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Gravitationswellen
Auf der Suche nach dem Echo des Urknalls

Anfang des Jahres haben Astrophysiker erstmals Gravitationswellen nachgewiesen, die durch die Kollision Schwarzer Löcher entstanden sind. Jetzt haben die Forscher sich wieder ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Ein Teleskop in der Gondel eines Höhenballons soll das Echo des Urknalls abbilden. "PIPER" nennt sich das Projekt, das in diesen Tagen abheben soll.

Von Guido Meyer | 13.09.2016
    Al Kogut, der Chefwissenschaftler der PIPER Mission vor Bauteilen der Instrumente
    Al Kogut, der Chefwissenschaftler der PIPER Mission mit Bauteilen der Instrumente (NASA/GSFC/BILL HRYBYK)
    "Piper" nennen die Schotten einen Dudelsackspieler. Beim amerikanischen PIPER-Projekt geht es jedoch nicht um Schall-, sondern um Gravitationswellen. PIPER steht für Primordial Inflation Polarization ExploreR: Ein Teleskop in der Gondel eines Höhenballons, das das Echo des Urknalls abbilden soll.
    "Wir suchen nach einem Muster am Himmel, das durch die Kräuselungen der Raumzeit im Augenblick des Urknalls entstanden ist. Es dürfte einem Windrad ähneln und ein Wirbelmuster aufweisen."
    Sagt Al Kogut, der Chefwissenschaftler von PIPER am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt, Maryland. Dieses Wirbelmuster ist vor fast vier-zehn Milliarden Jahren entstanden. Es sollte sich in der kosmischen Hintergrundstrahlung - dem "Nachglimmen des Urknalls" - nachweisen lassen, , erklärt Paul Mirel, der Chefingenieur von PIPER.
    "Wir analysieren die Polarisation des Lichts, das heute noch vom Urknall übrig ist. Stellen Sie sich vor, Sie werfen eine Handvoll Zahnstocher oder Streichhölzer auf den Boden. Dann nimmt jedes Hölzchen nicht nur eine bestimmte Position ein, sondern hat durch den Wurf auch eine bestimmte Orientierung auf dem Boden mitbekommen."
    Abkühlung für das Teleskop
    Die gesuchten Signaturen der Polarisation der kosmischen Hintergrundstrahlung sind allerdings extrem schwach und daher nur schwer zu detektieren, betont Chefwissenschaftler Al Kogut.
    "Wir suchen nach einer Abweichung von einem Milliardstel Teil eines Grades. Das ist so, als würden Sie den Himmel nach Lichtsignalen durchmustern, und die Linse ihres Teleskops wäre selbst eine Glühbirne. Sie würde alles andere überstrahlen. Das gleiche Problem haben wir bei den Mikrowellen der kosmischen Hintergrundstrahlung. Unsere Messinstrumente geben selbst Wärme ab, nach genau solchen Wärmesignalen suchen wir jedoch. Unser Teleskop ist mehrere tausendmal wärmer als die Strahlung, nach der wir Ausschau halten. Deswegen kühlen wir es bis fast zum absoluten Nullpunkt herunter."
    Mit 5000 Litern flüssigem Helium wird PIPER bis auf anderhalb Grad über dem absoluten Nullpunkt (-273,15) abgekühlt. So kommt den Wissenschaftlern die Wärmestrahlung des Teleskops nicht in die Quere. Und die NASA bedient sich eines zweiten Tricks:
    "Der Hauptvorteil unseres Ballonexperiments ist, dass wir uns oberhalb des größten Teils der Atmosphäre bewegen. Die Erdatmosphäre strahlt nämlich auch Mikrowellen ab, die uns bei der Suche nach den Mustern in der Hintergrundstrahlung irritieren würden. In einer Höhe von 35 Kilometern ist die Luft jedoch nur noch sehr dünn, so dass wir fast unter Weltraumbedingungen arbeiten.
    Kein gewöhnlicher Ballon
    Von Fort Sumner im US-Bundesstaat New Mexiko aus wird PIPER in wenigen Tagen auf seine erste Reise gehen – in der Gondel eines speziellen Höhenballons. Im kommenden Frühjahr steht ein zweiter Flug an, der im benachbarten Texas starten soll.
    "Es ist kein gewöhnlicher Ballon. Er misst hundert Meter im Durchmesser, wenn er seine endgültige Höhe erreicht hat. Er würde den Innenraum eines Fußballstadions füllen. Er ist einfach riesig."
    Ergebnisse erwarten die Forscher spätestens ab 2018, wenn PIPER erstmals von Australien aus starten und sich den südlichen Sternenhimmel vornehmen soll. Anhand der Flüge in der nördlichen und in der südlichen Hemisphäre soll dann eine komplette Karte der kosmischen Hintergrundstrahlung entstehen – hoffentlich mit jenem Windradmuster, das auf die Gravitationswellen des Urknalls hinweist.