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"Google hat hier tatsächlich zu kämpfen"

Internet.- In dieser Woche ist das Soziale Netzwerk Google+ gestartet. Was es alles kann, wie sicher es ist und ob Facebook nun einpacken darf, erläutert Wissenschaftsjournalist Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber.

02.07.2011
    Manfred Kloiber: Schon einmal hat Google es versucht: Mit Buzz allerdings konnte der Suchmaschinen-Gigant gegen das stetig wachsende Soziale Netzwerk Facebook keinen Blumentopf gewinnen. Doch nun bläst Google zum Generalangriff auf Facebook. In dieser Woche wurde Google+ im hauseigenen Blog vorgestellt. Gleichzeitig sind Einladungen an Testnutzer verschickt worden. Wie sieht denn das Soziale Netzwerk von Google aus, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Naja, es ist keine einheitliche soziale Netzwerkplattform aus einem Guss, sondern das sind vielmehr verschiedene soziale Netzwerkdienste, die Google da unter dieser, sagen wir mal virtuellen Medienmarke Google+ anbietet und hier demnächst auch ganz breit betreiben will. Insofern bleibt Google der hauseigenen Strategie eigentlich treu. Denn das haben Sie ja auch schon bei Buzz damals gemacht, dass Buzz aus verschiedenen Netzwerkdiensten bestand. Außerdem können die neuen Dienste, die jetzt bei Google+ angeboten werden, wie +Circles beispielsweise zur Verwaltung der Freundes- und Bekanntenkreise oder +Huddle für den Textchat oder +Hangouts für den Videochat, in die alte bestehende Google-Dienstelandschaft vollkommen integriert werden. Das ist natürlich für den Nutzer ein Plus.

    Kloiber: Wie viele dieser Plus-Dienste hat Google denn in die Testphase mit reingenommen?

    Welchering: Also in die Testphase sollen alle demnächst dann auch regulär angebotenen Dienste hereingenommen sein. Allerdings sagt Google, wir werden die ersten Programmierschnittstellen freischalten. Und insofern wird es natürlich demnächst von unabhängigen Programmieren noch weitere Angebote-Dienste geben. Circles, das Kernstück, soll eben die Kontakte, das soll die Freunde, das soll die ganzen Bekannten organisieren und den eigentlichen, ich sage mal Sozialen-Netzwerk-Kern bilden. Und der Input für Circles kommt von Sparks Nachrichten-Aggregator oder –austauschdienst. Und der Austausch über diese Nachrichten, über Inhalte, die über Sparks dann eben transportiert werden, soll dann als Text-Chat beispielsweise über Huddle laufen - übrigens: Eine schwäbische Testnutzerin aus Stuttgart hat mir heute Vormittag erklärt, das Ganze heiße eigentlich "Huddele" und nicht Huddle – das ist eine sehr schöne regionale Abwandlung, denke ich – oder eben über Hangouts als Videochat. Und für Circles soll es dann auch die ersten Programmierschnittstellen schon in wenigen Wochen geben, so wurde im Blog angekündigt. Auch eine Betreuung von Entwicklern, die dann eben rund um Google+ APIs, also Schnittstellen, Zusatzanwendungen entwickeln können sollen.

    Kloiber: Ganz wichtig ist ja, wie solche Dienste in der Szene ankommen. Gibt es schon Einschätzungen, wie die neuen Sozialen-Netzwerk-Dienste von Google angenommen werden?

    Welchering: Ja, Google hat hier tatsächlich zu kämpfen mit einer Altlast. Und diese Altlast heißt Buzz. Die ist ja im Februar 2010 an den Start gegangen. Das heißt, so richtig an den Start kam sie nie. Sie ist über das Pilotprojekt gar nicht so richtig rausgekommen. Und die Fehler von Buzz sollen hier zumindest nicht wiederholt werden. Und Fehler Nummer Eins war sicherlich: Buzz war direkt in den Maildienst integriert. Das macht Google nun anders. Circles macht zwar vom Adressbuch gebrauch, aber es wird keine Integration in den Maildienst geben. Und im Augenblick ist natürlich die Nachfrage, wie bei allem Neuen, riesig. Aber es gibt auch schon eine ganze Masse an Kritik – vor allem an unzureichenden Kapazitäten. Und da wird gesagt, da muss Google durchaus noch nachbessern. Ob es Google dann wirklich gelingt, dieses schlechte Image von Buzz abzustreifen, diese Altlast loszuwerden, wird noch von vielen sehr kritisch beurteilt.

    Kloiber: Auch eine neumodische Methode, solche Dienste nur auf Einladung testen zu lassen. Auch bei diesem Google-Dienst kann man nur auf Einladung testen. Wie viele Tester hat denn Google einbezogen?

    Welchering: Da gibt es keine Angaben von Google. Es sollen einige zehntausend sein in Deutschland. Aber die Einladungen, die an verschiedene Interessierte dann ergangen ist, kann durch einen kleinen Trick bei der Anmeldung umgangen werden. Und da gab es einige Verbreitungen über Twitter. Vor allen Dingen am Donnerstag ist das ein relativ breit angelegtes Thema bei Twitter gewesen, dass man eben auch ohne die Anmeldung bei Google+ hereinkommt.

    Kloiber: Bei Buzz war es ja problematisch, der Dienst kam nicht so richtig aus den Puschen. Wie sieht es jetzt bei dem neuen Dienst aus? Wird Google+ Facebook ernsthaft Konkurrenz machen?

    Welchering: Also Facebook und auch Microsoft mit Bing, die ja mit Facebook eine Kooperation haben, sehen das sehr kritisch. Die berühmten Marktanalysten sagen: Ja, das könnte tatsächlich gelingen. Allerdings: Bisher war Google eben in diesem gesamten Sozialen-Netzwerk-Bereich nicht sehr erfolgreich. Buzz lief nicht so richtig. Orkut, das bisherige soziale Netz, das Google angeboten hat, läuft eigentlich nur in Südamerika so richtig. Also Google+ wird sicherlich einige Nutzer hinzugewinnen. Aber entscheidend dürfte dabei sein: Wie wird denn ganz konkret die Einbindung in die bisherigen Google-Dienste sein und wie geht Google hierbei dann mit der Datenschutz-Problematik um? Denn das ist die heftige Altlast, die von Buzz übernommen wurde. Und das ist gesondert problematisch, weil Google ja auch die soziale Suche damit verknüpfen will. Die ist 2009 eingeführt worden. Und die wurde eben heftig kritisiert, weil hier über das eigene Profil des Sozialen Netzwerkes dann die Suchanfragen, die Suchmaschinenergebnisse optimiert werden sollten – und das wollen die Nutzer eben nicht.

    Kloiber: Peter Welchering über Google+. Vielen Dank.