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Goodbye Platte, hallo Festplatte

Die Stones werden 50, DJ-Legende Grandmaster Flash ist sogar schon 54 Jahre alt. Der Großmeister und viele seiner jüngeren Kollegen lassen inzwischen die schweren Plattenkoffer zu Hause. Ihre Sets kommen heute vom Laptop, und das nicht nur aus Faulheit: Sie nutzen auch die flexibleren Mix-Möglichkeiten der Festplattenspieler.

Von Christine Kewitz | 12.07.2012
    Jakob Hägelsperger alias DJ Kalipo verzichtet sogar auf die Kopfhörer.

    "Ich habe selber jahrelang mit Vinylplatten aufgelegt und mache das immer noch gerne, und es ist ganz klar, dass meines Erachtens Vinyl geiler klingt als MP3 oder auch Wav. Aber irgendwie ist das auch vergleichbar mit Situationen wie zum Beispiel, als der Gitarrenverstärker rauskam und die ersten Leute elektrische Gitarre gespielt haben. Da haben auch alle gesagt, das geht gar nicht, das ist keine Musik und das ist total scheiße, und ich denke, man sollte halt aufgeschlossen neuer Technik sein."

    So sieht das auch der mittlerweile 54-jährige Grandmaster Flash. Er wird gemeinhin als der Pionier des DJing gehandelt.

    "Als Erstes bin ich Wissenschaftler und dann bin ich DJ und Produzent. Immer wenn neue Techniken aufkommen, halte ich das für etwas Gutes. Ich selbst benutze Vinyl und meinen Laptop mit Traktor Scratch."

    Das Auflegen mit Vinyl ist auch einfach eine Kostenfrage. Ein Album, auf dem vielleicht nur ein Song interessant ist, ist wesentlich teurer, als einzelne MP3s, die man sich beim Downloadportal Beatport, dem digitalen Plattenladen besorgt.

    Grandmaster Flash entfernte Anfang der 80er die Labels von den Platten, damit er der Einzige war, der die neuen Songs hatte und spielen konnte. Heute ist es schwieriger, sich durch exklusive Tracks abzuheben. Jan Simon Spielberger aka DJ Shir Khan:

    "Als etwas bekannterer DJ muss man sich schon absetzen. Also entweder man spielt seine eigenen Produktionen oder man hat ein eigenes Label wie ich, wo man dann die Sachen spielen kann, die die Leute nicht kennen. Man sieht dann ja auch immer die Handys hochgehen im Club und dann haben sie ihr Programm Shazam drauf und dann wissen sie genau: Ah, das ist der Track. Aber wenn Shazam, das Programm, den Track nicht erkennt, dann denken sie: Oh, okay, was ist das? Dann nehmen sie das direkt auf Video auf, stellen das bei YouTube rein und wollen halt wissen: Track ID - was ist das?"

    Der DJ wird zu einem Konglomerat verschiedener Fähigkeiten, wenn er nicht als Dienstleister im Club mit Nebenjob im Getränkeladen enden möchte. Musik auflegen allein reicht zum Überleben nicht mehr. Er muss eigene Tracks produzieren, Remixe machen oder Songs neu arrangieren, um interessant zu bleiben. Am leichtesten geht das natürlich mit dem Laptop, mit dem man sogar live acht Songs parallel ineinander mixen kann. Auch Schüchternheit hat ausgedient. Zum Erfolg gehört ein gehöriges Maß an Selbstdarstellung, siehe David Guetta. Der französische Star-DJ präsentiert sich nur zu gern auf Fotos und in Musikvideos. Genau richtig, meint auch Shir Khan:

    "Man braucht auch ein gutes Image und muss auch auf den ganzen Social Networks vertreten sein. Also Image ist so, ich würde schon fast sagen, 70 Prozent der Miete und 30 Prozent sind die Musik. Aber die muss dann halt auch stimmen, und das gehört dann auch dazu, aber es ist leider durch diese Social Networks so, dass so das Image leider noch viel wertvoller ist, als die Musik an sich."

    Privat haben die meisten DJs trotzdem noch einen Lieblingsplattenladen und kaufen Vinyl. Doch das genießen sie dann wie einen guten Wein in ihrem eigenen Wohnzimmer. Das Geschäft da draußen hat damit immer weniger zu tun.


    Links zum Thema

    Das Label von DJ Shir Khan heißt Exploited

    DJ Kalipo und seine Band Frittenbude sind über das Label Audiolith zu erreichen.

    Grandmaster Flash