Dienstag, 16. April 2024

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Glück kritisiert Familienpolitik der CDU

Alois Glück (CSU) kritisiert die Familienpolitik von Bundesministerin Ursula von der Leyen (CDU). Familienpolitik dürfe keine Unterabteilung von Arbeitsmarktpolitik sein, sagte der bayerische Landtagspräsident. Von der Leyen erwecke den Eindruck, Betreuungsangebote für Kinder gegenüber der Unterstützung jener Eltern zu präferieren, "die sich der Erziehung der Kinder in dieser Lebensphase selbst widmen wollen".

Moderation: Dirk Müller | 14.02.2007
    Dirk Müller: Ist für den Wähler noch deutlich erkennbar, was Unionspolitik ist, oder ist es nicht mehr erkennbar, ist es nicht mehr identifizierbar? Der Rückzug von Friedrich Merz hat die Auseinandersetzung darüber neu entfacht. Steht die CDU zu ihren Grundwerten? Gibt es noch die klassischen Strömungen der Patrioten, der Wertkonservativen, der Wirtschaftsliberalen, der Sozialen? Welche Rolle spielt dabei die Partei- und Regierungschefin? Der parteiinterne Konflikt um das Arbeitslosengeld II und Jürgen Rüttgers, die Gesundheitsreform sowie die aktuelle Debatte um die richtige Familienpolitik sind längst in einem Richtungsstreit gemündet.

    Bei uns am Telefon ist nun Alois Glück, Präsident des bayerischen Landtages und Vorsitzender der CSU-Grundsatzkommission. Guten Morgen!

    Alois Glück: Guten Morgen!

    Müller: Herr Glück, warum geht es in der CDU im Moment drunter und drüber?

    Glück: Das weiß ich nicht, ob es so ist. Das will ich auch nicht bewerten. Aufs Ganze gesehen hat die CDU sicher seit jeher ein größeres Problem, die Bandbreite in der Partei zusammenzuhalten, weil auch die Vielfalt in Deutschland in den Landsmannschaften et cetera. größer ist. Das ist natürlich auch durchaus aus der Sicht der CSU eine problematische Situation, denn wir können gemeinsam als Union in Deutschland nur erfolgreich sein und auf Dauer regierungsfähig sein, wenn auch die CDU den Charakter der Volkspartei in ihrer Bandbreite hält und damit auch entsprechende Wahlergebnisse.

    Müller: Ist dieser Erfolg derzeit gefährdet?

    Glück: Das weiß ich nicht. Es bricht eine Diskussion auf. Ich denke, dass das eine oder andere einfach auch immer wieder einseitig überhöht ist und von daher Zuspitzung und Einseitigkeit bedeutet.

    Müller: Was ist denn überhöht?

    Glück: Ich weiß nicht, ob mit der Ankündigung von Friedrich Merz, sich zurückzuziehen, jetzt eigentlich schon ein Kurswechsel der CDU verbunden werden kann. Im Übrigen müsste ich eigentlich protestieren gegen die Verkürzung Union, und CDU ist gemeint. Die Union sind CDU und CSU ,und die CSU hat nicht diese Positionen, auch nicht diese Probleme. Es geht also nicht um die Union, sondern wenn schon dann um die CDU.

    Müller: Aber Sie haben eben selbst gesagt, Herr Glück, die CSU kann ja nicht gut ohne die CDU und umgekehrt auch.

    Glück: Ja, natürlich. Insofern haben wir wechselseitig ein Interesse, dass jeweils die andere Schwesterpartei auch stark ist.

    Müller: Aber die Partei ist in einem Stimmungstief, zumindest die CDU. Über die CSU haben wir ja in den vergangenen Wochen ganz, ganz viel berichtet und auch darüber gesprochen, Herr Glück. Das lassen wir heute einmal außen vor. Reden wir über die CDU: Stimmungstief, wie problematisch ist die aktuelle Situation?

    Glück: Ich kann das jetzt im Einzelnen nicht beurteilen, ob das, was medial sich darstellt, nun tatsächlich ein echtes Spiegelbild der Partei wäre. Wenn es denn so ist, dann muss viel aufgearbeitet werden. Dazu ist die Erarbeitung des Grundsatzprogramms ja eine gute Plattform. Ich kann nur für die CSU feststellen, dass wir auch mit dem jetzt vorliegenden ersten Entwurf des Gesamttextes ein hohes Maß an innerer Übereinstimmung in unserer Partei haben, auch in der Kombination von Leistungsorientierung, konsequenter Leistungsorientierung, aber eben auch konsequente Solidarität für die wirklich Schwachen. Leistung und Solidarität ist unser Markenzeichen und das Leitbild einer solidarischen Leistungsgesellschaft. Wir haben hier sowohl Zustimmung von Selbstständigen, Mittelstand, Wirtschaftsverbänden wie auf der anderen Seite auch der Sozialverbände.

    Müller: Nun müssen Sie ja auch von München aus immer wieder nach Berlin schauen. Wenn wir uns beispielsweise jetzt der Familienpolitik einmal zuwenden. Da gibt es neue Vorschläge der Ministerin, von Ursula von der Leyen, die da sagt, wir brauchen 500.000 neue Krippenplätze. Das wird in der CDU als ein moderner Schritt angesehen. Viele sagen das jedenfalls. Andere sagen, so geht es nicht, wo bleibt unser wertekonservatives Familienbild. Was sagen Sie?

    Glück: Der Ausbau des Angebotes an Kinderbetreuung in den ersten drei Lebensjahren ist auch im CSU-Programm selbstverständlich enthalten, ist eine Notwendigkeit. In vielen Bereichen wird dabei das Angebot über Tagesmütter das günstigere, flexiblere sein, insbesondere auch in ländlichen Bereichen wie etwa die Kinderkrippe. Das ist kein dogmatischer Streit. Nur es darf nicht zu einer Ausspielung gegeneinander kommen, auch in der Finanzierung zwischen der Familienförderung, wo die Eltern sich Erziehungszeiten selbst widmen, widmen können, aber auch widmen wollen, und etwa der Finanzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen. Wir sagen, es muss Wahlfreiheit sein. Die Politik darf einen Bereich nicht einseitig präferieren. Der Eindruck ist momentan jedenfalls mit der Politik der Bundesfamilienministerin verbunden, und das kann nicht unsere Position sein.

    Müller: Wäre das indirekt ein Vorwurf an die Ministerin, die Familie so ein wenig aus der Verantwortung herauszuziehen, sie sogar zu entmündigen?

    Glück: Ich glaube nicht, dass Frau von der Leyen die Familie aus der Verantwortung entlassen will und die Eltern. Nur faktisch erweckt sie zumindest den Eindruck einer zu einseitig angelegten Familienpolitik. Und das findet nicht unsere Zustimmung. Die Familienpolitik darf nicht eine Unterabteilung etwa von Arbeitsmarktpolitik sein, aber andererseits wollen wir, müssen wir den jungen Eltern, die zum Beispiel auch berufstätig sein müssen, schon allein aus finanziellen Gründen oder aus anderen Motiven heraus, die Möglichkeit geben, trotzdem zu Kindern ja sagen zu können. Da muss man aber auch hinzusagen: Wenn Kinderkrippen oder Tagesmütter, dann muss es auch eine gute pädagogische Qualität haben. Es geht nicht nur um die Zahl und zum Beispiel Gruppengrößen, mehr wie vier Kinder für eine Bezugsperson ist dann einfach zu viel. Insofern muss man immer die Qualitätsfrage mit der Quantitätsfrage verbinden. Sonst kämen wir auf einen Irrweg.

    Müller: Herr Glück, um dort noch einmal nachzufragen. Sie Sagen, die Ministerin steht unter Verdacht, um das jetzt so einmal zu formulieren.

    Glück: Ich habe keinen Verdacht formuliert.

    Müller: Mir fällt im Moment nichts Besseres dazu ein, Herr Glück. Lassen Sie mich das kurz noch zu Ende formulieren. Die Familienministerin suggeriert zumindest in der Politik, einseitig nach vorne zu gehen. Was werfen Sie ihr denn konkret vor? Was soll sie denn anders machen?

    Glück: Es ist jedenfalls der Eindruck, dass ihre Aufmerksamkeit primär nur dem einen Baustein vor allem gilt, also dem Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen. Es wäre gut, wenn sie ebenso deutlich akzentuiert die Unterstützung der Eltern, die sich der Erziehung der Kinder in dieser Lebensphase selbst widmen wollen, und ihnen dafür möglichst viele Möglichkeiten anbietet.

    Müller: Aber es gibt doch beispielsweise jetzt das Elterngeld?

    Glück: Das Elterngeld ist letztlich auch in der Konsequenz eine etwas einseitige Ausrichtung bezogen auf die Berufstätigkeit.

    Müller: Warum?

    Glück: Hier fühlen sich auch viele Mütter und Eltern, die eben nicht auf die Berufstätigkeit in dieser Phase abzielen, eher diskriminiert und benachteiligt.

    Müller:! Warum, Herr Glück?

    Glück: Weil letztlich natürlich die Bezugsgrößen von der Berufstätigkeit her kommen und so gesehen die Berufstätigkeit der Maßstab ist und nicht die Erziehungsleistung. Wir sind natürlich generell immer noch nicht in der Situation, dass wir Erziehungsleistung ähnlich präferieren und bewerten wie eine andere Arbeitsleistung.

    Müller: Ist das auch indirekt der Vorwurf, Herr Glück, dass die gut verdienenden Familien, Elternteile davon in erster Linie profitieren?

    Glück: Es ist ja beim Familiensplitting ähnlich. Beim Familiensplitting profitieren in erster Linie diejenigen, die besser verdienen. Nun geht es ja nicht um Sozialneid in dieser Thematik, und wir müssen generell versuchen, einmal Familienpolitik aus der Sozialpolitik herauszuholen. Aber es hat natürlich faktisch diese Wertung. Unter dem Gesichtspunkt, Besserverdienenden den Weg erleichtern, ist es logisch; unter dem Gesichtspunkt einer gleichrangigen Behandlung von Erziehungsleistung und Arbeitsleistung oder auch unter sozialem Gesichtspunkt ist es nicht logisch.

    Müller: Herr Glück, wir haben viel über Eindrücke in den vergangenen Minuten geredet. Haben Sie auch den Eindruck, dass die Regierungschefin, die Kanzlerin Angela Merkel, das alles noch im Griff hat?

    Glück: Ich glaube, dass die Regierungschefin nicht in allen Fach- und Detailbereichen hinein die Politik prägen kann. Dann stellt sich eher die Frage, wo die andere Mannschaft ist und was die Gesamtführungsmannschaft dann verkörpert.

    Müller: Wer fehlt zum Beispiel?

    Glück: Das weiß ich nicht. Ich bin ja auch nicht für die CDU zuständig.

    Müller: Alois Glück war das, Präsident des bayerischen Landtages und Vorsitzender der CSU-Grundsatzkommission. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach München.

    Glück: Auf Wiederhören. Danke.