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Graue Panther
"Scheißegal, ob wir schon älter sind"

Als energiegeladen und kämpferisch bezeichnen sie die einen, als schroff, bevormundend und besserwisserisch die anderen. 1975 hob Trude Unruh den Seniorenschutzbund "Graue Panther" aus der Taufe, und am 12. Juli 1989, heute vor 25 Jahren, gründet sie die Partei "Die Grauen", mit der sie auch im Bundestag mitmischen will.

Von Monika Köpcke | 12.07.2014
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    Bundesfamilienministerin Antje Huber (l) und die Vereinsvorsitzende Trude Unruh während der Veranstaltung am 16. März 1982 in Bonn. (picture alliance / dpa / Heinrich Sanden)
    "Wacht auf, wacht auf!"
    "Ja, ich wurde geboren und wurde immer schlauer."
    "Seid nicht die dummen Alten!"
    "Trotz dritter Zähne sind wir beißende 'Graue Panther', wenn es um Altenschutz geht."
    "Wacht auf, wacht auf, behaltet Lebenslust!
    "Und deshalb bin ich guten Mutes, dass wir Grauen über 5 Prozent kommen. Und dann wird hier anders geredet als bis jetzt."
    Mit dem Klischee von der abgeklärten Ruhe des Alters darf man ihr nicht kommen: Trude Unruh, die die Hitzköpfigkeit zur Tugend erhebt und sich aufmacht, die etablierten Bonner Parteien aufzumischen.
    "Ob graues Haar, ob im Gesicht schon Falten, seid stolz darauf, es macht Euch selbstbewusst."
    "Die Grauen werden morgen gegründet! Es wird eine andere Altenpolitik eingeleitet werden, und morgen werden bekannte Persönlichkeiten aus der SPD, aus der CDU austreten. Das ist die geschichtliche Dimension."
    "Graue Panther" in den Bundestag
    Zwei Tage dauert die Hauptversammlung des Seniorenschutzbundes "Graue Panther", zwei Tage, in denen Trude Unruh vehement für ihre Sache kämpft.
    Am 12. Juli 1989, am Ende des zweiten Tages, ist das Ziel erreicht: Die große Mehrheit der Panther stimmt dafür, mit ihrer eigenen Partei, den "Grauen", zum Sprung ins Parlament anzusetzen.
    "Mein Ziel: Mindestens 50 'Graue Panther' als Volksvertreter rein in den deutschen Bundestag!"
    "Scheißegal, ob wir schon älter sind, mach Dir Freude, eh die Zeit verrinnt ..."
    Als Trude Unruh 1975, mit 50 Jahren, die "Grauen Panther" gründete, war sie eher zufällig auf ihr Thema gestoßen. Eine gute Freundin ihrer Schwiegermutter wurde in ein Pflegeheim abgeschoben und so lernte sie die haarsträubenden Zustände in diesen Einrichtungen kennen.
    "Ich wollte es an und für sich nicht, aber einmal gesehen, was da mit alten Menschen passiert, einmal gesehen, wie man alte Menschen arm hält, ooch, da musst Du doch einfach als politisch veranlagter Mensch verrückt werden."
    Die "Grauen Panther", die bundesweit schon bald 30.000 Mitglieder haben, mischen lauthals mit: Sie blockieren Straßen, besetzen Rathäuser und befreien Senioren aus Pflegeheimen. Nur mit einer Mindestrente, so ist Trude Unruh als Vorsitzende sowohl der "Panther" als auch der "Grauen" überzeugt, lasse sich ein würdiges Leben im Alter verwirklichen.
    "Anständige Rente, nach 35 Berufsjahren, ran: 2.500 Mark und dann kannste leben. Das Einzige, was ich will, dass man aufhört, die alten Menschen zu verscheißern."
    Trude Unruh - der Name ist Programm
    Die kämpferische Trude Unruh ist so ganz nach dem Geschmack der Grünen, also vereinbart man einen so genannten Sprachrohr-Vertrag: Als parteiloses Mitglied der Grünen-Fraktion zieht sie 1987 ins Parlament. Doch mit der Harmonie ist es schnell vorbei: Trude Unruh fordert den Alleinvertretungsanspruch für alle Themen der Altenpolitik, sie verlangt sichere Listenplätze für ihre "Panther" und beansprucht horrende Beträge aus der Wahlkampfkasse. Böse Worte von einem "inneren Imperialismus" und einer "problematischen Psychostruktur" fallen. Spätestens zur Wahl im Herbst 1990 wollen die Grünen Trude Unruh wieder loswerden. Um weiterhin im Bundestag bleiben zu können, braucht sie also ein neues Mandat. Nun von ihrer eigenen Partei.
    "Ich hab die Partei ja aus dem Bundestag heraus gegründet. Als Partei biste ja ganz gefährlich, das glaubste alles gar nicht, da willste ja Mandate wegnehmen, und da wird man hektisch."
    So viele Mandate werden es allerdings nicht: In den Bundestag schaffen es die "Grauen" nie, lediglich bei Kommunalwahlen können sie hin und wieder Sitze ergattern. Als Trude Unruh im Herbst 2007 die Führung abgibt, ist ihre Partei schon längst in die Bedeutungslosigkeit gerutscht.
    "42 Personen haben sich für die Auflösung der Partei ausgesprochen."
    Nur zwölf Gegenstimmen gibt es, als ein Sonderparteitag am 1. März 2008 über das Aus abstimmt. "Die Grauen" stehen vor der Insolvenz. Jahrelang hatte man gefälschte Spendenquittungen eingereicht und sich so üppige staatliche Zuschüsse erschlichen. Als der Bundestag die Rückzahlung von 8,5 Millionen Euro innerhalb von zwei Monaten fordert, bleibt nur noch die Selbstauflösung. Seit dem 29. März 2008 gibt es offiziell keine Partei "Die Grauen" mehr.