Dienstag, 16. April 2024

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Graphic Novel "Jein"
Zerrissenheit in Graustufen

Das türkische Verfassungsreferendum 2017 hat polarisiert - eine Graphic Novel erzählt die damit verbundenen Konflikte einer Berliner Künstlerin mit türkischen Eltern: "Ich wollte diese Nein-und-Ja-Lager nicht so platt auf Personen projizieren", sagte die Autorin Büke Schwarz im Dlf.

Büke Schwarz im Corsogespräch mit Kolja Unger | 06.02.2020
Porträt der Comic-Künstlerin Büke Schwarz.
Die Berliner Zeichnerin Büke Schwarz hat ihr Comic-Debüt "Jein" genannt (Malte Weber)
"Ich war erst mal ziemlich geschockt und ein bisschen wütend und irritiert und dachte, das kann nicht wahr sein."
Die Berliner Künstlerin Büke Schwarz erinnerte im Dlf sich, wie sie im April 2017 vor dem Fernseher den Ausgang des Verfassungsreferendum in der Türkei verfolgt hatte. 51,4 Prozent der Türkinnen und Türken hatten für das heute bestehende Präsidialsystem und damit für weitreichende Machtbefugnisse für Präsident Erdoğan gestimmt. Auch die Mehrheit der in Deutschland lebenden Türk*innen hatte mit "Ja" votiert und wurde hierzulande hauptsächlich mit Unverständnis bedacht.
Im Panel aus "Jein" läuft die Protagonisten weg von einem Pulk aus Kameraleuten und Journalisten.
"Jein" ist das Graphic-Novel-Debüt der Deutsch-Türkin Büke Schwarz. (Jaja Verlag / Büke Schwarz)
Für Büke Schwarz ein hochemotionales Thema, das sie in ihrem Graphic-Novel-Debüt "Jein" verarbeitet. Allerdings spielt die Handlung nicht in Istanbul oder Mersin, sondern in Berlin: "Ich dachte, mir steht das gar nicht zu, über die Menschen in der Türkei zu sprechen, weil ich da nicht lebe und das auch gar nicht nachvollziehen kann. Ich wollte diese Nein-und-Ja-Lager nicht so platt auf Personen projizieren, mit denen der Leser sich vielleicht gar nicht identifizieren kann, die nicht so nah an ihm dran sind."
Zerrissenheit ausgedrückt in Graustufen
"Jein" verzichtet fast gänzlich auf Farbe. Bis auf die Kapitelanfänge ist alles in Schwarz, Weiß und den Graustufen dazwischen gehalten, um, wie sie sagt, nicht zu sehr abzulenken von der Gestik, in der sich die Emotionalität und Zerrissenheit ausdrückt. Eine Zerrissenheit, die sich häufig in Familien-Konflikten im Zusammenhang mit dem Referendum abspielte.
Im Panel aus "Jein" geben Erdoğan-Anhänger auf der Straße Interviews.
In ihrem Comic "Jein" beschäftigt sich Büke Schwarz mit dem Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland. (Jaja Verlag / Büke Schwarz)
Etwa wenn der leibliche Vater der Protagonistin, Ela, aus Istanbul zu besucht kommt, um mit ihr über ihre Kunst zu sprechen: "Sie ist eigentlich der Meinung, dass dieser kulturelle Background gar nicht so viel mit ihr, mit ihrer Identität und mit ihrer Kunst zu tun hat. Sie wird dann von dieser naiven Denkweise eingeholt, als ihr Vater dann da ist, weil sie merkt, es ist doch nicht so einfach, sich davon zu lösen", sagte Schwarz im Corsogespräch.
Offenes Ende
"In Deutschland spielt es eine große Rolle, wo die Eltern herkommen. Und in der Türkei spielt die Familie eine große Rolle, so dass es gar nicht so leicht ist, sich von ihr abzunabeln."
Am Ende der Graphic Novel steht die besagte Künstlerin Ela vor der Entscheidung, in einer prestigeträchtigen Galerie in New York auszustellen oder ihre Kunst als Ausdruck des Protests auf die Biennale nach Istanbul zu tragen. In welches Flugzeug sie steigt, bleibt offen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Büke Schwarz: "Jein"
Jaja-Verlag Berlin, 2020. 232 Seiten, 24 Euro.