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Globaler Bodenpilzatlas
Verborgene Muster der Vielfalt

Bodenpilze gehören zu den weitgehend unerforschten Bereichen der Ökosysteme. Doch das ändert sich gerade. In der aktuellen Ausgabe von "Science" präsentieren Forscher die erste weltweite Analyse der Verbreitungsmuster von Bodenpilzen – mit teils überraschenden Ergebnissen.

Von Lucian Haas | 28.11.2014
    Ein Wissenschaftler stößt ein Plastikrohr in den panamaischen Urwaldboden, um eine Probe des Erdreichs zu entnehmen.
    Bodenprobennahme im Urwald von Panama (Science/Miguel Rosas)
    Über die globale Vielfalt von Tieren und Pflanzen auf der Erde ist schon viel bekannt. Doch wenn es um Informationen über die Biodiversität im Boden geht, stehen selbst erfahrene Biologen häufig noch vor einer wahren terra incognita. Leho Tedersoo, Ökologe von der Universität von Tartu in Estland, ist ein Experte für Bodenpilze.
    "Bodenpilze bilden die größte Gruppe unter den unerforschten Pilzarten. Wir wissen viel über Waldpilze, die oberirdische Fruchtstände bilden und essbar oder giftig sind Aber wir wissen ganz wenig über das Leben im Untergrund. Eine der zentralen Fragen dabei ist, wie sich das Reich der Pilze über die gesamte Welt erstreckt und verteilt."
    Gemeinsam mit 50 Helfern hat Leho Tedersoo an 365 Standorten rund um die Welt mehr als 15.000 Bodenproben gezogen. Das Ziel war, daraus DNA-Proben der enthaltenen Bodenlebewesen zu gewinnen und zu sequenzieren. Aus der Masse der Erbgut-Informationen filterten die Forscher jene heraus, die sich eindeutig Bodenpilzen zuordnen ließen. Anhand spezifischer Gene konnten sie sogar erkennen, welche unterschiedlichen Pilz-Gattungen und Arten in einer Probe vorkamen. Komplett ist der Katalog der globalen Bodenpilzvorkommen aber noch lange nicht.
    Nur zehn Prozent der Pilze bekannt
    "Am überraschendsten war, dass wir nur zehn Prozent der gefundenen Bodenpilze eine Artbezeichnung zuordnen konnten. Das heißt, dass 90 Prozent niemals zuvor beschrieben oder mit molekularen Techniken charakterisiert wurden."
    Auch ohne die Zuordnung aller Artennamen ist Leho Tedersoos neuer Pilzatlas eine Fundgrube für Biologen und Ökologen. Die Daten zeigen erstmals in global vergleichbarer Form, nach welchen Mustern die verschiedenen Bodenpilzgattungen weltweit verbreitet sind. Dabei gibt es einige Besonderheiten. Zum Beispiel gingen Biologen davon aus, dass die Vielfalt der Pilze im Boden ähnlichen Verteilungsmustern folgen müsste wie die Artenvielfalt der oberirdischen Pflanzen. Tatsächlich gebe es aber erstaunliche Unterschiede, sagt der Pilzforscher David Wardle von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala. Er selbst war an der Studie nicht beteiligt:
    "Es gibt eine Regel in der Ökologie, die besagt, dass sich die Artenvielfalt verringert, wenn man sich vom Äquator entfernt. Gemäß dieser Studie trifft das im Allgemeinen auch zu, aber für viele Pilze eben nicht. Zum Beispiel ist in höheren Breiten wie der Arktis oder den Regionen des borealen Nadelwaldes die Pflanzenvielfalt gering. Aber es gibt noch immer sehr viele Pilzarten. Wir können jetzt wichtige Fragen über die Biodiversität im Boden beantworten – was zuvor mangels Daten nicht möglich war."
    Regen fördert Pilzvielfalt
    Gemäß den Ergebnissen der Studie ist die Pilzvielfalt im Boden vor allem dort besonders hoch, wo viel Regen fällt. Daneben haben auch chemische Bodenverhältnisse wie der pH-Wert einen großen Einfluss. Allerdings bevorzugen viele Pilzarten nicht wie bisher angenommen saure Böden, sondern wachsen unter neutralen Verhältnissen am besten. Überraschend sind auch Erkenntnisse über die extrem weite Verbreitung mancher Pilzarten: Leho Tedersoo fand Hinweise darauf, dass einige Bodenpilze nicht nur im hohen Norden, sondern in gleicher Weise auch in subpolaren Regionen der Südhalbkugel vorkommen. Offenbar werden ihre Sporen mit dem Wind viel weiter getragen als bisher gedacht. Leho Tedersoo:
    "Im Vergleich mit Tieren und Pflanzen werden Pilze viel effektiver über Kontinente hinweg verbreitet. Aber es gibt zugleich bei den Bodenpilzen auch einen hohen Grad an Endemismus. Das heißt, dass die meisten Pilzarten auf einzelne Regionen innerhalb eines Kontinents beschränkt sind."
    Leho Tedersoo will seinen auf Genstudien basierenden Pilzatlas in der nächsten Zeit weiter verfeinern. Mittlerweile hat sich die Zahl der Standorte, von denen ihm Bodenproben vorliegen, schon auf mehr als 700 verdoppelt.