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Glückliche Schweine per Webcam und Gemüse auf dem Dach

Lebensmittelskandale und Bilder von leidenden Tieren in riesigen Ställen haben die Konsumenten aufgeschreckt. Auch bei den Produzenten wächst das Bewusstsein für Missstände in der Landwirtschaft. Initiativen, die daran etwas ändern wollen, gehen oft von kleinen Ökobetrieben aus.

Von Sven Kästner | 17.01.2013
    Es ist ein skurriles Bild, das sich auf einer großen Weide in Gömnigk südlich von Potsdam bietet. Mastschweine rennen an diesem kalten, klaren Wintertag grunzend über die stoppelige Wiese. Ein junger Mann in Jeans und heller Winterjacke hastet hinterher, die Kamera im Anschlag.

    "Das war doch schon Mal sehr gut. Schön dicht dran. So muss es sein."

    Dennis Buchmann ist auf Schweinefoto-Safari für sein Projekt "Meine kleine Farm.org". Die Bilder nutzt er für Aufkleber, die später, wenn die Schweine geschlachtet sind, auf die Wurstverpackung kommen:

    "Auf diesem Aufkleber ist genau das Foto von genau dem Schwein, aus dem diese Wurst gemacht ist. Das heißt, bei 'Meine kleine Farm' kann man der Wurst in die Augen gucken. Ich gebe der Wurst ein Gesicht, indem ich nämlich, bevor ich ein Schwein zum Metzger bringen lasse, das Schwein fotografiere."

    Die Idee, auf diese Weise dem massenhaften und oft gedankenlosen Fleisch-Konsum etwas entgegenzusetzen, kam dem 35-Jährigen während seines Biologie-Studiums. Vor gut einem Jahr zog er dann von Berlin aus seine Firma auf, seither hat er 45 Schweine schlachten lassen. Schon während der Mast stellt Buchmann Bilder auf seine Homepage, mögliche Kunden können sogar per Webcam am Wiesenrand die Freilandhaltung der Tiere überprüfen:

    "Ich möchte erreichen, dass die Menschen etwas mehr Wertschätzung für Fleisch entwickeln. Und auch ihr Fleisch-Konsumverhalten so ein bisschen ändern in der Hinsicht, dass sie ein bisschen weniger Fleisch essen. Vor allem weniger von dem anonymen Massenfleisch aus dem Supermarkt. Und vielleicht, wenn sie Fleisch essen, dann welches aus guter Haltung."

    Dennis Buchmann arbeitet für sein Projekt mit Bernd Schulz zusammen, einem Bio-Schweinehalter in Brandenburg. Kräftige Statur, mit Gummistiefeln, lederner Arbeitsweste und ausgebeultem Schlapphut – so steht der Mittfünfziger am Rande seiner Weide. Die Massentierhaltung kennt der studierte Agraringenieur noch aus DDR-Anlagen. Damals war er Zuchtleiter in einem Mastbetrieb mit 2000 Schweinen.

    "Die ist hier neun Kilometer entfernt in Schwanebeck. Da sitzt jetzt ein Holländer. Und der hat knapp 6000 oder 7000 Sauen."

    Immer mehr Tiere auf engstem Raum – dieser Trend hielt auch nach der Wiedervereinigung an. Vor gut zehn Jahren stellte Schulz deshalb seinen eigenen Betrieb auf ökologische Landwirtschaft um.

    Dass er seine insgesamt 120 Mastschweine artgerecht hält, sieht man auf den ersten Blick. Auf 35 Hektar Freiland haben die Tiere reichlich Auslauf. Sie knabbern am Gras, schmatzen an den Wassertrögen oder ziehen sich in einen der niedrigen Unterstände zurück, die überall auf der Wiese verteilt stehen.

    Das alles ist deutlich teurer als konventionelle Haltung – auch weil die Tiere doppelt so lange leben. Bio-Kunden sind bereit, mehr Geld für das Fleisch auszugeben – verlangen aber Transparenz. Hier sieht Bauer Schulz auch den Vorteil im Projekt seines jungen Berliner Partners:

    "Die Leute sehen halt, wie die Tiere hier wachsen. Und die können sich selber überzeugen. Und das die dann halt auch sehen, wie das verarbeitet wird bei der Schlachtung und Verarbeitung. Und ja, das Bewusstsein entwickelt sich."

    Statistisch gesehen isst jeder Deutsche im Laufe seines Lebens fast 1000 Hühner und 46 ausgewachsene Schweine. Außerdem 46 Puten, 37 Enten, 12 Gänse, vier Schafe und vier Rinder. Diese Zahlen veröffentlichten vor wenigen Tagen der Bund für Umwelt und Naturschutz und die Heinrich-Böll-Stiftung im "Fleischatlas 2013".

    Doch mit jedem Lebensmittelskandal der vergangenen Jahre sind die Verbraucher kritischer geworden. Ein Zeichen dafür: Der anhaltende Bio-Boom. Seit einigen Jahren ist die ökologische Landwirtschaft auch auf der "Grünen Woche" vertreten – der weltgrößten Agrarmesse, die morgen in Berlin beginnt. Dennoch ist die Massentierhaltung in der deutschen Landwirtschaft noch allgegenwärtig.

    "Nach Recherchen der Universität Göttingen wollen über 20 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland Fleisch aus artgerechter Tierhaltung. Und sie sind auch bereit, mehr dafür zu zahlen. Das Angebot am Markt umfasst aber noch nicht einmal ein Prozent. Das heißt, wir haben hier eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage."

    Reinhild Benning sitzt 80 Kilometer nördlich der glücklichen Brandenburger Schweine in ihrem mit Akten vollgestopften Büro in Berlin-Mitte. Die Agrarexpertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz ist selbst Landwirtin. Sie kennt die Auswirkungen der Massentierhaltung auf Ackerböden und den gesamten ökologischen Kreislauf:
    "Die Tiere werden ohne eine Anbindung an Futterflächen gehalten. Und das heißt auch: Die Exkremente der Tiere haben nicht ausreichend Fläche, um ausgebracht zu werden. Sondern es wird viel zu viel Gülle … auf viel zu wenig Fläche ausgebracht. Die Konsequenz: Nitrat im Grundwasser."

    Vor allem in Ostdeutschland sind in den vergangenen Jahren neue Ställe mit mehreren zehntausend Schweinen neu errichtet oder alte DDR-Anlagen wieder in Betrieb genommen worden. In ähnlichen Größenordnungen werden auch Legehennen oder Masthähnchen gehalten. Um das Ausbreiten von Krankheiten in den Massenbeständen zu verhindern, werden den Tieren oft vorbeugend Antibiotika oder andere Medikamente verabreicht. Tierschutz stehe in solchen industrieähnlichen Betrieben an letzter Stelle, kritisiert Benning:

    "Die Tiere leiden darunter, dass die einzigen Messgrößen ihre täglichen Zunahmen sind. Sie müssen möglichst schnell fett werden: Fleisch ansetzen und wachsen. Das in Bedingungen, die gar nicht ihrem angeborenen Verhalten entsprechen. Dazu kommt, das etwa auch in der Schweinehaltung die Tiere dem Stall angepasst werden. Das heißt, denen werden die Schwänze kupiert, damit sie nicht auf die Idee des Kannibalismus kommen. Sie haben keine Anregungen, sie werden wenig beschäftigt. Das wiederum macht sie eher zu Beißern."

    Bilder von apathischen, wund gescheuerten oder schwachen Tieren in riesigen Ställen tauchen immer wieder in den Medien auf und schrecken Öffentlichkeit wie Konsumenten auf. Doch auch auf der Produzentenseite wächst das Bewusstsein für die Missstände in der Massentierhaltung. Konkrete Initiativen, die daran etwas ändern wollen, gehen allerdings meist nicht von den Großunternehmen aus, sondern von kleinbäuerlichen Öko-Betrieben. Brandenburger Bio-Bauern etwa haben das Projekt "Ei care" gestartet. Sie wollen die in der modernen Geflügelzucht übliche Trennung von Legehennen und Masthähnchen überwinden.

    Der Ökohof "Määhgut" in Hasenfelde östlich von Berlin ist erst vor gut einem Jahr in die Eierproduktion eingestiegen. Inzwischen scharren 600 Legehennen auf einer Wiese vor dem Stall nach Futter. Es sind Bressehühner – eine französische Rasse, die in Deutschland "Les Bleues" genannt wird. Schon äußerlich unterscheiden sie sich von ihren Artgenossen, wie Landwirtin Anna Reinsberg erklärt:

    "Die sind einfach viel kräftiger und größer als man das eigentlich so von anderen Legehennen gewohnt ist."

    Die "Les Bleues"-Hähnchen werden bis zur Schlachtreife gemästet, so, wie es früher einmal die Regel war. In der heutigen Eier-Massenproduktion ist das ungewöhnlich: Mittlerweile hat die Zucht rein auf Legeleistung getrimmte Rassen hervorgebracht, die kaum Fleisch ansetzen. Die weiblichen Tiere landen nach ihrem kurzen Leben als Eier-Produzenten meist als Suppenhühner im Kochtopf. Millionen männliche Küken aber werden Jahr für Jahr gleich nach dem Schlüpfen getötet, weil sie naturgemäß keine Eier legen – und für den Markt nicht gebraucht werden. Auch Bio-Halter arbeiten so.

    "Also, überwiegend im Bereich Geflügel gibt es nur Hybridrassen, die sehr stark in den Bereich Legehennen oder in den Bereich Hähnchenmast entsprechend gezüchtet sind, und die für den jeweils anderen Bereich eigentlich so schlechte Leistungen haben, dass sie dafür nicht nutzbar sind."#

    Jörg Große-Lochtmann arbeitet beim Ökoverband "Naturland", der das Brandenburger Projekt für die sogenannten Zweinutzungshühner unterstützt. Der Absatz der Eier in Berliner Bio-Märkten läuft gut, obwohl sie mit etwa 45 Cent deutlich teurer als die herkömmlichen Bio-Eier sind. Bäuerin Reinsberg erklärt die Gründe:

    "Da muss man auch dazu sagen, dass die Zweinutzungsrasse weniger Legeleistung hat als eine reine Legerasse. Man sagt so, die liegen ungefähr bei 60 Prozent im Vergleich zu einer anderen Legerasse."

    Nicht nur von der Tierhaltung, auch vom konventionellen Feld- und Gemüsebau und den Folgen für Umwelt und Klima habe der gewöhnliche Konsument heutzutage oft nur vage Vorstellungen, kritisiert BUND-Expertin Benning:

    "Klimaschäden durch intensiven Ackerbau, der dem Boden schadet. Dann ist dies der Verlust der Artenvielfalt durch zu viel Dünger. Und ein drittes Problem ist, dass in vielen Regionen Wiesen und Weiden umgepflügt werden, um zu Äckern zu werden. Das ist der größte Klimaschaden, den man in der Landwirtschaft verursachen kann, weil in den Wiesen und Weiden ist sehr viel CO2 gespeichert."

    Rückblick auf einen Samstag des vergangenen Sommers. Auf dem Erdbeerfeld eines Öko-Gutes am Rande von Neuruppin arbeiten sich sechs Berliner in gebückter Haltung mit Hacken durch die Reihen. In der Bio-Landwirtschaft wird das Unkraut per Hand gezogen – Gift spritzen ist verboten.

    "Den Amaranth auch weg?" - "Alles weg, was nicht Erdbeere ist. So leid es auch tut. Am besten ist wahrscheinlich, ohne Hacke das Große bloß anfassen und ziehen."

    Die Großstädter wollen wieder mehr darüber wissen, wo Obst und Gemüse herkommen. Deshalb haben sie sich mit den Bauern zu einer Art Versorgungsgemeinschaft zusammengeschlossen und teilen sich die Ernte. "Solidarische Landwirtschaft" heißt das Modell. Frank Viohl, einer der Gründer, erklärt es:

    "Die Stadtmenschen geben dem Landwirt einen festen Betrag im Monat. Und dafür bekommen sie regionales, biologisches, saisonales, frisches Gemüse. Zu einem Preis, der auch im Vergleich zu den Bioläden oder Wochenmärkten wesentlich günstiger ist, weil weniger Aufwand damit verbunden ist."

    Zur Idee gehört auch, dass die Städter zwei- bis dreimal im Jahr auf dem Hof helfen. Die Hauptsache aber ist die wöchentliche Lieferung des Bauern direkt zu seinen Abnehmern. Im Sommer haben sich die Berliner über erntefrische Tomaten, Zucchini, Salat oder Radieschen gefreut. Aber auch jetzt im Winter reißt die Versorgung nicht ab, wie Frank Viohl berichtet:

    "Wir haben jetzt Zwiebeln, wir hatten jetzt Mohrrüben wieder. Wir hatten jetzt sehr schönen Kräutertee. Eier sowieso. Und Kartoffeln. Und in der vergangenen Woche war sogar frischer Salat da, den sie im Zelt ziehen. Also, Vitamine sind da. Das hätte ich nicht gedacht."

    Gut 30 Höfe deutschlandweit arbeiten mittlerweile auf diese Weise mit ihren Kunden zusammen. Gemeinsam wird zu Beginn des Jahres entschieden, welche Obst- und Gemüsesorten angebaut werden. Und auch die Kosten werden offen kalkuliert, auf deren Basis der monatliche Beitrag festgelegt wird. Dafür beteiligen sich die Städter am Ernterisiko. Bei geringem Ertrag bekommen sie weniger geliefert, wie die Geschäftsführerin des Neuruppiner Öko-Gutes, Sybille Harlos, sagt:

    "Dadurch, dass eben auch diese Beiträge schon im Vorhinein festgelegt werden für's Jahr, können wir sagen: Okay, so und so viel Mitglieder mit so und so viel Beitrag bringt Summe X. Und dafür können wir dann eben auch anbauen. Und wir haben die Gewissheit, das geht dann auch gut weg."

    Die Teilnehmer der Versorgungsgemeinschaft wollen auch regionale Wirtschaftskreisläufe stärken, den globalen Finanz- und Warenströmen in der Landwirtschaft etwas entgegensetzen. Frank Viohl hofft, kleinen Bauernhöfen so beim Überleben helfen zu können:
    "Die Höfe, die vor allen Dingen in dieser kleinbäuerlichen Landwirtschaft arbeiten mit ein paar Hektar nur, mit viel händischer Arbeit, wo ein hoher Maschineneinsatz sich gar nicht lohnt, die aber eine wichtige Arbeit für uns alle machen. Weil sie eben für die Artenvielfalt eine grundlegende Arbeit machen. Die können über unsere Marktmechanismen, wenn sie sich auf den Wochenmarkt stellen usw., die können nicht die Preise erzielen, die sie für ihre Arbeit eigentlich brauchen."

    Die heute üblichen Transporte von Obst und Gemüse durch ganz Europa überflüssig machen: Dieses Ziel verfolgen auch andere Initiativen. "Urban farming" breitet sich seit einigen Jahren in Deutschland aus. Die Idee dahinter ist einfach: Die meisten Menschen auf der Welt leben in Städten. Warum also nicht urbane Freiflächen nutzen, um das Gemüse gleich in der Nähe der Verbraucher anzubauen.

    Auf dem Gelände einer alten Malzfabrik in Berlin-Tempelhof öffnet Christian Echternacht einen ausrangierten Schiffscontainer. Drinnen steht ein Wassertank für die Fischzucht. Auf dem Dach der weißen Blechkiste ist ein kleines Gewächshaus montiert.

    "Das ist unser Showcontainer, mit dem wir das System potenziellen Kunden, aber auch Interessenten vorführen können."

    Der Schiffsbehälter war im vergangenen Jahr Testlabor für das, was im kommenden Frühjahr auf einer Freifläche gleich neben den ausgedienten Fabrikhallen entstehen soll: Eine der weltweit größten Stadtfarmen. Auf 1800 Quadratmetern sollen Gemüseanbau und Fischzucht kombiniert werden.

    "Wenn man sich diese 1800 Quadratmeter vorstellt als ein großes Gewächshaus, dann sind zwei Drittel davon aus Glas. Und ein Drittel ist mit einem Dämmmaterial ausgestattet. Das dient dann der Isolation, um die Fischzucht darin zu betreiben. Das Wasser, das in dieser Fischzucht quasi aufbereitet wird, das wird dann benutzt, um in den anderen zwei Dritteln im Gemüseanbau die Pflanzen zu versorgen."

    Von ihrer Idee versprechen sich die Entwickler kurze Wege zu den Endverbrauchern in der Nachbarschaft. Die können sich die Farm auch jederzeit anschauen. Zum anderen sollen die Lebensmittel durch den Kreislauf vom Fischbecken zum Treibhaus besonders Wasser sparend erzeugt werden. Pro Jahr hoffen die Entwickler auf 35 Tonnen Gemüseernte und 11,5 Tonnen Fisch.

    "In der Stadt bieten sich eigentlich drei Flächen an. Zum einen sind es Brachflächen. Zum zweiten sind es Überdachungen, die man extra dafür baut. Also, beispielsweise Supermärkte mit drei Meter hohen Stelzen überdacht. Und als Dach dann quasi unser Gewächshaus dort installiert. Die dritte Möglichkeit ist, dass man speziell bei Neubauten solche Dachkonstruktionen gleich mit einbaut."

    Noch ist offen, wie die städtische Fisch- und Gemüsefarm funktionieren wird. Im kommenden Herbst, wenn die erste Ernte im großen Stil eingefahren ist, werden die Entwickler mehr wissen – und die zahlreichen Anfragen aus aller Welt zu ihrem System besser beantworten können.

    Auch gut 80 Kilometer nordöstlich ist die Erinnerung an solche Pionierzeiten noch lebendig. Vor 23 Jahren, nach dem Ende der DDR, stand die Agrargenossenschaft im uckermärkischen Brodowin vor einer unsicheren Zukunft. Die Bauern in dem malerisch zwischen sieben Seen gelegenen Dorf entschieden sich dafür, ihr Glück in der Bio-Landwirtschaft zu suchen. Und schlossen sich dem demeter-Verband an, der die strengsten Richtlinien hat.

    "Wir hatten einen sehr, sehr schweren Anfang. Ökologischen Landbau gab's zu DDR-Zeiten objektiv nicht. Also, wir waren eigentlich die absoluten Spinner, wir waren völlig daneben. Es wurde uns nachgesagt, wir würden unsere Felder verunkrauten lassen, unsere Tiere würden verhungern."

    Peter Krenz ist Geschäftsführer der Ökodorf Brodowin GmbH, damals wie heute. Mittlerweile hat sich der Hof als Direktvermarkter für Bio-Lebensmittel etabliert. 500 Rinder, 200 Ziegen und 400 Hühner gehören zum Betrieb. Die Milch wird in der eigenen Molkerei zu Butter und Käse verarbeitet. Dazu kommt Ackerbau für das Tierfutter, denn Kreislaufwirtschaft gehört zu den demeter-Prinzipien. Geschäftsführer Krenz geht es neben dem Umweltschutz auch um Perspektiven für den ländlichen Raum. Vielerorts verlassen junge Leute die Dörfer wegen fehlender Arbeitsplätze. Brodowin aber verzeichnet Zuzug. Der Ökohof beschäftigt 80 Mitarbeiter, das sind gut vier Mal so viele wie ein konventioneller Agrarbetrieb vergleichbarer Größe hat.

    "Die Nachhaltigkeit beruht auch darin, dass jetzt viele auch diese Produkte konsumieren und auch in die Landschaft zurückkommen. Also, sie möchten auch die Kuh Berta sehen, von der sie die Milch und die Butter erhalten. Und der Tourismus als Nachhaltigkeitskonzept, was in den letzten Jahren sich sehr positiv entwickelt hat. Wir haben jetzt 80 Betten in Brodowin – von Null. Und dementsprechend ist da auch Wirtschaftskraft drin."

    Das Dorf ist ein Beispiel dafür, dass die Suche nach Alternativen zur industriellen Landwirtschaft auch ökonomisch funktionieren kann. Die Region insgesamt profitiert von dem Bio-Betrieb. Doch auch die kleinen Initiativen, die heute noch in den Anfängen stecken, sind nach Ansicht von Fachleuten wie Jürgen Heß, Professor für Ökologische Agrarwissenschaften an der Universität Kassel, zukunftsweisend:

    "Worauf es ankommt, dass das Zeichen sind, oder Reaktionen darauf, dass sich die Einstellung der Menschen zu den Lebensmitteln ändert. Dass sie mehr wissen wollen über die Herkunft von Lebensmitteln."

    Er erwartet, dass Modelle wie die solidarische Landwirtschaft oder die Stadtfarmen sich langfristig auch auf das Konsumverhalten allgemein auswirken werden.

    "Sobald Menschen wieder in den Kontakt mit Anbau von Gemüse kommen, fängt ihr Bewusstsein an sich zu ändern. Und das wird am Ende auch Rückwirkungen haben auf das, was in den Supermärkten gekauft wird."