Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Green Card
Das Aus für die Verlosung der Aufenthaltsgenehmigung?

Nach dem New Yorker Attentat will US-Präsident Trump die Verlosung von Green Cards stoppen. Dabei stelle er die Lotterie als Gegenentwurf zur amerikanischen Ideologie dar, nach der jeder seines Glückes eigener Schmied sei, sagte der Politologe Tobias Endler im Dlf.

Tobias Endler im Gespräch mit Henning Hübert | 03.11.2017
    Die "Green Card" erlaubt den Aufenthalt und das Arbeiten in den USA.
    Die "Green Card" erlaubt den Aufenthalt und das Arbeiten in den USA (imago)
    Henning Hübert: Nach der Terrorfahrt von Manhattan an Halloween mit acht Toten, die ein Usbeke begangen hat, ist sie wieder mit Macht da, die Debatte über die Zuwanderungsregeln, die sich die Vereinigten Staaten geben. Denn der Attentäter lebte in den USA mit einer Green Card, so wie etwa vier Prozent der Bevölkerung. Präsident Trump will jetzt das Aus für die Verlosung von Green Cards, einem Weg, an diese dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu kommen. Im Sommer hatte er schon mal die Green Card im Visier, mit dem Ziel, die Einwanderung in die USA innerhalb von zehn Jahren zu halbieren. Die Frage an den Politologen Tobias Endler vom Heidelberg Center for American Studies: Warum und seit wann gibt es überhaupt diese Green-Card-Vergabe auch als Lotterie?
    Tobias Endler: Das ist noch gar nicht so lange her. Das Ganze wurde im Jahr 1990 als Teil eines größeren Projekts, des sogenannten Immigration Acts von George Herbert Walker Bush, also Bush dem Älteren ins Spiel gebracht. Da ist schon die erste Reibung, denn Trump hat ja öffentlichkeits-, medienwirksam behauptet, das hätten die Demokraten sich zu Schulden kommen lassen, als er versucht hat, den jüngsten Anschlag dieses Täters, der so in die USA gekommen ist, zu politisieren. Das heißt, die Idee der Green Card in Form einer Verlosung ist noch gar nicht so alt. Dahinter steckt eine knallharte Kosten-Nutzen-Analyse. Das Ganze klingt ja zunächst spielerisch: Ich gewinne wie beim Lotto einen permanenten Aufenthaltsstatus für die USA. Tatsächlich steckt dahinter ein sogenanntes Diversity-Immigrant-Programm des US-Außenministeriums und damit versucht das Ministerium zu steuern, welche Zuwanderung aus welchen Ländern geschieht, weil die USA nur die haben wollen, die sie für sich am besten und auch am nutzvollsten erachten.
    Voraussetzungen für den Lostopf
    Hübert: Und in welchem Umfang wird gelost?
    Endler: Das Geburtsland muss passen. Es gibt eine ständig sich verändernde Liste von Ländern, die von diesem Losprozess ausgeschlossen sind. Das ändert sich von Jahr zu Jahr und hängt damit zusammen, wie viele Menschen aus diesen Ländern ohnehin einwandern. Mexiko, China, Indien sind quasi dauerhaft gesperrt. Das sind die drei Länder, aus denen die meisten Menschen in die USA einreisen. Großbritannien ist aktuell auf dieser Liste. Das heißt, diese Länder sind von vornherein ausgeschlossen. Und Sie müssen einen Bildungsabschluss mitbringen, der dem Level einer amerikanischen High-School entspricht, oder eine gewisse Berufserfahrung mitbringen. Das sind die Voraussetzungen und dann kommen Sie in den Lostopf.
    Das Versprechen einer Chance, aber nicht für alle
    Hübert: Schon in der Unabhängigkeitserklärung ist es ja fixiert: Jeder darf in den USA nach allem streben, aber mit Fleiß und mit harter Arbeit. Aber nicht durch Losglück? Ist das das, worauf Trump da rekurriert?
    Endler: Ja, absolut! Sie haben das Zitat aus der Unabhängigkeitserklärung schon anklingen lassen, und hier ist wirklich jedes einzelne Wort wichtig. Zunächst mal ist das ein Versprechen einer Chance, das eigene Glück, auch den eigenen Wohlstand zu verfolgen. Es ist keine Garantie. Und dann wichtiger in unserem Zusammenhang: Es ist ein Versprechen für jeden und für jede, aber eben nicht für alle. Und das ist mehr als ein semantischer Unterschied, wenn Sie so wollen. Das ist eine Konsequenz für die eigene Lebenswirklichkeit und den Menschen im 21. Jahrhundert wird zunehmend klar, dass dieses Versprechen eben nicht für alle eingelöst wird. Die Konkurrenzsituation wird härter, zumindest die wahrgenommene Konkurrenzsituation bei der Basis, bei der weißen Arbeiterschaft, die Trump ins Weiße Haus gewählt hat. Und damit spielt er. Er sagt: Hört mal, die Situation ist hart genug, und jetzt gibt es Menschen, die über pures Losglück euch zur Konkurrenz werden können in den Vereinigten Staaten. Das ist nicht fair.
    Ein verändertes Amerika-Bild
    Hübert: Was verändert das, Herr Endler, dann für die, die davon träumen, Losglück zu haben, im Ausland? Ein verändertes Amerika-Bild dadurch auch?
    Endler: Ja. Ich glaube wohl schon, dass man sich darauf einstellen muss. Das ist ein verändertes Amerika-Bild. Ich hatte eben versucht, aufzuzeigen den Unterschied einer Idee Amerika, wenn Sie so wollen, die auch in den Vereinigten Staaten sehr präsent ist. Das ist eine geschichtsbewusste Nation. Das ist ein Staat, der als Möglichkeit konzipiert worden ist – am Reißbrett, wenn Sie so wollen. Das gab es ja damals gar nicht. Alles andere waren Erbmonarchien, die schon scheinbar ewig bestanden haben. Aber diese Vision, dieses Versprechen, das klingt bis heute nach, und das kann man auch in Westeuropa sehen, das sieht man in Indien, in China, den Ländern, die ich genannt hatte. Der Lockruf ist hoch, aber die Wirklichkeit in den USA ist sehr viel härter geworden und viele Amerikaner spüren, ja, wir werden es nicht einmal besser haben als unsere Elterngeneration – eigentlich ein traditionelles US-amerikanisches Credo. Diese Lotterie, das ist ein Gegenentwurf zur amerikanischen Ideologie. Da ist eine Reibung, weil die Amerikaner eigentlich sagen, jeder ist seines Glückes Schmied. Kultursoziologisch aufgeschlüsselt läuft die Idee einer Lotterie, in der ich mein Los ziehe, der prototypischen amerikanischen Idee zuwider, und daran setzt er an und sagt: Hört mal, diese Lotterie, die passt nicht dazu, da kriegen andere einen Startvorteil.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.