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Globale Ernährung
"Wir nehmen den Hungrigen das Essen aus dem Mund"

In "Taste the Waste" hat der Journalist Valentin Thurn die Verschwendung von Lebensmitteln dokumentiert, in seinem kommenden Film "10 Milliarden" fragt er: "Wie werden wir alle satt?" Antworten gibt es bereits jetzt im DLF. Eine zentrale Rolle spielt dabei Fleisch.

Valentin Thurn im Gespräch mit Peter Kapern | 11.01.2015
    Valentin Thurn
    Valentin Thurn ist ein deutscher Dokumentarfilmer. (imago/Viadata)
    "Wenn wir Fleisch produzieren mit Tierfutter aus aller Herren Länder, sorgen wir dafür, dass dort Flächen für den Anbau von Lebensmitteln für den eigenen Markt belegt sind. Wir nehmen mit jedem Bissen Fleisch den Hungrigen das Essen aus dem Mund", sagte Valentin Thurn im Deutschlandfunk. Damit die für das Jahr 2050 vorhergesagten zehn Milliarden Erdbewohner ernährt werden können, müssten "wir uns von diesem unseligen Weltmarkt abkoppeln" und "wieder mehr regional selber produzieren". So müsse Fleisch mit Futtermitteln aus dem eigenen Land möglich sein und insgesamt weniger konsumiert werden: "Wenn alle so viel Fleisch essen wollten wie wir, bräuchten wir vier Planeten."
    "Der Weg, den wir gerade gehen, ist wahnwitzig." Europa rege sich über das Freihandelsabkommen TTIP auf, weil befürchtet werde, "die USA zwängen uns ihre Produkte auf – und wir machen genau das Gleiche mit den Afrikanern".
    "Wir fahren mit dem industriellen Modell gegen die Wand"
    Thurn fordert außerdem mehr regionalen Konsum: "Kaufe im Hofladen – und alles ist gut" – das klinge zwar niedlich, doch das Kleine habe tatsächlich weltpolitische Bedeutung, nämlich einen Effekt auf Hunger. Mit weltweiten Warenströmen sei Hunger produziert, nicht beseitigt worden, so Thurn. Das Modell der industriellen Landwirtschaft sei erfolgreich gewesen, doch verbrauche zunehmend zu viele Ressourcen. Es gebe immer mehr Menschen und gleichzeitig immer weniger Ackerflächen, auch Wasser und Düngemittel würden weniger. "Wir fahren mit dem industriellen Modell gegen die Wand."
    Das Modell der Bio-Produktion sei in Europa interessant, im Rest der Welt gehe es um die Frage Kleinbauer gegen Großbauer, so Thurn. So seien die Kleinbauern in Afrika lange vernachlässigt worden, dies ändere sich inzwischen wieder.
    Genfood bezeichnete der Journalist als "Lösung für reiche Märkte". Mit ihr würden Bauern abhängig, dies sei vor allem für Entwicklungsländer gefährlich: "Eine Missernte und die sind raus ihrem Job." Jedes Hybridsaatgut, bei dem Bauern das Saatgut jedes Jahr neu einkaufen müssen, mache die Bauern abhängig und sorge für Verletzlichkeit. Dieses System sei nicht stabil.
    Der neue Film von Valentin Thurn "10 Milliarden - Wie werden wir alle satt?" läuft voraussichtlich im April 2015 in deutschen Kinos an, das Buch zu dem Film "Harte Kost: Wie unser Essen produziert" wird, das Thurn mit Stefan Kreutzberger geschrieben hat, ist bereits erschienen.
    Sie können das Gespräch bis zum 11. Juni nachhören.