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Grammy-Verleihung
"Alles richtig gemacht"

Am Sonntag wurden im Staples Center in Los Angeles zum 61. Mal die Grammys verliehen, die wichtigsten US-amerikanischen Musikpreise. Die Gala stand im Zeichen politischer Kontroversen um Gleichberechtigung und Diskriminierung - und überraschte mit einem berühmten Ehrengast.

Jens Balzer im Gespräch mit Sören Brinkmann | 11.02.2019
    Lady Gaga, Jada Pinkett Smith, Alicia Keys, Michelle Obama und Jennifer Lopez bei der 61. Grammy Verleihung In Los Angeles
    Lady Gaga, Jada Pinkett Smith, Alicia Keys, Michelle Obama und Jennifer Lopez bei der 61. Grammy Verleihung In Los Angeles (Getty Images / Emma McIntyre)
    Die 61. Grammy-Verleihung war eine ausgesprochen politische Veranstaltung gewesen, sagte Kritiker Jens Balzer. Das Thema der Gleichberechtigung zog sich wie ein roter Faden durch das Programm. Zum einen die Gleichberechtigung von Künstlerinnen und zum anderen die Gleichberechtigung der afroamerikanischen Musik, des Hip-Hop.
    Das sah man schon in der Eröffnungsszene, sagte Balzer. Moderatorin Alicia Keys holte vier weitere Frauen auf die Bühne: Lady Gaga, Jada Pinkett Smith, Jennifer Lopez und Michelle Obama. Allein dass fünf Frauen auf der Bühne stehen bei den Grammys lässt sich als ein politisches Statement werten, so Balzer. Hatte es doch letztes Jahr scharfe Kritik an der Recording Academy gegeben, die die Preise verleiht, weil man das Gefühl hatte, dass anders als in Hollywood, die #MeToo- und die Time's Up-Bewegung bei ihr noch nicht angekommen waren.
    Eine fantastische Choreographie
    Dieses Jahr wurde aber alles richtig gemacht. Noch vor der ersten Moderation gab es eine Showeinlage von Camilla Cabello, einer kubanisch-US-amerikanische Sängerin, deren Debütalbum letztes Jahr ein großer Erfolg war. Das war dann nicht nur eine Frau, so Balzer, sondern auch noch eine aus dem Latin Pop. Ein Genre, das in den USA immer wichtiger wird, schon weil die Bevölkerungszahl der Latin Americans ständig steigt. Der Latin Pop wurde aber von den Grammys bislang immer stiefmütterlich behandelt, so wie der Hip-Hop auch. Umso erfreulicher sei es, dass diesmal beide Genres an prominenter Stelle vertreten waren.
    Die New Yorker Rapperin Cardi B wurde für das Rap-Album des Jahres ausgezeichnet und spielte auf der Bühne ihren Song "Money", mit einer wirklich fantastischen Choreographie, sagte Balzer, die an das 20er-Jahre-Cabaret und Marlene Dietrich erinnerte. Aber vor allem auch an Josephine Baker, die erste große afroamerikanische Pop-Diva und Kämpferin gegen den Rassismus.
    Der große Gewinner des Abends
    Der Song des Jahres ging an ein Stück, das sich mit Rassismus beschäftigt. Childish Gambino, alias Donald Glover, der auch als Schauspieler bekannt ist, wühlte die USA mit dem Stück "This is America" stark auf. Besonders das Video zum Stück wurde monatelang breit diskutiert, sagte Balzer. Darin ist Gambino als heiterer Rapper und kaltblütiger Mörder zu sehen. Er zitiert Michael Jackson und James Brown. Zwischendurch wird ein Gospelchor mit einem Maschinengewehr umgemäht. Das ganze Land erscheint als ein von Massenmördern und Waffennarren bevölkertes Irrenhaus. Childish Gambino inszeniert sich selber als Irrer, der versucht, aus seiner Rolle und aus dem Labyrinth des gesellschaftlichen Irrsinns zu entkommen, in dem er gefangen ist. Für diesen Song gab es vier Preise: "song of the year", "record of the year", beste Gesangsdarbietung und bestes Musikvideo. Er war der große Gewinner des Abends.
    Allerdings ist Childish Gambino nicht zur Preisverleihung erschienen. Und zwar ohne Begründung, aber auch das wurde natürlich als politisches Statement gewertet gegen die jahrzehntelange Ungleichbehandlung des Hip-Hop bei den Grammys, sagte Balzer. Stattdessen nahm sein Co-Songschreiber und Produzent Ludwig Göransson die Trophäen entgegen. Und der dankte dann vor allem einen Rapper, der als Feature-Gast in dem Stück zu hören ist: 21 Savage aus Atlanta, der mit seinen eigenen Tracks selber in zwei Kategorien nominiert war, aber nicht zur Gala kommen konnte. Anfang des Monats wurde er bei seiner Wiedereinreise in die USA inhaftiert. Grund für die Festnahme war sein unklarer Aufenthaltsstatus als Kind von Arbeitsmigranten, die ihre Visa nicht regelmäßig erneuert haben, sagte Balzer. Er erleidet das gleiche Schicksal, das unter Trump jetzt so viele der sogenannten Dreamer erleiden. Leider hielt es keiner von den Grammy-Verantwortlichen für nötig, dazu Stellung zu beziehen.
    Afroamerikanische Musik als Kern amerikanischer Popkultur
    Kurz vorher gab es die letzte große Bühnen-Performance zu Ehren von Aretha Franklin, die im letzten August verstorben ist. Drei Gospel- und Soulsängerinnen boten ihr Stück "Natural Woman" dar, und da sah man dann noch mal, wie die afroamerikanische Musik den Kern der gesamten US-amerikanischen Popkultur bildet, sagte Balzer. Und wie das alles geprägt ist bis heute von Rassismus und Unrecht. Da kann man sagen, so Balzer, haben die Grammys in diesem Jahr ein Zeichen gesetzt und vielleicht auch etwas von jener Relevanz zurückgewonnen, die sie in den letzten Jahren verloren haben.