Mittwoch, 17. April 2024

Archiv

Gletscherschmelze
Die Schweiz braucht neue Landkarten

Heiße Sommer, schneearme Winter – durch den Klimawandel schmelzen die Gletscher in den Alpen. Wo früher Eis war, sind heute Felsen zu sehen. Die gedruckten amtlichen Landkarten müssen deswegen regelmäßig angepasst werden.

Von Dietrich-Karl Mäurer | 08.09.2016
    Blick auf den Aletschgletscher in der Schweiz in Fiesch am 28.Juli 2015. Wenig Schnee, viel Stein.
    Blick auf den Aletschgletscher in der Schweiz (dpa/DOMINIC STEINMANN)
    Das Schweizer Bundesamt für Landestopografie in Bern. Ruedi Bösch ist der Sprecher der Einrichtung, deren Aufgabe es ist, die Schweiz zu vermessen und Landkarten zu erstellen. Begeistert erklärt er eins der Projekte des Amtes. Es ermöglicht eine Zeitreise per Mausklick.
    Jeder kann online erkunden, wie sich die Schweizer Landschaft verändert hat - in mehr als hundert Jahren:
    "Wir können jetzt sämtliche Karten seit dem 19 Jahrhundert bis heute übereinanderlegen und man kann diese Karten im Laufe der Zeit als Landschaftsentwicklung wie in einem Film ablaufen lassen."
    Veränderungen von Städten und Landschaften
    Dörfer haben sich zu Städten entwickelt. Autobahnen wurden gebaut. Auch wenn man auf die Schweizer Bergmassive zoomt, werden Veränderungen sichtbar. Die Gletscher sind geschrumpft. Schaut man auf der Zeitreise-Karte den Großen Aletsch an, den größten und längsten Gletscher der Alpen, dann wird der Rückgang besonders deutlich:
    "Wenn man da fokussiert 1854 und dann zurückfährt auf das heutige Jahr, dann sieht man von hier unten ist das Ende hier oben."
    Mit der Maus zeichnet Ruedi Bösch die Kontur der Gletscherzunge am Bildschirm nach und markiert den Größenunterschied.
    Kümmerlicher Gletscher-Rest
    "Er ist auch heute noch immer imposant, aber wenn Sie da schauen. Das ist nur noch so ein kümmerlicher Rest im Vergleich mit dem Stand, der er hier hatte."
    Die Online-Karte macht auch deutlich: Der Schrumpfungsprozess der Alpengletscher nimmt immer mehr Tempo auf - erklärt Ruedi Bösch von Swisstopo:
    "Er hat sich in den letzten Jahren beschleunigt. Also dass der Rückgang schneller gegangen ist – und zwar sowohl von der Länge her, als auch von der Masse her."
    Etliche kleinere Gletscher sind auch komplett verschwunden. Die Entwicklung, die auf den Landkarten zu beobachten ist, bestätigt auch Matthias Huss, der Leiter des Schweizerischen Gletschermessnetzes der technischen Hochschule Zürich ETH:
    "Absolut, ja. Also wir haben in den letzten 40 Jahren rund ein Drittel der Gletscherfläche in der Schweiz verloren und das ist eindeutig ein Ergebnis des Klimawandels."
    Gletscher schrumpfen jährlich um zehn Quadratkilometer
    Jedes Jahr schrumpfen die Schweizer Gletscher insgesamt um etwa zehn Quadratkilometer. Das ist mehr als die Fläche des Tegernsees. Und die Entwicklung wird auch in Zukunft anhalten - prognostiziert der Züricher Glaziologe:
    "Die Klimaszenarien sagen voraus, dass wir einen weiteren Anstieg der Lufttemperaturen haben werden, gleichzeitig auch weniger Schneefall in den Wintern. Das bedeutet, dass die Gletscher sehr wahrscheinlich weiter zurückgehen werden."
    Alle sechs Jahre aktualisiert Swisstopo die Landkarten. Die Gletscherschmelze entwickelt sich dabei zu einem der Schwerpunkte - berichtet der Sprecher des Amtes Ruedi Bösch:
    "Da wird dann mit der Zeit Gelände freigelegt, das vorher unter dem Eis war, und wir müssen dann diese Stellen, die vom Eis freigelegt werden, dann entsprechend neu dargestellt werden."
    Kartografen erkunden Veränderungen mit Flugzeugen
    Mit Spezialflugzeugen ermitteln die Kartografen das Ausmaß der Veränderungen und passen die Karten entsprechend an.