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Globale Lichtverschmutzung
Die Zerstörung der Nacht

Ein Team aus internationalen Wissenschaftlern hat einen aktualisierten Atlas der weltweiten Lichtverschmutzung vorgelegt. Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam war daran beteiligt. "Das größte Problem ist Beleuchtung dort, wo sie nicht gebraucht wird", sagte der Forscher im Deutschlandfunk.

Christopher Kyba im Gespräch mit Lennart Pyritz | 13.06.2016
    Los Angeles leuchtet bei Nacht, aufgenommen vom Griffith Obervatory.
    Hinter dem Begriff "Lichtverschmutzung" steckt die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliche Lichtquellen - ein Phänomen, das weitreichende Folgen für Ökosysteme haben kann. (AFP / Joe Klamar)
    Zu jenen Orten, von denen aus die Milchstraße nicht zu sehen ist, - aufgrund der zahlreichen künstlichen Lichtquellen - zählten auch Singapur, San Marino und Kuwait, sagte Christopher Kyba. Besonders lichtschwache Orte hingegen finden sich laut dem Forscher im Norden Kanadas, im Westen der USA oder in der Sahara.
    Das internationale Forscherteam begannen bei seiner Arbeit mit Satellitenkarten, die die beleuchteten Städte zeigen. Mithilfe einer Computer-Simulation konnten die Wissenschaftler nachvollziehen, wie sich das Licht in den Städten ausbreitet und letztendlich den Himmel erhellt. Unterstützung bekamen die Forscher auch von zahlreichen Hobbywissenschaftlern weltweit, die mit eigenen Messgeräten Daten zur Himmelshelligkeit an verschiedensten Orten erfassten.
    36 Prozent der Menschen weltweit leben in derart stark beleuchteten Gebieten, dass sie die Milchstraße nicht mit bloßem Auge beobachten können. Auf Deutschland bezogen liegt diese Rate bei 42, innerhalb der EU sogar bei 60 Prozent.
    Christopher Kyba: "Das größte Problem ist Beleuchtung dort, wo sie nicht gebraucht wird." Als Beispiel nannte der Wissenschaftler vom Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam eine Straßenlaterne, deren Lichtkegel in Richtung Horizont strahlt.
    "Dann gibt es auch Parkplätze oder Industrieanlagen, die sehr hell sind, oder auch die Gewächshäuser in den Niederlanden."
    Starke Lichtverschmutzung stehe zudem im Verdacht, die Räuber-Beute-Beziehung im Ökosystem durcheinanderzuwerfen: Zooplankton-Organismen halten sich tagsüber in der Regel in tiefen Wasserschichten auf - damit sie nicht zur Beute von Fischen werden. Nachts kommen sie hingegen an die Oberfläche, um selbst zu fressen. In sehr hellen Orten finde diese Bewegung nach oben allerdings nicht mehr statt - wohl, weil die Nacht nicht mehr als solche erkannt werde, so Kyba.
    Der Forscher habe die große Hoffnung, dass die Menschen in 50 Jahren deutlich klüger mit Licht umgehen werden. "Wir werden eine sehr gut beleuchtete Stadt haben, aber benutzen insgesamt viel weniger Energie, sodass die Sterne wieder sichtbar werden."
    Das vollständige Interview können Sie ab Sendedatum sechs Monate in unserem Audio-Player nachhören.