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Grauer Wasserkönig

Paläontologie. - Forscher haben in der Küstenwüste Perus ein fast vollständiges und außergewöhnlich gut erhaltenes Exemplar eines Riesenpinguins gefunden. Erhalten blieben sogar Teile des Federkleids und etwas Weichgewebe. Inkayacu paracasensis haben sie das Tier getauft, der Wasserkönig von Paracas, letzteres nach dem Nationalpark, in dem das Fossil gefunden worden ist.

Von Dagmar Röhrlich | 28.10.2010
    "Wenn man vor 36 Millionen Jahren in der Bucht gesessen hätte, würde man diese Vögel als Pinguine erkennen?"

    Diese Frage beschäftigt Julia Clark, seit sie mehr über das Fossil weiß, das sie und ihr Team in der peruanischen Küstenwüste ausgegraben haben. Schließlich, so erklärt die Paläontologin von der University of Texas in Austin, war es nicht nur sehr groß und hatte einen sehr langen, spitzen Schnabel - ihm fehlte auch der heute so typische schwarz-weiße "Federfrack". Statt dessen war Inkayacu paracasensis - zu deutsch: der Wasserkönig von Paracas - mehr wie moderne Pinguinküken gefärbt:

    "Wir haben in den fossilisierten Federn Strukturen gefunden, die in Vögeln die Farbe bestimmen. Die Analyse dieser Melanosom genannten Körnchen ergab, dass der Vogel rötlichbraun und grau war, also wesentlich heller als ein heute lebender erwachsener Pinguin."
    Den Übergang von einem in der Luft zu einem im Wasser "fliegenden" Vogel hatten die Ahnen des Wasserkönigs schon lange hinter sich gebracht. Die dafür notwendigen Veränderungen im Körperbau waren ganz gewaltig:
    "Die Ahnen der Pinguine mussten dafür ihre Flügel zu Flossen umgestalten, damit sie im 800 Mal dichteren Wasser genügend Antriebskraft entwickeln können. Das ist vor mehr als 60 Millionen Jahren passiert, also nicht als Anpassung an die beginnenden Eiszeiten, wie wir gedacht haben, sondern es geschah in einer sehr warmen Welt ohne Eis. Damals entstanden viele neue Pinguinarten, auch die zunächst sehr erfolgreichen Riesenpinguine. Dieses Fossil liefert uns nun Einblicke in die notwendigen Veränderungen beim Übergang vom Flügel zur Flosse."
    Die Flügel waren bereits umgestaltet und die Federn an den Flügeln besaßen auch schon ihre typische Form, waren dicht an dicht übereinander gepackt, um die steifen, schmalen Flossen zu bilden. Auch die Körperfedern waren schon so breit wie bei modernen Pinguinen, unterstützten so die Stromlinienform des Tiers. Nur eine Veränderung fehlte dem Wasserkönig noch:

    "Was noch nicht stimmt ist die Form der Melanosome. Bei den Vögeln hängt die Farbe von Form, Größe und Anordnung dieser nur mikroskopisch kleinen Körnchen ab. Die Melanosome moderner Pinguinen sind breiter und sehen ganz anders aus als bei allen lebenden Vögeln und auch vollkommen anders als bei diesem Fossil."

    Warum aber schlug die Evolution bei der Farbgebung moderner Pinguine einen eigenständigen Weg ein? Das ist eine offene Frage, erklärt Julia Clarke. Möglichkeiten gibt es viele: So könnte es sein, dass die neue, pinguintypische Form der Melanosome die Feinstruktur der Federn widerstandsfähiger macht oder die Wasserschlüpfrigkeit verbessert. Außerdem setzte damals eine globale Abkühlung ein: Vielleicht waren die neuen Melanosome eine Anpassungen an das kältere Wasser? Jedenfalls hoffen die Paläontologen, dass ihnen die Federn bei der Suche nach der richtigen Antwort helfen. Die Zeit der Riesenpinguine allerdings ging damals zu Ende. Der Wasserkönig starb aus - vielleicht, weil der größte Feinde der modernen Pinguine auftauchte: die Robben. Vielleicht waren aber auch seine Federn von Nachteil.