Freitag, 29. März 2024

Archiv


Google wächst weiter

Google hat im vergangenen Jahr einen Gewinn von mehr als 4,6 Milliarden Euro gemacht. Es habe sich gezeigt, dass das Unternehmen "mit der Suchmaschinenwerbung sehr gut durch die härtere Zeit" kommt, sagte Kay Oberbeck, Unternehmenssprecher von Google in Deutschland.

Kay Oberbeck im Gespräch mit Christoph Heinemann | 22.01.2010
    Christoph Heinemann: Google hat die Quartalszahlen vorgelegt. Unterm Strich verdiente der Suchmaschinenbetreiber 1,97 Milliarden Dollar - verdiente. Der Umsatz stieg um 17 Prozent auf 6,67 Milliarden Dollar. Das klingt gut, für die Börse allerdings nicht gut genug. Deshalb hat der Kurs ein wenig nachgegeben.

    Als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte, galt Google als Geheimtipp. Inzwischen hat es das Unternehmen auf die Titelseite des "Spiegels" geschafft und man kann mit dem Firmennamen werben und ihre Partizipien bilden.

    Am Telefon ist jetzt Kay Oberbeck, Mitglied der Geschäftsführung und Unternehmenssprecher von Google Deutschland, Österreich und der Schweiz, und dieser Zuständigkeitsbereich erfordert eine erweiterte Begrüßung. Sagen wir also: guten Morgen, Servus und Grüezi!

    Kay Oberbeck: Schönen guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Oberbeck, haben Sie heute Morgen schon gegoogelt?

    Oberbeck: Ja, habe ich schon! Natürlich das, worauf Sie gerade angespielt hatten, nämlich unsere Geschäftszahlen, wie die aufgenommen worden sind. Darüber gibt es natürlich eine Reihe von Nachrichten darüber und die wollte ich mir natürlich anschauen.

    Heinemann: Und Ihr Kommentar dazu?

    Oberbeck: Es hat sich gezeigt, dass das vierte Quartal für uns auch sehr, sehr erfolgreich gelaufen ist und dass wir sozusagen auch bewiesen haben, dass wir auch entgegen widrigen wirtschaftlichen Zeiten auch mit der Suchmaschinenwerbung, sprich mit der Werbung auf Suchmaschinen, sehr, sehr gut durch die härtere Zeit kommen. Noch dazu sieht man, dass es jetzt auch Zeichen der Erholung gibt, gegen den wirtschaftlichen Down Turn sozusagen, und insofern sehen wir da sehr, sehr positiv auch der nächsten Zeit entgegen.

    Heinemann: Herr Oberbeck, hat man es geschafft als Unternehmen, wenn man mit dem Firmennamen Verben bilden kann, googeln, gegoogelt?

    Oberbeck: Es ist eine Sache, ob man das jetzt geschafft hat. Letzten Endes haben wir uns es zum Ziel gesetzt, dass wir möglichst viele Informationen, die es auf der Welt gibt, auch über das Internet verfügbar machen wollen. Und wenn man das vielleicht einmal von der Suchmaschinentechnologie alleine sieht: Uns selber, also Google selbst, gibt es ja erst seit elf Jahren.

    Wenn man mal die Technologie für Suchmaschinen vergleichen mag mit einem Buch, was vielleicht 300 Kapitel hat, dann wären wir vielleicht gerade mal am Ende von Kapitel drei angelangt, was die technischen Möglichkeiten anbelangt beziehungsweise was auch die Relevanz von Suchergebnissen hat. Da sind wir noch lange nicht da angelangt, wo wir eigentlich hin wollen.

    Heinemann: Und deshalb fragen viele besorgt, wo soll das enden. "Der Konzern, der mehr über sie weiß, als sie selbst", so titelte der "Spiegel" jüngst über Google. Ist das Googles Ziel?

    Oberbeck: Das Ziel ist nicht, dass wir mehr über den Nutzer wissen, als was er selber will. Wenn das auf den Titel vom "Spiegel" gebracht wird, die wollen natürlich auch Hefte verkaufen. Was unser Ziel ist, dass man über Google, sei es jetzt über das Internet am heimischen PC oder am Berufstisch oder auch über mobile Endgeräte, immer das relevante Ergebnis findet, was man für sich sucht. Das ist ein hehres Ziel und das ist sicherlich auch ein Ziel, was in weiter, weiter Ferne liegt.

    Aber wir glauben sehr, sehr stark daran, dass es ein sehr, sehr großer Beitrag auch für die Informationsgesellschaft ist, Informationen zugänglich zu machen. Und denken Sie nur mal über den Tellerrand hinaus, vielleicht über Deutschland hinaus, was es bedeutet für Menschen, die zum Beispiel in Afrika sind und die dort über mobile Endgeräte jetzt die Möglichkeit haben, an Informationen heranzukommen, die sie vorher niemals erahnt hatten, oder denken Sie an solche Länder wie den Irak oder andere Länder, wo Informationen ein sehr, sehr knappes Gut sozusagen waren.

    Heinemann: Beinhaltet aber auch Risiken! Das Internet ist ja das eine. Google möchte jetzt auch mit dem internetfähigen Handy Nexus One auf den Markt. Mit diesem Telefon kann man auch fotografieren und man könnte die fotografierte Person gleich auch identifizieren. Strebt Google das an?

    Oberbeck: Nein. Dieser Aussage trete ich klar entgegen. Ich glaube, Spekulationen helfen hier auch nicht. Man kann zum Beispiel nicht Gesichter damit in irgendeiner Weise erkennen und abgleichen mit anderen Daten. Wir haben sehr, sehr klar gemacht, dass wir gerade das nicht machen wollen.

    Heinemann: Noch nicht, oder nicht?

    Oberbeck: Nein, Herr Heinemann, dass wir das nicht machen wollen, weil eben gerade der Schutz der Privatsphäre und der Schutz der Daten und der Informationen, die die Nutzer uns übermitteln, das höchste Gut ist, was wir haben, und wir würden nichts machen dahin gehend, um das zu kompromittieren.

    Wir haben ganz klar gemacht, dass diese Gesichtererkennung nicht möglich ist, mit dieser Funktion "Google googelt" - so heißt die -, und daran bleiben wir auch. Da gibt es auch nichts daran zu spekulieren, was würde passieren wenn. Da wäre es, glaube ich, besser, wenn man sich tatsächlich an die Fakten hält.

    Heinemann: Schutz der Privatsphäre sei ein hohes Gut, haben Sie gesagt. Sind diejenigen Personen, die bei dem Street-View-Projekt, also beim Abfotografieren von Straßen, mit erfasst wurden, vorher gefragt worden?

    Oberbeck: Sehr, sehr guter Punkt, dass Sie das ansprechen und mir Gelegenheit geben, darauf zu antworten. Wir haben gleich zu Beginn von Google Street View, als wir bei der Entwicklung des Produktes waren, höchsten Wert darauf gelegt, dass die Privatsphäre geschützt wird, und gerade aus diesem Grunde haben wir Technologien entwickelt, die automatisch die Gesichter verwischt und automatisch Autokennzeichen verwischt. Das ist eine Technologie, die es sonst noch niemals im Netz gegeben hat.

    Heinemann: Trotzdem! Entschuldigung, dass ich da unterbreche. Aber zunächst einmal haben Sie diese Leute aufgenommen und diese Kennzeichen.

    Oberbeck: Wir machen nichts anderes, von öffentlichem Grund und Boden Fotos oder Bilder zu machen, wie es auch jeder Tourist machen kann. Es gibt auch sehr, sehr viele juristische Urteile darüber, dass es völlig fraglos ist, dass das auch erlaubt ist. Es ist legal erlaubt, wir brauchen dazu keine Genehmigung, wir müssen auch niemanden fragen dazu, eben weil wir auch Gesichter verwischen und weil wir auch tatsächlich anonymisieren zu einer Trefferquote mit 98 Prozent, wie jüngste Erhebungen auch in der Schweiz, wo wir das Produkt jüngst gestartet haben, zeigen.

    Heinemann: Herr Oberbeck, Google ist kein Tourist. Sie haben eben gesagt, der Schutz der Privatsphäre wäre Ihnen so wichtig. Jetzt ziehen Sie sich auf die rechtliche Seite zurück. Was gilt denn nun?

    Oberbeck: Herr Heinemann, Sie hatten mich ja gefragt, ob das erlaubt ist, solche Bilder zu machen, und ich sage Ihnen, ja, klar, es ist erlaubt. Es ist rechtlich erlaubt und wir haben sehr, sehr viele Möglichkeiten, hier den Schutz der Privatsphäre tatsächlich zu gewährleisten, weil wir eben diese Technologien implementiert haben und weil wir auch noch dazu die Möglichkeit geben, hier auch Bilder entfernen zu lassen - sei es jetzt im Vorfeld schon, also sprich jetzt, wo das Produkt in Deutschland noch überhaupt nicht auf dem Markt ist, oder auch natürlich danach. Da sind wir auch völlig konform mit den Datenschutzbehörden in Deutschland, mit denen wir uns diesbezüglich sehr, sehr lange auseinandergesetzt haben und auch geeinigt haben.

    Heinemann: Google hat Millionen Bücher gescannt, ohne sich um die Rechtefrage zu kümmern.

    Oberbeck: Das ist eine falsche Feststellung, wenn Sie das jetzt auf Deutschland beziehen. Wir haben Verträge mit Hunderten, wenn nicht gar Tausenden von Buchverlagen hier in Deutschland. Sie werden in Deutschland keine einzige Seite finden auf books.google.de, also der Bücherseite, der Buchsuchmaschine von Google, die in illegaler Weise gescannt wäre.

    Also es ist eine Mär und ich höre das immer mal hier und dort, auch von politischer Seite oder auch von anderer Seite, dass wir in illegaler Weise hier scannen würden und illegalerweise sogar schon in absurder Weise, was ich so höre, ganze Bücher ins Internet stellen würden. Das ist totaler Quatsch!

    Wir bewegen uns hier komplett auch mit den Rechteinhabern, sprich den Verlagen konform, und nur die Verlage entscheiden hier, welche Buchseiten sie von den von ihnen vertretenen Autoren auch anzeigen wollen und letzten Endes die Google-Buchsuche als zusätzlichen Vertriebskanal nutzen wollen.

    Heinemann: Herr Oberbeck, inzwischen hat auch die Politik das gesamte Problem erkannt. Wir wollen hören, was Bundesinnenminister Thomas de Maiziére gestern um diese Zeit in dieser Sendung gesagt hat.

    Thomas de Maiziére: "Immer ist mit Freiheit auch Gefährdung verbunden und Verantwortung. Deswegen ist es wichtig und richtig, dass wir diejenigen, die große Datenbanken ansammeln - und das sind mehr die Privaten als der Staat -, auch in die Verantwortung nehmen, mit diesen Daten sorgsam umzugehen, und wir müssen auch erwarten, dass auch die Bürger mit ihren eigenen Daten vorsichtiger umgehen als in der Vergangenheit, und im Sommer wird die Bundesregierung eine Netzpolitikstrategie vorlegen."

    Heinemann: Bundesinnenminister Thomas de Maiziére gestern im Deutschlandfunk. Herr Oberbeck, kann man die Privatsphäre einem Unternehmen unterlassen, das mit Daten über Werbung Geld verdient?

    Oberbeck: Ich muss in erster Linie Herrn de Maiziére da völlig beipflichten. Er hat komplett recht damit, dass eben auch die Firmen, die jetzt mit Daten handeln beziehungsweise die Daten ansammeln, sehr, sehr verantwortungsvoll umgehen müssen. Da sehe ich auch in erster Linie zum Beispiel Banken, Versicherungsgesellschaften und dergleichen mehr, und natürlich auch Internetfirmen, wie es Google ist, wie es Microsoft ist und andere Firmen auch.

    Gerade deshalb ist unser Motto beziehungsweise unser stärkstes Bestreben auch, hier natürlich möglichst große Transparenz den Nutzern zu geben darüber, was wir überhaupt mit den Daten von ihnen machen, und das ganz klar und offensichtlich auch zeigen, und natürlich ihnen die komplette Wahlmöglichkeit geben, was sie dann mit ihren Daten tatsächlich machen wollen, oder ob sie sogar komplett ihre Informationen, die sie zum Beispiel über Google oder über Google Mail uns gegeben haben, nehmen und zu einem anderen Anbieter wechseln, wenn sie sich bei uns nicht mehr wohlfühlen.

    Heinemann: Herr Oberbeck, letzte Frage. Verfügt Google über eine Strategie im Umgang mit Diktaturen? Stichwort China.

    Oberbeck: Nun gut, das Stichwort China zeigt, dass wir hier sowohl als Nutzer, als auch als Firma oder als Unternehmen natürlich sehr, sehr gefragt sind. In China ist es nun sicherlich eine sehr, sehr spezielle Situation. Und wenn Sie jetzt fragen nach einem generellen Ansatz mit Diktaturen, muss ich das verneinen, weil: Es ist natürlich in jedem Einzelfall, hier auch in China insbesondere ein Fall, den man sich explizit genau anschauen muss.

    Wir haben in China vor vier Jahren den Schritt gemacht, dort auf dem chinesischen Markt mit einer Suchmaschine anzutreten, und waren in dem Glauben dort angetreten, dass wir unseren Ansatz zur Erweiterung von Informationen über das Netz, und dass wir der chinesischen Bevölkerung das offene Internet sozusagen damit auch präsentieren können; zulasten, auch im Unwohlsein, dass wir uns deshalb trotzdem den chinesischen Gesetzen unterwerfen müssen. Und wir dachten aber, dass der erste Ansatz, den wir da hatten, besser ist.

    Jetzt sehen wir, dass im Angesicht der jüngsten Attacken, die von chinesischem Grund und Boden letzten Endes auch gelaufen sind, und der Hackerattacken und auch was im letzten Jahr alles gelaufen ist, wenn man sieht, wie dort die offenen Meinungen oder die freien Meinungsäußerungen auch unterdrückt werden sollen, sind wir zu dem Schritt gekommen, dass wir nicht mehr bereit sind und willens sind, hier auch zensierte und gefilterte Suchergebnisse zu liefern.

    Heinemann: Kay Oberbeck, Mitglied der Geschäftsführung und Unternehmenssprecher von Google Deutschland, Österreich und der Schweiz. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Oberbeck: Vielen Dank, Herr Heinemann.