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Glücksspielstaatsvertrag
Das Gezerre um die Sportwetten

Der deutsche Sport und hier speziell der Breitensport beziehen einen großen Teil ihrer Einnahmen aus staatlichen Sportwetten. Alles ist geregelt im Glücksspielstaats-Vertrag, um den es jetzt Diskussionen gibt. Ein Länderparlament will auch private Wettanbieter darin verankert wissen. Das führt zu Streitigkeiten.

Von Heinz Peter Kreuzer | 01.07.2017
    Ein Mann schaut sich eine Internetseite für Online-Wetten an.
    Profitiert der Breitensport künftig auch von privaten Wettanbietern? (picture alliance / dpa / Marcus Brandt)
    "Die Hängepartie geht weiter, das kann es eigentlich nicht sein", sagt der scheidende Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes DOSB, Michael Vesper. Denn die neue Regierung in Schleswig-Holstein will den Änderungs-Staatsvertrag nicht ratifizieren.
    Und nicht nur das, Hans-Jörn Arp, der parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion, geht sogar in die Offensive: "Der Glücksspieländerungs-Staatsvertrag, wie er im Frühjahr vorgelegt wurde, wird bei uns im Landtag keine Mehrheit finden. Wenn er nicht von allen 16 Ländern unterschrieben wird, tritt er nicht in Kraft. Das ist der erste Punkt. Das zweite ist, den jetzigen werden wir kündigen."
    Private Anbieter zulassen - ohne Limits
    Die Frage ist aber: Kann Schleswig-Holstein den Vertrag überhaupt kündigen? Das bezweifeln viele der staatlichen Anbieter, die Landeslotteriegesellschaften, wie Friederike Sturm, Präsidentin von Lotto Bayern: "Wenn der Glücksspiel-Staatsvertrag nicht geändert wird, wird er automatisch bis 2021 weiterlaufen. Eine Kündigungsmöglichkeit ist nicht vorgesehen. Nachdem die schleswig-holsteinische Regierung Änderungen im Glücksspiel-Staatsvertrag vornehmen will, ist sie sicherlich besser beraten, jetzt zu ratifizieren, weil es dann Änderungsmöglichkeiten gibt."
    Der Vorstandsvorsitzende des DOSB Michael Vesper.
    Der Vorstandsvorsitzende des DOSB, Michael Vesper, ist unzufrieden mit der Hängepartie um den Staatsvertrag (picture alliance/dpa - Bernd Thissen)
    Aber nicht in der Weise, wie es die neue schleswig-holsteinische Regierung gerne hätte. Die würden gerne private Anbieter von Sportwetten zulassen, und zwar ohne Limitierung. Zudem auch Online-Kasinos und Online-Poker. CDU-Mann Arp ist sich sicher, dass das auch durchkommt, weil er die Verteidigungsfront bröckeln sieht. "Ich gehe davon aus, dass wir ihn 2019 in Kraft haben. Vor zehn Jahren waren wir alleine, das sind wir heute nicht mehr. Eine ähnliche Haltung wie wir hat auch Hessen eingenommen. Darüber hinaus gibt es auch Abstimmungsgespräche mit anderen Bundesländern."
    Verbündete aus Hessen, NRW und Rheinland-Pfalz
    Als potenzielle Verbündete der Norddeutschen gelten neben Hessen auch NRW und Rheinland-Pfalz. Damit zeichnet sich ab, dass die geplanten Änderungen, die kurz vor der Ratifizierung standen, nun doch nicht vollzogen werden. Für den Sport bedeutet das, er weiß nicht, ob und wie es mit seiner wichtigen Einnahmequelle weitergeht.
    Darum hofft DOSB-Chef Vesper darauf, dass sich die 16 Länder schnell zusammensetzen, "um dann einen neuen Glücksspielstaatsvertrag auszuarbeiten, der die Kritikpunkte aufnimmt und der zugleich auch der Forderung nachgibt, das ein angemessener Anteil der Erträge aus Sportwetten, nämlich in Höhe von 30 Prozent an den gemeinnützigen Sport geht. Denn ohne Sport könnte es keine Sportwetten geben, könnte keine Sportwette veranstaltet werden."
    Gemeint sind 30 Prozent der Steuereinnahmen auf Sportwetten, ob staatlich oder privat. Zusätzlich zu den Lotterie-Einnahmen. Da inzwischen viele Menschen bei privaten Anbietern wetten, wäre das ein deutliches Plus für den Sport. Momentan bekommt der organisierte Sport nichts von den Privaten, ausgenommen die Werbeeinnahmen, die vor allem an die großen Top-Vereine im Fußball fließen.
    90 Millionen Euro mehr für den Sport?
    Bisher haben alle ihre Lizenz im EU-Ausland. In Deutschland wird noch juristisch über die Lizenzvergabe gestritten. Wegen der deutschen Dependencen fließen dem deutschen Staat rund 300 Millionen Euro zu.
    Wenn es nach Vesper ginge, würden dementsprechend 90 Millionen dem Sport zukommen. Zusätzlich. Daher ist man sich auch im Sport einig, und es stehen nicht mehr wie früher, große Top-Vereine gegen den Rest. "Das ist eine gemeinsame Position im Sport. Nicht nur der gemeinnützige Sport, auch der Fußball, auch die Verbände, deren Veranstaltungen am meisten Gegenstand von Sportwetten sind, insbesondere natürlich der Fußball, unterstützen diese Forderung."
    Und sie wird mittlerweile auch von vielen Ländern unterstützt. In Schleswig-Holstein kann die schwarz-gelbe-grüne Regierung auf die Erfahrungen aus dem 2012 gültigen Glücksspielgesetz verweisen. Die Liberalisierung führte zu erhöhten Steuereinnahmen, mit einem Drittel der zusätzlichen Erträge wurden der gemeinnützige Sport, Soziales und Kultur unterstützt. Unter der neuen Regierung werde die Förderung wieder eingeführt, erklärt Hans-Jörn Arp:
    Entwicklungen auf dem Wettmarkt führen zu Skepsis
    "Der gemeinnützige Sport unterstützt uns ja hier in Schleswig-Holstein mit aller Kraft. Auch das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass ein Drittel der Mehreinnahmen dem Breitensport zu Gute kommt und anderen Einrichtungen wie friesischen Minderheiten, der Feuerwehr und viele andere."
    Was viele Länder, die dagegen sind, umtreibt, sind die Entwicklungen auf dem Wettmarkt, vor allem mit Live-Wetten und die immer wiederkehrenden Meldungen von Wettmanipulation und -Betrug. Dazu die Suchtgefahr. Hierzu hatten der Deutsche Sportwetten-Verband und der Online-Casino-Verband eine Studie in Auftrag gegeben.
    Tippscheine in einem Büro für Sportwetten.
    Tippscheine - dem DOSB liegt viel daran, dass sich die Länder in Sachen Sportwetten schnell einigen.. (Imago)
    Wettbewerbsexperte Professor Justus Haucap kommt darin zu dem Schluss, "nur wenn Glücksspiel legal stattfinde, könne der Staat auch seine anderen Ziele erreichen: Verbraucher schützen, Spielsucht bekämpfen und Manipulationen im Sport zu verhindern."
    Wenn der Torwart in der fünften Minute ein Sandwich isst ...
    Weil es damit gesetzlich kontrolliert werden könne statt, dass wie jetzt ein Großteil im Internet schwarz passiert. Dem ebenfalls an der Studie beteiligten Kölner Juristen Professor Martin Nolte gehen Teile der Vorschriften an der Lebensrealität vorbei. Es würden die falschen Sachen verboten, Beispiel Live-Wetten. Diese seien - anders als angenommen - nicht leichter zu manipulieren als Ergebniswetten, weil die Gewinnquoten bei Ergebniswetten viel lukrativer sind. Und die Auffälligkeit auf Ergebnisse zu wetten und die zu manipulieren, viel weniger auffällig sind, also unterhalb des Radars verlaufen. Als wenn man auf Ereignisse wettet. Zum Beispiel, ob der Torwart in der fünften Minute ein Sandwich isst.
    So seien bisher alle Wettskandale bei Ergebniswetten passiert: "Der Bundesligaskandal 2005/2006 um den Schiedsrichter Hoyzer, sie werden sich vielleicht erinnern, betraf nur Manipulation von Ergebnissen. Auch der zweite Bundesligaskandal, der in Bochum verhandelt wurde, betraf nur Ergebnisse. Also nicht Ereignisse."
    Der Deutsche Sportwetten-Verband und der Online-Casino-Verband hoffen nun, dass die Ergebnisse aus der Studie die Politiker aus den Länder überzeugt, sich auch für eine Liberalisierung auszusprechen.