente. Ins Studio gekommen ist der Sicherheitsexperte des Deutschlandfunks, Rolf Clement. Herr Clement, gestern hat sich der CSU-Politiker nun in einer schriftlichen Erklärung geäußert, heute Abend wird er in Sachsen-Anhalt zu einem Termin erwartet. Muss er sich nun direkt so schnell wie möglich nach Ihrer Meinung zu den Plagiatsvorwürfen äußern?

    Rolf Clement: Na ja, er muss nicht. Es ist ja Wahlkampf und da wird man so ein Thema natürlich möglichst runterfahren. Aber es wäre gut, er täte es, denn es geht ja um zwei Dinge: zum einen um die Plagiatsvorwürfe an sich. Da könnte er sich darauf zurückziehen und warten, bis die Universität Bayreuth ihre Untersuchung abgeschlossen hat. Dann muss man sehen, was die sagen. Aber der Verteidigungsminister ist Vorgesetzter von rund 200.000 Soldaten und rund 90.000 zivilen Mitarbeitern, und in dieser Rolle ist er schon eine Erklärung schuldig, denn es gibt unter diesen viele, bei denen dieser Dienstherr, letztlich er selbst also, wissenschaftliche Arbeiten im Rahmen ihrer Ausbildung abverlangt und auch bewertet, und die haben schon einen Anspruch auf mehr als jenes "in der zweiten Auflage mache ich es dann besser", das der Minister gestern gesagt hat, denn viele von denen bekommen die zweite Chance ja nicht, wenn sie bei der ersten aufgefallen sind.

    Engels: Wird denn dieses Thema Plagiatsvorwurf schon in der Bundeswehr und im Verteidigungsministerium debattiert?

    Clement: Ja, da können Sie sicher sein, dass es heute überall besprochen wird, Frau Engels. Aber die meisten, mit denen man heute telefoniert, sagen am Telefon nichts oder nur sehr wenig. Aber man wartet ganz genau ab. Man hat sich zurückgezogen und lässt den Minister da jetzt turnen. Man wartet ab, wie er sich jetzt schlägt, und man fragt sich natürlich, wie das sein kann, dass zum Beispiel der in jeder Arbeit so wichtige erste Absatz aus einer anderen Feder stammt und das nicht angegeben worden ist. Macht ein so intelligenter Mann wie Guttenberg so etwas? Daran ranken sich dann weitere Fragen. Einige fragen auch, was ihnen passieren würde, andere wiederum schmunzeln und sehen das nicht so gravierend. Das ist so wie in der ganzen Gesellschaft auch.

    Engels: Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind für die Position des Verteidigungsministers besonders entscheidend. Das sagt der SPD-Verteidigungsexperte Arnold. Hat diese Glaubwürdigkeit, die ja auch ein Markenzeichen von zu Guttenberg war, schon jetzt gelitten?

    Clement: Ja, schon. Es sollte natürlich für jeden Politiker gelten, dass er glaubwürdig ist und Vertrauen erweckt, aber Minister zu Guttenberg hat ja gerade darauf gesetzt, in den Fragen der Glaubwürdigkeit andere Maßstäbe zu setzen. Er verlangt Vertrauen für sich und diese Glaubwürdigkeit ist natürlich erschüttert, wenn begründet solche Vorwürfe erhoben werden, und begründet sind sie ja nun. Stimmen sie nicht, würde Guttenberg sie widerlegen und nicht mit einem kräftigen "das ist abstrus" die Sache erledigen wollen. Denn es ist abstrus, aber damit hat er nicht gesagt, das ist falsch. Also das Vertrauen muss schon neu begründet werden.

    Engels: Wenn sich diese Vorwürfe des Plagiats bewahrheiten sollten, muss dann der Verteidigungsminister zu Guttenberg von seinem Amt zurücktreten?

    Clement: Ich tue mich als Journalist immer schwer, solche Fragen mit einem einfachen Ja zu beantworten. Aber ich habe schon auf die Rolle des Verteidigungsministers als Vorgesetzter hingewiesen, der von seiner Truppe natürlich nur das verlangen kann, was er selbst zu leisten auch bereit ist, und da ist seine Glaubwürdigkeit als prüfender Vorgesetzter massiv erschüttert, ganz unabhängig davon, ob er seinen Doktortitel behalten kann, ob die Note heruntergestuft wird, auch ob er sich im politischen Renkespiel in Berlin behaupten kann. Wir haben ja gerade gehört, dass da selbst im eigenen Laden viele auf Distanz gehen und sie ihn eher formal unterstützen. Also abgesehen von alledem, ich frage mich, ob er noch ein glaubwürdiger Vorgesetzter der Soldaten sein kann, und wenn er das nicht mehr sein kann, dann führt das dazu, Ihre Frage nach dem Rücktritt positiv zu beantworten.

    Engels: Sie sagen "positiv", Herr Clement. Können Sie denn schon absehen, wie schnell das jetzt alles ein Prozess wird, der vielleicht auch eine Eigendynamik entfaltet?

    Clement: Das kann man bei solchen Prozessen nie absehen. Es kommt ganz darauf an, wie lange jetzt zum Beispiel in Bayreuth die formale Prüfung ist. Solange kann er sich formal ja zurückziehen auf die Position, das ist ja alles noch gar nicht so richtig geklärt. Die Unterlagen, die jetzt vorliegen, sprechen eine ganz eindeutige Sprache, und wenn man jetzt hört, dass teilweise noch Dinge aus Dokumenten des Auswärtigen Amtes übernommen worden sein sollen, die auch nicht richtig deklariert sind – das muss noch überprüft werden, aber das ist ein neuer Vorwurf, der im Raum steht -, wenn das jetzt immer so weitergeht, dann kann sich so eine Sache auch manchmal relativ schnell entwickeln.

    Engels: Rolf Clement, der Sicherheits- und Verteidigungsexperte des Deutschlandfunks. Wir sprachen über die Glaubwürdigkeit von Verteidigungsministern im Allgemeinen und speziell im Fall von Karl Theodor zu Guttenberg. Vielen Dank für den Besuch im Studio.