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Götterbote Merkur
100 Hartplastikgötter für Hamburg

Mit einem Kunstprojekt wollen Hamburger Kaufleute das Stadtbild beleben. 100 weiße und unbekleidete Merkur-Skulpturen haben sie in Auftrag gegeben. Unternehmen oder Privatleute können sie für 3.900 Euro pro Stück kaufen und individuell gestalten. Kritik kommt vor allem von freien Künstlern aus dem Hamburger Gängeviertel.

Von Rainer Link | 18.11.2014
    Die Sonne scheint in Stuttgart (Baden-Württemberg) hinter einer Merkur-Statue.
    Noch sind die geplanten 100 Skulpturen des Götterboten Merkurs für Hamburg noch nicht fertiggestellt. (picture-alliance / dpa/Sebastian Kahnert)
    Merkur war der römische Gott des Handels, des Reichtums und des Gewinns. Als Götterbote führte er die Seelen in die Unterwelt und war zuständig für List und Tücke. Insoweit versteht man ja, warum die hanseatischen Kaufleute sich gerade für die Ehrung dieses Gottes einsetzen. Ausgeheckt hat man den Plan der öffentlichen Huldigung des Kaufmanngottes in den Gremien der Handelskammer, sagt deren Sprecher Michael Konow.
    100 identische Merkur-Statuen
    "Wir möchten den Merkur in den öffentlichen Raum rücken, da liegt es natürlich nahe, dass wir auf interessierte Unternehmen abzielen, aber, das kann ich Ihnen sagen, es gibt auch schon viele interessierte Privatpersonen, die einen Hamburger Merkur erwerben wollen."
    Ein Berliner Künstler wird 100 exakt identische Kunststoff-Merkur-Statuen in Serie fertigen und dann sollen Hamburger Unternehmen oder Privatleute für 3.900 Euro zuschlagen und ihre Merkur-Kopie auf Straßen, Plätzen oder Firmenfoyers zur Schau stellen. Kunst im öffentlichen Raum. Ein erstes Muster des schneeweißen, unbekleideten Hartplastikgottes ist bereits im Hamburger Wassermuseum zu besichtigen:
    "Und das ist der, den wir hier vor uns sehen, beziehungsweise seinen blanken Hintern momentan vor uns sehen. Merkur ist der Gott des Handels und des Verkehrs und der Gott der Diebe. Man erkennt ihn mit seinen Flügeln und er hält auch das Schiff in der Hand als Symbol für Hamburg als Hafenstadt.
    Käufer kann Götterboten persönlich gestalten
    Die Merkur-Statue wirkt nicht nur auf den ersten Blick wie eine überdimensionierte Playmobil-Figur. Sie reckt ihren rechten Zeigefinger steil in den Himmel, in der linken Hand hält die Kunstfigur ein Segelschiff. Und dann ist Merkur noch splitternackt, der Corpus besticht durch die Oberflächenoptik weißen Kunststoffes.
    "Und das ist auch genau die Absicht, weil jeder, der einen Merkur erwirbt, soll ihn auch ganz persönlich gestalten können also das obliegt demjenigen, der den Hamburger Merkur erwirbt, also, da machen wir natürlich gar keine Vorgaben."
    Wie kann man dieses Hartplastikelement mit Farbkompositionen und Motiven versehen, die dem hehren Zweck der Huldigung des Kaufmannspaten gerecht werden? In Hamburgs Künstlerkolonie dem Gängeviertel, stößt diese Frage auf Befremden. Denn zwischen freier Kunstszene und den Herren über die Kontorhäuser besteht ein spannungsgeladenes Verhältnis. Und so fallen dann auch die Farbvorschläge für Merkur recht provokativ aus. Eine Umfrage unter den Künstlern des Gängeviertels:
    "Ich würd´s wahrscheinlich mit Farbe übergießen beziehungsweise mit Sprühdosen bearbeiten und dann die Farbe runter laufen lassen. Damit das ein bisschen ein peppigeres Aussehen kriegt."
    "Ich würd da relativ radikal provokativ ran gehen. Entweder von oben bis unten mit Deutschlandfarben zu bemalen. Oder es mit Benzin überschütten und anzünden, ich denke, auch das ist eine gute Technik damit umzugehen. "
    "Also, dieser Hut, den er auf hat, der sieht so aus wie ein Stahlhelm. Das würde ich dann einfach unterstreichen."
    Einhundert bunte Plastik-Merkurfiguren aus Massenskulpturfertigung zwingen der Hamburger City das Image von Lego-Land oder Disney Land auf, lautet die Befürchtung.
    "Ich würde mich tatsächlich mehr freuen, wenn die Handelskammer das ein bisschen hochwertiger gestalten würde und zum Beispiel Bronzefiguren nehmen würde. Das könnte ich mir in Hamburg auch sehr gut vorstellen. "
    Bronze hin, Hartplastik her? Hier gilt die alte Kaufmannsregel: Wer zahlt, bestimmt.
    Lokale Künstler sagen Nein zum Kommerz
    Im Gängeviertel sind indessen Dutzende Künstler damit beschäftigt, sich ihren eigenen Ausdrucksstil zu erarbeiten. In den Ateliers wird experimentiert und verworfen, diskutiert und neu versucht. Nur eins ist als unumstößlicher Imperativ in die Atelierwände gemeißelt: Nein zum Kommerz, denn Kommerz bringt zwar Geld, aber behindert die Produktion von Kunst. Unter den Künstlern des Gängeviertels waren trotz intensiver Befragung positive oder zumindest wohlwollende Stellungnahmen zum Merkurprojekt nicht zu erhalten:
    "Das ist nichts anderes als zu versuchen, wieder mal etwas mit so Kunst zu kaschieren, was eigentlich nichts damit zu tun hat. Hier geht es um Wirtschaft und das ist eine Art Brand für Hamburg, also nichts anderes als Stadtmarketing."
    "In dem Kontext finde ich es völlig übertrieben, dass das 100 sind und zweitens nicht so gut, wenn sie direkt mit Firmen in Verbindung gebracht werden."
    Der Merkur-Erlös geht an "Future-Entrepreneur"
    "Lösen bei mir jetzt spontan Lachen aus, soweit ich das auf dem Bild beurteilen kann, sind sie nicht gerade Ausgeburten der Schönheit."
    Jenseits der Frage, ist das Merkur-Projekt gelungen oder nicht, verweisen die Kaufleute auf den gemeinnützigen Charakter des Projekts. Denn ein Teil der Verkaufserlöse der Merkur-Skulpturen wird für derhin die Karriere junger Leute fördern.
    "Die Spende, die wird an das Jugendprojekt 'Future Entrepreneur' gehen, das Jugendprojekt unterstützt Jugendliche aus sozial schwachen Milieus und diese Jugendlichen sollen an das Unternehmertum herangeführt werden."
    Auf das sie mit Merkurs Hilfe zu Vorzeige-Unternehmern reifen.