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Göhner: Korruptionsbekämpfung nicht "unnötig erschweren"

Der BDA-Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner warnt im Vorfeld des heutigen Datenschutzgipfels vor Neuregelungen, die die Korruptionsbekämpfung erschweren. Es gebe durchaus offene Fragen, so Göhner, die aber im Bundesdatenschutzgesetz für Arbeitsverhältnisse geklärt werden könnten.

Reinhard Göhner im Gespräch mit Silvia Engels | 16.02.2009
    Silvia Engels: In den vergangenen Jahren haben sich die Fälle gehäuft. Unternehmen, die heimlich Informationen über ihre Mitarbeiter sammelten, wurden bekannt – Telekom, Lidl oder die Deutsche Bahn. Heute treffen sich bei Innenminister Schäuble Ministerkollegen, Arbeitgeber, Gewerkschafter und Datenschützer, um darüber zu beraten, was eine Firma mit Mitarbeiterdaten tun darf und was nicht.
    Korruptionsschutz – schön und gut. Aber ab wann steht der Schutz der Arbeitnehmerdaten dem entgegen? Bei dem heutigen Spitzengespräch bei Bundesinnenminister Schäuble wird auch Reinhard Göhner dabei sein. Er ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände und nun am Telefon. Guten Morgen!

    Reinhard Göhner: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Wie ist das denn? Trauen die Firmen ihren Mitarbeitern nicht mehr?

    Göhner: Sie trauen ihren Mitarbeitern und die ganz überwiegende Zahl der Mitarbeiter verhalten sich auch völlig korrekt. Aber das Korruptionsbekämpfungsgesetz verpflichtet die Unternehmen zur Bekämpfung von Korruption und anderen Straftaten im eigenen Unternehmen, und es ist natürlich klar, dass zum Beispiel ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn mit jährlich Milliarden-Aufträgen und hundert Tausenden von Einzelaufträgen hier von Gesetzes wegen besonders gehalten ist, Vorsorge zu treffen, und deshalb sind die jetzt aufgerufenen Fragen auch wichtig und zum Teil klärungsbedürftig.

    Engels: Denken Sie denn, es war richtig, dass alle Mitarbeiterdaten bei der Bahn mit Zulieferern abgeglichen wurden? Da ging es ja in der Tat um Korruptionsbekämpfung.

    Göhner: Nein. Es war aus drei Gründen auch gesetzeswidrig, und zwar nicht nur nach Auffassung Außenstehender, sondern ja auch nach Auffassung des Vorstandes der Deutschen Bahn. Erstens, weil es unverhältnismäßig war, indem die Daten von Adresse und Kontoverbindung von allen Arbeitnehmern und Beamten, ehemaligen Beamten, mit denen der Lieferanten abgeglichen wurden, zweitens, weil die vorherige notwendige Zustimmung des Betriebsrates nicht eingeholt wurde, und drittens, weil der Datenschutzbeauftragte nicht beteiligt war. Herr Mehdorn hat sich für dieses Fehlverhalten entschuldigt. Der Vorgang zeigt gleichzeitig, der Datenabgleich, der zur Korruptionsbekämpfung grundsätzlich geboten ist, notwendig ist und auch gesetzlich legal ist, hat klare gesetzliche Regelungen, die allerdings in diesem Falle verletzt wurden, und deshalb finde ich es richtig, dass der Vorstand der Bahn, der ja übrigens selbst über diese Maßnahme seiner Revisionsabteilung nicht informiert worden ist, auch entsprechende Konsequenzen gezogen hat.

    Engels: Da müssen die Ergebnisse noch abgewartet werden. - Sie sprechen zwei Dinge an: zum einen den Datenschutzbeauftragten in einer Firma selber zu informieren und den Betriebsrat. Das ist hier nicht passiert. Aber brauchen wir speziell weitere Regelungen, um diese Missbrauchsfälle, die es ja nun gegeben hat, besser zu stoppen?

    Göhner: Darf ich zunächst sagen, diese Frage des Massenabgleichs ist geklärt. Die Ergebnisse liegen vor. Offen sind bei der Bahn andere Vorgänge, die ich auch nicht beurteilen kann, wo im Übrigen Datenschutzbeauftragter und Betriebsräte durchaus eingeschaltet waren.
    Im Hinblick auf die gesetzlichen Regelungen gibt es durchaus einige offene Fragen, die klärungsbedürftig sind und die im Bundesdatenschutzgesetz, das ja gilt, auch für das Arbeitsverhältnis geklärt werden können. Dazu gehört zum Beispiel, dass Personaldaten innerhalb eines Konzerns übertragen werden können, oder dass zum Beispiel bei der Ausübung der Personalverwaltung durch eines von mehreren Unternehmen einer Holding diese Dinge ermöglicht werden können. Dazu gehört die Frage, unter welchen Umständen innerhalb eines Unternehmens Daten in Drittstaaten transferiert werden können, aber innerhalb des eigenen Unternehmens. Der Schutz der persönlichen Daten der Arbeitnehmer ist für die Unternehmen selbst ein wichtiges Anliegen, genauso wie der Schutz der Unternehmensdaten. Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht jetzt durch etwaige gesetzliche Neuregelungen andere gesetzliche Pflichten wie zum Beispiel die Korruptionsbekämpfung unnötig erschweren.

    Engels: Aber wo wollen Sie denn diese neuen Grenzen setzen? Sie sagen, es gibt Nachbesserungsbedarf.

    Göhner: Die sind gezogen im Bundesdatenschutzgesetz, und da muss man auch nichts verändern. Es geht um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wenn das Arbeitsverhältnis und die Interessen aus dem Arbeitsverhältnis die Verwendung oder die Erhebung von Daten erfordern, ist dieses zulässig, wenn schutzwürdige Interessen der Arbeitnehmer nicht verletzt werden. Hätte die Bahn zum Beispiel statt ihrer Massenabfrage gezielt alle Arbeitnehmer, die mit Vergaben zu tun haben, verglichen mit Lieferantendaten und den Betriebsrat und den Datenschutzbeauftragten beteiligt, wie das Gesetz das vorsieht, dann wäre das nach dem vorhandenen Gesetz völlig unproblematisch möglich gewesen.

    Engels: Herr Göhner, Sie sind als Arbeitgebervertreter im regelmäßigen Gespräch mit Unternehmen. Haben diese Fälle jetzt schon Schaden ausgelöst? Anders gefragt: Wie motiviert ist ein Mitarbeiter noch, wenn er sich nicht sicher ist, dass möglicherweise auch seine Firma hinter seinem Rücken Informationen abgleicht?

    Göhner: Schaden ist bei diesen Fällen nach meiner Kenntnis bisher nicht entstanden. Schaden würde entstehen, wenn man auf solche Datenabgleiche verzichten würde, weil dann die Kriminalitätsbekämpfung erschwert würde. Aber der Schutz der Daten ist an sich ein wichtiges Gut, und wenn Sie die Massenabfrage bei der Bahn nehmen, dann war die unverhältnismäßig, aber es ist natürlich keinem der Arbeitnehmer auch nur irgendein Schaden entstanden. Es ging um eine Abfrage durch Datengeräte, die innerhalb weniger Stunden erledigt war. Dennoch: Es muss klar sein, dass die geltenden gesetzlichen Regelungen eingehalten werden.

    Engels: Schauen wir auf einen anderen Fall, nämlich die Deutsche Telekom. Da wurde ja bekannt, dass Telefondaten von den arbeitnehmernahen Aufsichtsratsmitgliedern überprüft wurden. Nun berichtet das Magazin "Der Spiegel", dass wo möglich auch Finanz- und Personalvorstand beobachtet wurden, also die Chefetage selbst. Hat das eine neue Dimension?

    Göhner: Man muss bei den Vorgängen trennen. Was die Telefonüberwachung angeht, war es ja nicht die Überwachung von Telefongesprächen, sondern die Ermittlung von Verbindungsdaten, also wann hat jemand aus dem Aufsichtsrat mit wem telefoniert. Ich finde das einen ungeheueren Vorgang, er ist wirklich bizarr, und deshalb ermittelt zurecht die Staatsanwaltschaft in dieser Sache und wird die Sache klären.

    Engels: Und was den Vorstand angeht?

    Göhner: Was die Vorgänge angeht, die am Wochenende bekannt geworden sind, handelte es sich nicht um Datenschutzfragen. Die haben mit Datenschutz nichts zu tun, sondern es geht um Indiskretionen aus der Zeitung, der "Bildzeitung" einerseits, und dem Vorstand des Unternehmens andererseits. Das ist auch bizarr und unter Umständen – ich kenne die Einzelheiten nicht – sogar strafbar und die Staatsanwaltschaft ist ja auch eingeschaltet worden schon vor einem Monat von dem Unternehmen. Das hat nun aber, obwohl möglicherweise ebenfalls rechtlich problematisch, mit Datenschutz gar nichts zu tun.

    Engels: Sie haben das Stichwort Medien genannt. Sowohl bei der Bahn als auch bei der Deutschen Telekom gab es auch ein Anliegen dieser Kontrolle der Mitarbeiter. Es ging offenbar darum, so genannte Informationslecks zu schließen. Warum ist es für Konzerne so wichtig herauszufinden, wer mit Medien spricht?

    Göhner: Bei der Bahn ist mir ein solcher Fall nicht bekannt. Da ging es ausschließlich um Korruptionsbekämpfung, um die Aufklärung von Betrug, Untreue oder Unterschlagung. Bei der Telekom – dieser bizarre Vorgang, von dem ich eben schon sprach – kann ich nicht nachvollziehen, wer tatsächlich solche Aufträge gegeben hat. Es ist die Rede davon, dass das in Absprache mit einem Vorstandsmitglied geschehen sei oder gar auf Veranlassung des Vorstandsvorsitzenden, aber das sind reine Spekulationen und Vermutungen. Ich kann mir so etwas nicht vorstellen. Angeblich ist der frühere Aufsichtsratsvorsitzende Herr Zumwinkel dabei beteiligt gewesen. Das klärt die Staatsanwaltschaft auf. Für so etwas gibt es keinerlei Grund, keinerlei Anlass und ich finde es schon besonders störend, dass gerade in den Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist, wie Bahn und Telekom, solche Vorkommnisse passiert sind.

    Engels: Aber schauen wir auf das grundsätzliche Spannungsverhältnis im Verhältnis zwischen Firmen und Medien. Inwieweit müssen einerseits Betriebsinterna geschützt werden, andererseits muss aber auch über Missstände in der eigenen Firma aufgeklärt werden?

    Göhner: Da sehe ich kein besonderes Problem im Verhältnis von Medien und Wirtschaft und Unternehmen. Natürlich gibt es Anspruch auf Vertraulichkeiten, die die Unternehmen einhalten müssen. Schutz von Unternehmensdaten ist eine gesetzliche Angelegenheit und die ist für die Unternehmen besonders wichtig. Aber wenn da jetzt jemand aus einem Unternehmensgremium heraus einem Journalisten was erzählt und aus einem Redaktionsgremium, hier der "Bildzeitung", ein Journalist jemandem was in einem Unternehmen erzählt, so mag dies von Bedeutung sein, aber es ist kein Grundsatzproblem für die deutsche Wirtschaft – in keiner Weise.

    Engels: Rechnen Sie künftig mit weiteren Datenskandalen bei Unternehmen?

    Göhner: Das kann ich nicht sagen. Ich glaube nicht, dass dies ein Problem ist, das wir in vielen Unternehmen haben. Korruptionsbekämpfung muss in allen Unternehmen möglich sein, aber das, was in diesen sehr großen Unternehmen passiert ist, das ist aus meiner Sicht passiert, weil Abteilungen eines Unternehmens – bei der Bahn die Revisionsabteilung, die ja gerade die Aufgabe hatte, Unkorrektheiten im Unternehmen zu ermitteln – selbständig und ohne Rücksprache mit dem Vorstand gehandelt haben, und ich finde es gut und vernünftig, dass die Bahn, dass Herr Mehdorn daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen hat.

    Engels: Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Er ist heute beim Spitzentreffen bei Minister Schäuble zum Datenschutz dabei. Vielen Dank für das Gespräch.

    Göhner: Bitte sehr, Frau Engels.