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Glücksspiel
Japan bekommt seine ersten Casinos

Die Sorge der buddhistisch geprägten Gesellschaft in Japan vor Verbrechen und Spielsucht hat Casinos lange verhindert. Nun hat das Gewinninteresse der Regierung und der Spielbankbetreiber doch gesiegt: Mit dem neuen Glücksspielgesetz macht das Parlament den Weg frei für Japans erste Casinos.

Von Jürgen Hanefeld | 23.06.2018
    Ein angehender Croupier und Student der Japan Casino School in Tokio spielt mit Mundschutz das Karten-Glücksspiel Baccarat
    Ein angehender Croupier beim Baccarat: Die Japan Casino School in Tokio bereitet sich schon seit ein paar Jahren auf die Legalisierung von Casinos in Japan vor (AFP/ Martin Bureau)
    Es ist ja nicht so, als gäbe es noch kein Glückspiel in Japan. Überall in den Innenstädten rollen die silbernen Kugeln in den Pachinko-Maschinen - unter ohrenbetäubendem Lärm. Obwohl man dort viel Geld verlieren und auch etwas gewinnen kann: Pachinko gilt - rechtlich gesehen - nicht als Glücksspiel, sondern als Unterhaltung.
    Zugelassen sind außerdem sechs Arten von Wettspielen, Pferderennen zum Beispiel, die der Staat verwaltet. Casinos dagegen sind hoch umstritten: "Beim Casino agiert die Spielbank direkt mit den Kunden. Für den Staat ist das viel schwerer zu kontrollieren", sagt der Casino-Spezialist Professor Toru Mihara. Selbst beim scheinbar harmlosen Pachinko spielt das organisierte Verbrechen mit. Bei einem Umsatz von mehr als 150 Milliarden Euro im Jahr lohnt sich das - nicht nur für die Yakuza, die japanische Mafia, sondern auch für die Polizei:
    "In der Tat stecken häufig die Betreiber von Pachinko-Läden und die Polizei unter einer Decke. Die Beamten bekommen nach ihrer Pensionierung einen Job in der Pachinko-Industrie."
    Ene Frau läuft an einer Spielhalle in Tokio vorbei, in dem vor allem das japanische Automaten-Glücksspiel Pachinko angeboten wird
    Das Automaten-Glücksspiel Pachinko gilt als Vergnügen für die Unterschicht in Japan (AFP/ Kazuhiro Nogi)
    Abe: "Casino-Gesetz wird Wachstum ankurbeln"
    Dass hinter den Betreibern der 11.000 Spielhallen in Japan häufig nordkoreanische Syndikate stecken, ist ein offenes Geheimnis. Sie dienen der illegalen Beschaffung von Devisen. Pachinko gilt als Vergnügen für die Unterschicht, Casinos sollen andere Kundenkreise ansprechen, sagen die Befürworter aus der Regierungspartei LDP. Und vor allen Dingen Geld in die heillos überschuldete Staatskasse spülen, betonte Premierminister Abe erst vor zwei Wochen:
    "Das Casino-Gesetz wird das Wirtschaftswachstum im ganzen Land ankurbeln. Damit Japan ein führendes Tourismusland wird, möchte ich den Plan mit aller Kraft verwirklichen."
    Beziffern aber konnte der Regierungschef den Wirtschaftseffekt nicht. Professor Mihara warnt:
    "Der Beitrag, den Casinos zum Tourismus beisteuern, liegt mit Sicherheit unter fünf Prozent. Zahlenmäßig wird das also nicht allzu viel bringen. Die Regierung betont ja gerne, dass vor allem die Ausländer ihr Geld in die Casinos tragen sollen. Aber davon können die Betreiber nicht leben. Ich halte die Annahme, dass 80 Prozent der Casino-Kundschaft Japaner sein werden, für absolut realistisch."
    Maßnahmen, die Spielsucht verhindern sollen
    Deswegen hat man sich nach zähem Ringen auf Maßnahmen verständigt, die der Spielsucht der Einheimischen Grenzen setzen sollen: Japaner dürfen nur höchstens dreimal die Woche oder zehn Mal im Monat ein Casino betreten. Und die Eintrittsgebühr beträgt jeweils 6.000 Yen, knapp 50 Euro. Am Beispiel Singapur sollen die Spielhöllen außerdem einen vornehmen Anstrich bekommen, in dem sie in teure Hotels und Kongresshallen eingebettet werden. Der Regierungschef verspricht:
    "Ich möchte faszinierende Resorts bauen lassen - mit sauberen Casinos."
    Man spürt förmlich das schlechte Gewissen des Staates. Deswegen sollen auch erst mal nur drei solcher "sauberen" Spielhöllen entstehen. Dem Staat fallen 30 Prozent des Gewinns zu, den die privaten Betreiber erwirtschaften.
    Die Japaner sind übrigens mit großer Mehrheit gegen das Gesetz. 70 Prozent wollen keine Casinos. Der Hauptgrund: Spielsucht sowie Geldwäsche und andere Verbrechen würden gefördert. Sogar "Yumiuri Shimbun", die größte Tageszeitung Japans und normalerweise eifrige Unterstützerin der Regierung, hat in diesem Fall scharfe Kritik geäußert: "Eine Wachstumsstrategie", schrieb das Blatt, "die das Pech anderer ausbeutet, ist extrem ungesund."