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Glyndebourne-Festival
Leicht eintönige Berlioz-Inszenierung

Sebastian Schwarz leitet in diesen Jahr erstmals das Opernfestival im englischen Glyndebourne. In seinem Antrittsjahr präsentiert der Deutsche auch eine Neuinszenierung von Hector Berlioz' "Béatrice et Bénédict". Die allerdings ist etwas eintönig geraten. Auch, weil sich Regisseur Laurent Pelly ausschließlich für den Aspekt der gesellschaftlichen Konvention interessierte.

Von Kirsten Liese | 02.08.2016
    Ein roter Theatervorhang
    Sebastian Schwarz, der in naher Zukunft auch deutsche Regiegrößen wie Claus Guth oder Christof Loy nach Glyndebourne holen will, wäre gut beraten, weiterhin solche Talente zu fördern. (picture alliance / dpa - Marcus Brandt)
    Putzige Tiere mit bunten Körpern, buschigen Schwänzen und exotischem Kopfputz tummeln sich in einer malerischen Landschaft mit Baum und Wiese. Tom Pye zaubert mit seiner fantasievollen Ausstattung zu Janaceks "schlauem Füchslein" die Schönheit der Natur auf die Bühne, die in Glyndebourne allgegenwärtig ist, wo das Publikum in den Pausen traditionell mit riesigen Picknickkörben in den Park strömt und zwischen prächtigen Blumenrabatten, Seeufer und Schafsweide diniert.
    Dazu passt die lebendige, liebevolle Personenregie in Janaceks Oper, dank der sich die schlichte Fabel vom immer gleichen Kreislauf der Natur, in dem Mensch wie Tier Leben und Tod durchlaufen, anrührend vermittelt. Der Charme dieser Produktion aus dem Jahr 2012 begeistert auch den neuen Intendanten Sebastian Schwarz:
    "Das Füchslein ist mir ganz besonders ans Herz gewachsen. Es ist eine Inszenierung von der Choreografin Melly Still, ... , die in diesem Sommer neu überarbeitet wurde, die hat die Choreografie viel effizienter eingesetzt als die Inszenierung vorher war und ... man muss sie wirklich in der Jetztform sehen, auch mit Jakob Hrusa als Dirigent, der Musik einfach nachspürt und Leben einhaucht."
    Spröde Neuproduktion
    Deutlich spröder mutet die diesjährige Neuproduktion von "Béatrice und Bénedict" an, eine Rarität aus der Feder des in England sehr beliebten Franzosen Hector Berlioz. Nur 90 Minuten lang ist dieses Stück, das Shakespeares Komödie "Viel Lärm um Nichts" mit starken Kürzungen etwas simplifiziert. Einen ernstzunehmenden Konflikt gibt es nicht, alles dreht sich nur darum, dass der Held seine anfänglichen Bedenken gegen die Ehe überwindet. Nicht zuletzt angesichts längerer gesprochener Dialoge zählt auch Sebastian Schwarz dieses Werk zu den schwächeren von Berlioz:
    "Interessant finde ich, dass es die letzte Oper von Berlioz ist. Wenn man ihr so zuhört, könnte man fast meinen, es ist ein Erstlingswerk, wo er noch ausprobiert. Bei Verdi sind wir bei der letzten, beim Falstaff, auch bei einem komischen Werk gelandet, aber da spürt man die Weisheit hindurch. Und die Dialoge in der Oper sind immer schwierig, weil die wenigsten sie tatsächlich gut sprechen können."
    Das war in Glyndebourne nicht das Problem. Nur die Inszenierung wirkte etwas eintönig, interessierte sich Regisseur Laurent Pelly doch weniger für die Charaktere, als ausschließlich für den Aspekt der gesellschaftlichen Konvention. Will heißen: Wer sich auf die bürgerliche Ehe einlässt, befindet sich unweigerlich in einer Schublade. Ergo türmen sich unzählige meterhohe Boxen und Schachteln auf der Bühne, aus ihren Öffnungen lugen die Menschen, Solisten wie Chor, heraus. Bis sich am Ende auch die Außenseiter Béatrice und Bénedict zur Hochzeit in einem Karton einrichten, hat sich diese optische Idee jedoch längst abgenutzt.
    Britische Regisseure präsentierten sich von ihrer starken Seite
    Im internationalen Vergleich präsentiert sich Glyndebourne jedoch im Hinblick auf die Regiehandschriften weitaus attraktiver als beispielsweise Salzburg oder Bayreuth. Vor allem britische Regisseure präsentierten sich hier von starker Seite, sei es nun Melly Still mit dem "schlauen Füchslein", Richard Jones mit dem "Rosenkavalier" oder Michael Grandage mit seinem in diesem Sommer wieder aufgenommenen bezaubernden "Figaro".
    Sebastian Schwarz, der in naher Zukunft auch deutsche Regiegrößen wie Claus Guth oder Christof Loy nach Glyndebourne holen will, wäre gut beraten, weiterhin solche Talente zu fördern, die anderswo nicht allzu viel herumgereicht werden. Daneben gilt es die Luft anzuhalten, dass nicht im Zuge des Brexit Probleme erwachsen, die dem hohen Niveau des Festivals schaden könnten:
    Schwarz: "Wenn England jetzt auf einmal anfangen sollte, Arbeitsgenehmigungen und Visa von Europäern zu fordern, die hier arbeiten, dann haben wir das Problem, dass ich einen Robin Ticciati so kurzfristig nicht auf dem Niveau ersetzen kann wie ich es in diesem Jahr tun musste für "Meistersinger" und "Béatrice und Bénedict".