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"Google macht, was es will"

Die Google-Macher stellen in Berlin die deutsche Version von Google Street View vor. Der Google-Spezialist Gerald Reischl weist auf die mögliche Verletzung der Privatsphäre durch den Internet-Dienst hin.

Gerald Reischl im Gespräch mit Jochen Spengler | 23.02.2010
    Jochen Spengler: Google ist nicht nur die Weltmarkt beherrschende Internetsuchmaschine; Google ist ein Gigant, die wertvollste Marke der Welt, Google bietet Handys, einen Bilder-, einen Video-, einen E-Mail-Dienst, nun auch noch Google Buzz, ein neues soziales Netzwerk, und mit Google Maps und Google Earth gibt es Programme, mit denen man sich den kleinsten Winkel der Erde von oben anschauen kann. Heute stellen die Google-Macher in Berlin ihren neuen Internet-Dienst vor, Google Street View. Damit soll man die Welt nicht nur von oben betrachten können, sondern man kann per Internet durch die Straßen fahren, Häuser und Geschäfte betrachten, also anschauen, wie es aussieht, wohin man in Urlaub reisen will oder wo man wohnen möchte. Am Telefon ist der Google-Spezialist, der österreichische Journalist und Autor Gerald Reischl, der das Buch "Die Google-Falle" geschrieben hat. Herr Reischl, Millionen Menschen googeln mit Leidenschaft, nutzen Programme wie Google Maps oder Google Mail. Wo soll da die Falle sein?

    Gerald Reischl: Na ja, ich muss zugeben, auch ich habe Google Maps genutzt, wie ich in San Francisco war, mir eine Wohnung gesucht habe, um dort das Buch zu schreiben, das Google-Buch. Das Problem dieser Geschichte ist Folgendes, und da richte ich mich wirklich an den deutschen Bundesdatenschützer Schaar, der auch sagt, das Geodaten nur nach vorheriger Einwilligung mit den Betroffenen genutzt werden dürfen. Das Problem bei Street View ist nämlich, dass das eine virtuelle Abbildung der Realität ist, und plötzlich sieht man in Vogelperspektive beziehungsweise auch, indem ich durch die Straßen gehe, virtuell, wie Häuser aussehen. Natürlich sind Kennzeichen von Autos und Gesichter unkenntlich gemacht, aber die Häuser erkennt man, und da ist natürlich schon die Gefahr gegeben, dass jetzt diese Informationen aus Google Maps und diese Street-View-Informationen mit den Adressen-Datenbanken verknüpft werden, und das kann natürlich heikle Auswirkungen haben.

    Spengler: Was für heikle Auswirkungen?

    Reischl: Zum Beispiel, dass ich belagert werde oder dass ich plötzlich Schreiben bekomme von Unternehmen, die mein Haus renovieren wollen, weil sie auf Google Street View sehen, dass bei meinem Haus die Fassade eine Erneuerung braucht. Oder auch Kleinkriminelle oder Kriminelle könnten Street View nutzen, denn immerhin weiß ich aufgrund des Durchmarschierens durch die Straßen, welches Haus schaut schön aus, hat eine schöne Fassade, steht ein großes Auto davor. Dann habe ich vielleicht noch die Vogelperspektive mit dem Satellitenbild, wo ich zum Beispiel sehe, in dieser Villa gibt es noch einen Swimmingpool und ein Gartenhaus und, und, und. Also ganz ist das nicht so unheikel zu sehen.

    Spengler: Aber zum Teil können das, ich sage mal, Leute, die einbrechen wollen, doch auch heute schon machen. Die können selbst durch die Straßen gehen und gucken, wo sieht es gut aus.

    Reischl: Das stimmt schon. Es ist alles schon möglich gewesen. Ich bin auch früher in die Bibliothek gegangen und habe mir die Informationen gesammelt. Jetzt geht es auf Knopfdruck von zu Hause aus vor dem Computer, und das ist der springende Punkt: Ich muss nicht in eine ferne Stadt reisen, in ein fernes Dorf reisen, um zu spionieren, das kann ich alles gemütlich vom Computer aus machen. Das ist schon etwas, was man bedenken sollte, und dem sollte man sich bewusst sein. Ich sage nicht und ich verteufele nicht den kompletten Dienst, nur muss man, um die positiven Seiten des Dienstes nutzen zu können, auch die negativen kennen.

    Spengler: Wie kann sich denn die Politik gegen Street View wehren?

    Reischl: Eigentlich gar nicht. Na ja, teilweise. Es gab ja diesen Aufruhr. In Europa gibt es Gott sei Dank ein anderes Datenschutzbewusstsein als in Amerika. In Europa hat es sogleich einen Aufstand gegeben, wie es geheißen hat, die Autos fahren durch die Straßen, und dann hat sich ja Google verpflichtet, keine Gesichter, keine Kennzeichen von den Autos. Das ist schon mal ein wichtiger Schritt. Noch wichtiger wäre gewesen, dass man auch die Betroffenen fragt, ist euch das recht, dass wir das eigentlich verwenden.

    Spengler: Aber das wird nicht passieren?

    Reischl: Das wird sicher nicht passieren. Google hat ja eigene Gesetze. Google macht, was es will. Sie erinnern sich sicher an die Geschichte, dass auch Privatstraßen mehr oder weniger befahren worden sind, wo eindeutig ein "Einfahrt verboten"-Zeichen davorgestanden ist, und Google ist trotzdem hineingefahren, weil sie gesagt haben, okay, das ist eine Straße, die können wir gut brauchen für unseren Street-View-Service.

    Spengler: Der österreichische Journalist und Autor Gerald Reischl über die Macht von Google. Danke schön!

    Reischl: Danke auch.