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Gravitationswellen
Neue Zeiten für die Astronomie

Forscher in Europa und den USA haben erstmals Gravitations- und Lichtwellen bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne messen können. Trotzdem sind mit Blick auf die Wellen noch viele Fragen offen. Die zur Messung verwendeten Detektoren sind nun erstmal abgeschaltet, um sie noch genauer zu machen.

Von Jan Bösche | 17.10.2017
    Künstlerische Darstellung des Aufeinandertreffens zweier Neutronensterne
    Eine künstlerische Darstellung des Aufeinandertreffens zweier Neutronensterne (imago stock&people)
    Es war ein Feuerwerk in einer fernen Galaxie - und die Menschheit hat zugeschaut wie noch nie zuvor. Der Zusammenstoß zweier Neutronensterne, 130 Millionen Lichtjahre entfernt. Entdeckt unter anderem von LIGO - den amerikanischen Observatorien für Gravitationswellen. Sie verwandeln Gravitationswellen in Geräusch, ein Zirpen.
    David Reize von LIGO freute sich darum: "Der Kosmos hat uns zum ersten Mal einen Tonfilm präsentiert, nach der Ära der Stummfilme. Die Tonspur ist das Zirpen der Neutronensterne, als sie sich umeinander drehten und kollidierten. Das Video ist das Licht nach dem Zusammenstoß."
    Vor gut zwei Jahren war es ja überhaupt zum ersten Mal gelungen, Gravitationswellen zu registrieren. Allerschwächste Wellen, bei denen sich das Weltall kurz zusammenstaucht. LIGO und das europäische Virgo suchen nach diesen Wellen. Beide haben blinde Flecken, aus deren Richtung sie Gravitationswellen nicht feststellen können.
    In diesem Fall ein Vorteil, erklärte Jo van den Brand vom Virgo-Team: "Das Signal versteckte sich neben einem der blinden Flecken, darum war es nur schwach. Die Information aus Virgo war trotzdem ausreichend für die Lokalisierung, so dass die Folge-Studien stattfinden konnten."
    Neutronen haben eine große Dichte
    Im Vergleich der Daten von LIGO und Virgo konnten die Wissenschaftler nämlich feststellen, wo in etwa der Zusammenstoß stattfand. Über 70 Observatorien auf der Erde und im All suchten den Himmel ab - und wurden fündig. Sie sammelten Unmengen von Daten über den Zusammenstoß der Neutronensterne.
    Neutronensterne bleiben von großen Sternen übrig. Sie bestehen überwiegend aus Neutronen und haben eine sehr große Dichte. Zum Vergleich: Es wäre so, als würde man die Masse des Mount Everest auf einem Teelöffel unterbringen.
    Über Neutronensterne gibt es schon lange viele Thesen: Ein Zusammenstoß erzeuge Gravitationswellen und Gamma-Strahlen. Beide breiteten sich in Lichtgeschwindigkeit aus. Beim Zusammenstoß würden schwere Elemente wie Platin, Gold oder Uran erzeugt. Bislang waren das Thesen - jetzt sind es Fakten. Vicky Kalogera, Astrophysikerin aus dem LIGO-Team: "Es ist erstaunlich, dass an einem Tag, in wenigen Stunden und in den folgenden Wochen all diese Vorhersagen bestätigt wurden. Wir haben viele Fragen beantwortet, es sind aber auch neue Fragen entstanden, denn nicht alle Puzzleteile passen zusammen. Wir hoffen, dass die nächsten Beobachtungen viele dieser Fragen beantworten werden."
    Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie immer häufiger solche Entdeckungen machen werden. Die beiden LIGO-Observatorien sind gerade abgeschaltet worden, um sie noch genauer zu machen. David Shoemaker erklärte: "Die LIGO und die Virgo-Instrumente arbeiten nur mit einem Bruchteil der Sensibilität, für die sie konstruiert wurden. Es braucht Jahre, sie genau zu justieren, für ihre volle Sensibilität."
    Shoemaker scherzte, die Wissenschaftler müssten sich noch einigen, wie sie die erwartenden Daten auswerten wollten. Es sei ein wunderbares Dilemma.