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Google-Aufspaltung
"EU-Behörden sind technisch überfordert"

Das EU-Parlament möchte die Suchmaschine von Google vom Rest des Konzerns abtrennen - zu einflussreich ist den Abgeordneten die Suchmaschine. Die Abtrennung müsste jedoch nicht nur rechtlich, sondern auch technisch vollzogen werden - eine komplexe Angelegenheit, die die EU derzeit überfordern würde, meint unser Experte Peter Welchering.

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber | 29.11.2014
    Mehrere Webseiten der Internet-Suchmaschine Google
    Die anderen Dienste von Google sind stark auf die Daten der Suchmaschine angewiesen. (dpa / picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
    Manfred Kloiber: Das Europäische Parlament möchte den IT-Konzern Google gern entflechten. Zumindest den Geschäftsbereich Suchmaschine hätten die Straßburger Parlamentarier schon ganz gern vom Rest des Google-Konzerns abgetrennt. Das will natürlich Google verhindern und setzt schon mal ein Bataillon amerikanischer Wirtschaftspolitiker in Marsch. Und auch der neue Digital-Kommissar der EU, Günther Oettinger, ist Google schon zu Hilfe geeilt. Wie wahrscheinlich ist denn eine Zerschlagung des Google-Konzerns, Peter Welchering?
    Peter Welchering: Kurzfristig passiert da nichts. Auch das EU-Parlament hat ja nur eine Empfehlung abgegeben. Langfristig gesehen könnte es zu einer ähnlichen Entwicklung wie im Falle des Browsers Internet Explorer von Microsoft kommen. Das war ja das Ergebnis nach jahrelangem Rechtsstreit, dass der Microsoft-eigene Browser vom Betriebssystem Windows entflochten werden muss. Zumindest könnte es langfristig zu einer Ausgliederung der Suchmaschinen-Aktivitäten aus dem Google-Konzern kommen. Wie durchlässig oder undurchlässig dann aber die Mauer zwischen Suchmaschinen-Gesellschaft und dem übrigen Konzern ist, das ist eine zweite Frage, und die kann heute noch gar nicht beantwortet werden.
    Kloiber: Videodienst, Mail-Provider, Haushaltstechnik, digitale Bibliothek, Services für Android-Smartphones, selbstfahrendes Auto, Lifestyle-Produkte wie Google Glass - wie stark sind die denn auf die Suchmaschine und die dort eingesetzten Technologien angewiesen?
    "Suchmaschinen sind Big-Data-Maschinen"
    Welchering: Stark bis sehr stark. Da geht es vor allen Dingen um die Profilbildung von Daten und die entsprechenden Analysetechniken. Wenn ich mit Google Glas unterwegs bin und ein Foto von einem anderen Passanten mache, liegt der von Google propagierte Mehrwert ja darin, dass ich diesen anderen Passanten suchen lassen kann, erfahre, wer er ist und was er so treibt. Da gibt es also eine direkte technische Abhängigkeit. Und die kann eigentlich für alle Geschäftsbereiche Googles durchdekliniert werden.
    Kloiber: Dann machen wir das doch mal für das smarte Heim. Da sieht Google ja große Entwicklungsmöglichkeiten. Wozu braucht dieser Geschäftsbereich die Suchmaschine?
    Welchering: Um dem Anwender Vorschläge zu machen, wann die Heizung hochgefahren werden soll, wann die Kaffeemaschine vorgewärmt wird, wann die Klimaanlage welche Einstellungen haben soll. Dafür muss ein Profil der Bewohner erstellt werden. Für so eine Profilbildung braucht man Daten, eine Analysetechnik, mit der relevantes Verhalten erkannt werden kann, eine Prognosetechnik, mit der wahrscheinliches Verhalten berechnet wird und eine Fehlerrechnung, die die Plausibilität der Prognose berechnet. Das ist wesentlicher Bestandteil der Suchmaschinen-Technologie. Denn Suchmaschinen sind Big-Data-Maschinen.
    Suchmaschine ist Einstieg für die meisten Kunden
    Kloiber: Können diese entwickelten Big-Data-Technologie denn nicht einfach direkt von den anderen Geschäftsbereichen als eigenständige Technologien übernommen werden? Dann würde so eine Entflechtung ja nicht sehr weitgehende Konsequenzen haben.
    Welchering: Die Analysetechniken, die Prognosetechniken, so wie sie entwickelte sind, die können natürlich abgelöst von der Suchmaschine eingesetzt werden. Aber die sind natürlich nur dann richtig gut, wenn sie möglichst große, umfassende Datenmengen analysieren können. Und da ist die Suchmaschine immer noch der umfassendste Datenlieferant. Außerdem kommt hinzu, dass die meisten Google-Kunden über die Nutzung der Suchmaschine Google-Kunden geworden sind.
    Kloiber: Die Entflechtung ist ja im EU-Parlament aus wettbewerbsrechtlichen und aus Datenschutzgründen diskutiert worden. Kann denn so ein doppeltes Monopol, größter Datensammler und größte Suchmaschine, überhaupt aufgebrochen werden?
    Welchering: Das hängt davon ab, wie das technisch umgesetzt wird. Und da gibt es ja in der Politik noch nicht mal ansatzweise Modelle. Auf jeden Fall reicht dann einfach nur eine gesellschaftsrechtliche Heraustrennung nicht aus. In einem solchen Fall muss auch genau geregelt werden, welche Daten etwa die Suchmaschine an welche anderen Google-Gesellschaften weitergeben darf, welche Analyse- und Prognosetechniken auf Grund welcher Datenbasis weiter entwickelte werden dürfen. Also, das ist eine äußerst komplexe Angelegenheit. Da sind im Moment die EU-Behörden in technischer Hinsicht völlig überfordert.