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Goethe-Institut
Von der Schwierigkeit des Dialogs

Der Dialog gilt im Konfliktfall als wichtigstes Mittel der Problemlösung. Wenn aber eine Seite das Gespräch verweigert, wie geht es dann weiter? Diese Fragen stellte das Goethe-Institut auf der Konferenz "Dialog und die Erfahrung des Anderen" einem illustren Kreis von Philosophen und Wissenschaftlern.

Von Cornelius Wüllenkemper | 25.02.2015
    Wer sich dem Dialog verweigert, der scheint sich in einer Auseinandersetzung selbst zu disqualifizieren. Dabei ist es erst wenige Tage her, dass sich eine deutsche Volkspartei tief darüber zerstritt, ob sie nun in einen Dialog mit den selbst ernannten europäischen Patrioten treten solle oder nicht. So einfach scheint es mit der Redebereitschaft um jeden Preis also nicht zu sein. "Dialog" – das Wort bedeutet ja nicht, dass da zwei Parteien miteinander sprechen, sondern nur, dass zwischen Menschen gesprochen wird. Bei Platon lernen wir, dass der Dialog ein Mittel zur Erkenntnis ist, und dass er keineswegs unter gleichberechtigten Partner ablaufen muss, sondern auch ein Prüfungsgespräch sein kann. Auf der Konferenz des Goethe Instituts ging es freilich um eine andere Auffassung: das gleichberechtigte Gespräch als Mittel der Außenpolitik, mit dem Ziel der Verständigung. Außenminister Frank-Walter Steinmeier betonte:
    "Dass der Weg von Dialog zu Verstehen und Verständigung existenziell für das Leben und manchmal auch für das Überleben von Gesellschaften sein kann. Und wenn das für Gesellschaften so ist, dann gilt das auch für das Miteinander in der Welt. Und deshalb ist der Dialog, oder wie ich immer sage, mindestens das Verstehen wollen Grundpfeiler in der Außenpolitik dafür, was Willy Brandt mal als Maßstab für auswärtige Politik und insbesondere auswärtige Kultur- und Bildungspolitik benannt hat: die Arbeit an der Weltvernunft."
    Grundkonsens für den zukünftigen Weltdialog
    Noch sei nicht klar, auf welchen Grundkonsens man einen zukünftigen Weltdialog aufbauen könne. Die Wahrnehmung des Anderen jenseits der bloßen Repräsentation deutscher Kultur und die Zusammenarbeit der Zivilgesellschaften nannte Steinmeier als Hauptelemente einer modernen auswärtigen Kulturpolitik. Dieser Art des Dialogs böten die weltweit 160 Außenstellen des Goethe Instituts den Raum. Wann aber entsteht ein Dialog unter Fremden, fragte Kultur-Staatsminister a. D. Julian Nida-Rümelin. Der Dialog sei erst einmal nur sprachliche Verständigung. Und zur Sprachfähigkeit brauche es evolutionär gesehen die Fähigkeit zur Empathie.
    "Die ist vermutlich in der Spezies verankert, jedenfalls zu Teilen. Es gibt eine menschliche Lebensform über alle Kulturen hinweg. Und dann gibt es Unterschiede zwischen den Kulturen, zwischen den Sprachgemeinschaften. Und wenn politische Prozesse erfolgreich sind, dann vor allem dadurch, dass sie diese verschiedenen kulturellen, sprachlichen, religiösen, regionalen Identitäten noch einmal überformen und eine eigene, zum Beispiel als Bürgerin oder Bürger schaffen, oder ein zivilgesellschaftliches Fundament einer globalen Gesellschaft entwickelt."
    Dialog setzt moralische Grundannahmen voraus
    Die Frage, ob und wo Grenzen der Dialogfähigkeit zu verorten sind, war mit Blick auf religiös begründeten, tatsächlich aber barbarischen Terror damit nicht beantwortet. Bernd Ladwig, Professor für politische Theorie an der Freien Universität Berlin, betonte, in demokratischen Gesellschaften stehe die Dialogbereitschaft für den Willen zum gemeinschaftlichen Erkenntnisgewinn und vor allem für die Anerkennung einer anderen Gruppe. Der Dialog setzte dabei gemeinsame moralische Grundannahmen voraus, wie etwa, dass durch bestimmtes Handeln kein anderer zu Schaden kommen dürfe.
    "Diskurse werden wichtig, wenn man jetzt bedenkt, dass diese Elementarschicht der Moral nie einfach so frei im Raum steht, sondern dass sie sich immer eingebettet findet in eine ganze Reihe von sehr allgemeinen Überzeugungen, dass sie eingebettet ist in Situationsdeutungen. Je mehr in diesen Hinsichten die Diskussionslage dunkel, oder diffus, oder komplex ist, sind reale Dialoge unabdingbar."
    Interkulturelle Dialoge sind demnach ebenso wichtig wie zerbrechlich: Der Dialog setzt dem modernen Politikverständnis nach voraus, dass das Gegenüber als gleichberechtigt anerkannt wird und man zudem moralische Grundannahmen miteinander teilt. Dann, und das war die gute Nachricht auf der Berliner Konferenz, lässt sich zwischen unterschiedlichen Interpretationen der Realität vermitteln, im besten Fall ein gemeinsamer Blickwinkel erarbeiten. Wer dialogbereit ist, nimmt den Anderen wahr, auch wenn es immer eine Realität und viele Wahrheiten gibt.