Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Green Deal und Corona
Was die grüne Wirtschaft von den Coronahilfen hat

Derzeit werden milliardenschwere Finanzpakete geschnürt, um der Wirtschaft in der Coronakrise zu helfen. Könnten die Hilfen an ökologisch sinnvolle Bedingungen geknüpft werden? Umweltschützer fürchten, dass es allein um Arbeitsplätze geht – und nicht um Klimaziele oder Nachhaltigkeit.

Von Caspar Dohmen | 23.04.2020
Altreifen werden geschreddert, Sekundärbrennstoff für die Zementproduktion, Zementwerk Rohrdorf, Bayern.
Auch Altreifen können als Rohstoffquelle weitergenutzt - und damit Teil der Kreislaufwirtschaft werden (picture alliance / Imagebroker)
Berlin, Ende Januar: Bei einem Kongress geht es um eine moderne Form von Kreislaufwirtschaft nach dem Konzept "Cradle to Cradle", was übersetzt bedeutet: von der Wiege bis zur Wiege.
Demnach werden Produkte von Beginn an so konzipiert, dass die eingesetzten Ressourcen nach der Nutzung wiederverwendet werden können – wie bei der International Food Container Organisation. Sie betreibt ein Mehrwegsystem von Kunststoffbehältern, mit denen Waren vom Feld bis in den Laden transportiert werden. Vorstandschef Wolfgang Orgeldinger:
"Das Produkt wird in der Regel direkt aus diesem Mehrwegbehälter heraus verkauft. Wenn der Behälter leer ist, wird er zusammengeklappt. Er geht wieder zurück ins Handelslager. Dort holen wir den Behälter ab. Wir prüfen, ob er noch funktional ist. Wir sortieren den Behälter und reinigen ihn und dann beginnt der Kreislauf von vorne. Ein Behälter, der heute für den Import von Orangen aus Spanien benutzt wird, wird vielleicht morgen für Kohl aus Deutschland genutzt und übermorgen für Salat aus Holland."
320 Handelsunternehmen und mehr als 14.000 Produzenten aus über 50 Ländern machen bereits mit. Die 300 Millionen Mehrwegbehälter laufen im Schnitt 120 Mal um. Beschädigte Behälter werden repariert oder recycelt.
"Wir vermahlen den Kunststoff und produzieren aus diesem Material – und zwar zu 100 Prozent - wieder neue Kunststoffbehälter", so Orgeldinger.
Eine Art Marshallplan für die gebeutelte Wirtschaft
Doch heute stehen infolge der Corona-Pandemie große Teile der Weltwirtschaft still. Der Internationale Währungsfonds erwartet den größten Konjunktureinbruch seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre. Regierungen in Europa schnüren Hilfspakete für die Unternehmen.
Es geht darum, der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Zugleich wird darüber diskutiert, wie das geschehen soll und welche staatlichen Konjunkturhilfen sinnvoll sind. Könnte die Krise gar eine Chance sein, besonders das ökologische und weniger ressourcenverschwendende Wirtschaften zu fördern? Oder geht es in dieser Krise nur darum, Arbeitsplätze zu retten – während Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf der Prioritätenliste nach hinten rücken?
Die menschenleere Kö am 28.03.2020 in Düsseldorf Nur vereinzelte Passanten gehen an einem Samstagmittag auf der Düsseldorfer Kö ( Königsallee ) einkaufen. Um die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus möglichst gering zu halten, hatte NRW Ministerpräsident Armin Laschet ( CDU ) die Bevölkerung aufgerufen, nur noch in dringen Fällen die eigenen vier Wände zu verlassen. 
COVID-19: Deutschlands Wirtschaft und das Coronavirus
Die Börsen brechen ein, Geschäfte haben nur teilweise geöffnet, das öffentliche Leben ist aufgrund des Coronavirus eingeschränkt. Neben wenigen Corona-Gewinnern gibt es vor allem Verlierer. Die Politik hilft mit umfangreichen Programmen. Ein Überblick.
Beim Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag geht es um finanzielle Unterstützung in der Corona-Krise. Es werden milliardenschwere Hilfspakete nötig sein, über deren Ausgestaltung die Mitgliedsstaaten seit Wochen streiten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ließ jedenfalls keinen Zweifel an der Dimension der notwendigen Finanzhilfen und sprach im Vorfeld von einem Marshallplan:
"Wir werden massive öffentliche und private Investitionen brauchen, um die Wirtschaft wiederzubeleben, aufzubauen und um neue Arbeitsplätze zu schaffen und diese Investitionen müssen rasch kommen."
Green Deal und Krisenhilfen zusammendenken
Die Frage ist, an welche Bedingungen Hilfsgelder geknüpft und welche Anreize damit gesetzt werden können. Die EU-Kommission will das Wiederaufbauprogramm verbinden mit dem grünen Umbau der Wirtschaft – den sie in Form des sogenannten Green-Deal bereits vor der Corona-Pandemie als neue Wachstumsstrategie für die EU auserkoren hatte.
Dazu gehöre eine Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft. Auf diese Weise werde man in Europa unabhängiger, hatte die Kommissionspräsidentin erklärt – der Green Deal sei auch eine Investition in die Widerstandskraft der Europäischen Union, so Ursula von der Leyen.
Neben ökologischen soll es auch wirtschaftliche Vorteile geben. Europa ist der größte Nettoimporteur von Ressourcen - ein Wettbewerbsnachteil. Für den Import von Öl, Kohle, seltenen Erden und anderen Rohstoffen werden in der EU jährlich 760 Milliarden Euro bezahlt - 50 Prozent mehr als in den USA. Nach Kalkulationen der Unternehmensberatung McKinsey könnten europäische Unternehmen durch eine Kreislaufwirtschaft jedes Jahr bis zu 600 Milliarden Euro einsparen.
Andererseits will die Kommission einen Teil ihres Green Deal krisenbedingt verschieben – zum Beispiel die geplante Verpflichtung für die Nutzung umweltfreundlicherer Treibstoffe für den Flug- und Schiffsverkehr.
Windräder stehen am Horizont, wo die Sonne aufgeht. Im Vordergrund ein Feld mit grüne Pflanzen
"Green Deal": Europas Kampf gegen den Klimawandel
Für EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist die Begrenzung der Erderwärmung eines der Top-Themen ihrer Amtszeit. Ihr sogenannter Green Deal soll dazu beitragen, dass Europa im Jahr 2050 erster klimaneutraler Kontinent wird. Um das zu schaffen, müssen bisherige Klimaziele verschärft werden.
Manche Experten befürchten nun, dass nach den hohen Kosten für die akute Bewältigung der Krise die Mittel für einen umfassenden Umbau zu einer grünen, also ökologisch nachhaltigen Wirtschaft fehlen könnten. Anna Cavazzini, verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament:
"Die Befürchtungen teile ich absolut und deswegen bin ich auch ganz stark dafür, dass wir das zusammen denken. Also, dass wir den Green Deal, die Transformation, zusammen denken mit dem Wiederaufbau nach der Krise. Und deswegen einerseits die Projekte nicht zu verzögern, aber zweitens auch, wenn jetzt bestimmte Wiederaufbaufonds gestrickt werden, dass man da schon auch Kriterien einbaut, Konditionalitäten einbaut, damit sich Unternehmen sozusagen auch direkt an die grüne Agenda anpassen können, an die Kreislaufwirtschaft, aber auch Klimaschutz natürlich."
Autoindustrie will wieder Prämien für Verbrennungsmotoren
In Deutschland hat bereits ein Wettbewerb der Ideen und auch der Lobbyisten begonnen. 189 Organisationen und Unternehmen haben einen offenen Brief an die Bundesregierung geschrieben, darin fordern sie, an den Klimazielen festzuhalten und Wiederaufbauhilfen an ökologische Bedingungen zu knüpfen:
"Die notwendigen Investitionshilfen können Weichen stellen, die über Jahrzehnte die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung bestimmen werden. Sie haben es in der Hand, die ökonomische Zwangspause durch Covid-19 für einen nachhaltigen Neustart unserer Volkswirtschaft zu nutzen. Deutschland muss hierbei eine Vorreiterrolle in Europa und der Welt einnehmen."
Andererseits drängt die für Deutschland wichtige und entsprechend einflussreiche Autoindustrie neben Prämien für Elektroautos auch auf Prämien für Verbrennungsmotoren. Aus Sicht von Umweltschützern wäre das ein dramatischer Rückschritt.
Die Denkfabrik Agora-Energiewende hat einen Vorschlag gemacht: Sie setzt auf eine Kombination von Stützungsmaßnahmen und Modernisierung wirtschaftlicher Sektoren. 100 Milliarden Euro sollte die Bundesregierung in die Hand nehmen. Messlatte aller Aktivitäten müsse der Klimaschutz sein. Direktor Patrick Graichen:
"Jede Investition, die jetzt ansteht, die nicht CO2-Freiheit 2050 in den Blick nimmt, produziert uns die nächste Krise."
In den Überlegungen der Agora-Experten spielt der Strompreis eine wichtige Rolle, der in Deutschland bislang vergleichsweise hoch ist. Er sollte sinken, erklärt Patrick Graichen:
"Wir wollen, dass der Strom in andere Sektoren fließt. Strom ist aus einer Klimaschutzperspektive, der nächste Energieträger der Zukunft, weil den können wir gut erneuerbar herstellen, mit Wind und Solar CO2-frei herstellen."
Wenn etwa die für Deutschland wichtige Chemieindustrie oder auch die Stahlindustrie und andere auf grünen Strom setzten, dann würde Deutschland allerdings gewaltige Mengen regenerativer Energie brauchen, etwa aus Nordafrika, Argentinien, Chile oder dem Nahen Osten.
Kreislaufwirtschaft statt Verschwendung
Kann ein solcher Umstieg in eine grüne Wirtschaft gelingen? Das hängt auch entscheidend davon ab, ob sich eine umfassende Kreislaufwirtschaft etabliert, wie sie manche Bauern noch heute praktizieren, indem sie etwa ihre Felder maßvoll mit Kompost, Dung oder sogar eigenen Fäkalien düngen, was der Chemiker und Cradle-to-Cradle-Pionier Michael Braungart in China erlebte:
"Wenn man heute zum Essen eingeladen ist, auf dem Land ist es immer noch so, dass man erwartet, dass man nach dem Essen so lange bleibt, bis man die Toilette aufsucht, es gilt als unhöflich zu gehen und die Nährstoffe mitzunehmen, denn man ist ja zum Essen eingeladen worden, nicht zum Nährstoffdiebstahl."
Seit der Industrialisierung hat sich allerdings eine andere, nämlich lineare Produktionsweise durchgesetzt – und die verursacht heute massive Probleme. Am Anfang der Produktion verschlingt zum Beispiel Europas Wirtschaft jährlich je Einwohner 16 Tonnen Material, so steht es in einer Studie der Ellen McArthur Stiftung und des McKinsey Center für Wirtschaft und Umwelt. Und am Ende fallen je Kopf jährlich fünf Tonnen Müll an, das hat das europäische Amt für Statistik ausgerechnet. Mit dieser linearen Produktionsweise zerstören die Menschen ihre eigenen Lebensgrundlagen, indem sie Müll ablagern oder in die Luft blasen, wie das klimaschädliche CO2.
In Deutschland befasste sich 1994 eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages mit Stoffströmen und der Wiederverwendung von Rohstoffen:
"Die industriellen Produktionssysteme haben, rückblickend betrachtet, in den letzten 100 Jahren zu einem enormen Wachstum des jährlichen Stoff- und Energiedurchsatzes der Volkswirtschaften geführt, die dadurch den Charakter von Durchflusswirtschaften angenommen haben. Die Idee der Kreislaufwirtschaft will diese Entwicklung korrigieren. Hierbei sollen die Rückstände des Wirtschaftens gleichzeitig als Rohstoffe der Wirtschaft verwendbar sein."
Die Kommission verwies schon damals darauf, dass zahlreiche Produkte im engeren Sinne nicht kreislauffähig seien, weil sie etwa wie Düngemittel oder Arzneimittel umweltoffen angewandt würden:
"Es kommt darauf an, diese Stoffe und Produkte so zu gestalten und anzuwenden und Abfälle so zu behandeln, dass sie in die biogeochemischen Stoffkreisläufe ökologisch eingepasst werden können. Ein umfassendes Konzept der Kreislaufwirtschaft beinhaltet neben dem Recycling daher auch das ökologische Design und die Orientierung an der Natur und den Grundprinzipien ihrer Stoffumsätze."
Recycling weniger erfolgreich als erhofft
Zwei Jahre später, 1996, beschloss der Bundestag das Kreislauf- und Abfallwirtschaftsgesetz. Es folgten der gelbe Sack und der grüne Punkt. Papier, Glas, Stahl oder PET-Plastik werden getrennt oder aus dem Müll sortiert und recycelt. Andere Länder folgten dem deutschen Beispiel. Doch die heutige Bilanz dieser Anstrengungen ist ernüchternd. Eine Studie der Ellen McArthur-Stiftung und des McKinsey Center für Wirtschaft und Umwelt zeigt, dass 60 Prozent der weggeworfenen Materialien deponiert oder verbrannt werden, nur 40 Prozent werden dieser Untersuchung zufolge recycelt. Selbst bei Recycling-Erfolgsgeschichten wie Stahl, PET und Papier gehen bis zu 75 Prozent des Materialwertes im ersten Zyklus der Verwendung verloren.
Warum ist die Recycling- und Verwertungsquote nicht höher? Recycler und Industrie schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Ein großer Teil des Abfalls wird ohnehin aus der EU exportiert – womit das Problem verschoben wird.
Maja Göpel, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats Umweltveränderungen der Bundesregierung:
"Wissenschaftlich gesprochen wird ja sehr viel auf das End of Pipe geguckt, das heißt, was machen wir mit dem, was aus dem Prozess als Müll rauskommt und wie kann man da was recyceln und wiedereinzubringen. Aber eigentlich, Kreislaufwirtschaft wirklich konsequent gedacht, ist ja genau dieses von der Wiege bis zur Bahre. Sprich, ich fang schon an darüber nachzudenken, wie entnehme ich denn was eigentlich dem natürlichen Grund und Boden beispielsweise und wie setze ich dann Materialien zusammen, damit ich sie möglichst schnell auch wieder auseinanderbauen kann."
Gelbe Säcke mit Plastikmüll warten auf die Abholung durch das Entsorgungsunternehmen. Konstanz, Baden-Württemberg.
Verpackungsgesetz: Müll sammeln, sortieren, wiederverwerten
In Deutschland fallen pro Person und Jahr 220 Kilogramm Verpackungsmüll an. Das soll weniger werden – auch durch das neue Verpackungsgesetz. Es sieht mehr Wiederverwertung und weniger Einwegverpackungen vor. Doch reicht das?
Das ist das Lebensthema des Chemikers Michael Braungart. 1986 hatte er mit anderen Greenpeace-Aktivisten gegen die Verschmutzung des Rheins durch ein Schweizer Chemieunternehmen protestiert. In der Folge entspann sich ein Dialog zwischen dem Umweltschützer und der Industrie: "Dann habe ich viel Geld von der Schweizerischen Chemieindustrie gekriegt, viele Leute auf der Welt zu fragen, wie das Verhältnis von Menschen zur Natur anders aussehen kann."
Er traf Vertreter von 80 Naturvölkern, den sowjetischen Regierungschef Michael Gorbatschow, den Dalai Lama und andere Menschen. Heute ist der Verfahrenstechniker unter anderem Professor an der Erasmus-Universität Rotterdam und wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstituts.
"Ich habe alles eingesammelt und daraus ist Cradle to Cradle entstanden."
Bekannt wurde die Idee vor allem durch sein Buch, das er 2002 gemeinsam mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough veröffentlicht hat: "Cradle to Cradle: Einfach intelligent produzieren". Braungart schwärmt darin von biologisch abbaubaren Eiscremeverpackungen aus Samen seltener Pflanzen, essbarem Möbelbezugsstoff oder komplett recycelbaren Teppichböden, die zudem noch als Gesundheitsschutz fungieren:
"Das heißt, wir können jetzt Teppichböden machen, die aktiv Feinstäube an sich binden und man verkauft diese Teppichböden nicht mehr, sondern man verkauft nur noch Zehn-Jahre-Fußboden-Verpackungs-Versicherung, dann kann der Hersteller die besten Materialien einsetzen, nicht den billigsten Dreck. Wenn er es verkauft, setzt er das billigste ein, so weiß ich, mein Fußboden bleibt zehn Jahre schön und er reinigt die Luft dabei und nicht meine Lunge, meine 100 Quadratmeter Lungenoberfläche, die brauche ich doch nicht als Feinstaubfilter, sondern dafür, dass ich atmen kann."
Menschen verbrauchen immer mehr Kunststoff
Was die Verwirklichung einer solchen Kreislaufwirtschaft anbelangt, gibt sich der Ökopionier euphorisch:
Es gibt schon über 11.000 Produkte – insoweit bin ich ganz sicher, wenn die Geschwindigkeit nur halbwegs so bleibt wird vor 2050 alles Cradle to Cradle sein. Weil auch die Materialien gar nicht da sind für eine weitere lineare Verschwendungswirtschaft."
Aber in der Realität hapert es noch gewaltig, besonders eklatant beim Kunststoff. Von dem vielseitig verwendbaren Werkstoff verbraucht die Menschheit immer mehr. Seit 1976 hat sich das jährliche Produktionsvolumen mehr als versechsfacht - auf knapp 360 Millionen Tonnen. Das habe auch mit einem veränderten Umgang mit Kunststoffen zu tun, sagt Hans-Josef Endres. Der Maschinenbauingenieur und Professor an der Hochschule Hannover ist Experte für Biokunststoffe.
"Der Erfolg der Kunststoffe hat begonnen als es gelungen ist, aus vergänglichen Rohstoffen - Kasein, Kautschuk, Pflanzenöle, Linoleum, Zellulose und so weiter - aus vergänglichen Rohstoffen, abbaubaren Rohstoffen beständige Werkstoffe zu machen. Das war so der Anfang der Erfolgsgeschichte der Kunststoffe. Inzwischen sind wir da angekommen, dass wir langlebige Werkstoffe für kurzlebige, zum Teil eben unsinnige Produkte einsetzen, es hat sich also umgedreht."
Kunststoffabfall ist eines der größten Müllprobleme. Davon zeugen riesige Müllteppiche auf den Ozeanen. "Man kennt diese Probleme und das finde ich das Bedenkliche, dass einfach das Know-how da ist, das Geld ist da, das Bewusstsein ist da. Wir sind in Deutschland, in Europa Technologieführer. Man weiß also, was man tun müsste, man tut es aber nicht."
Wirtschaften im Einklang mit der Natur
Auch unabhängige Politikberater sehen bei Kunststoff ein gehöriges Problem. Der Ingenieur Manfred Fischedick, geschäftsführender Direktor am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, einer Denkfabrik für Nachhaltigkeit:
"Ein großer Nachholbedarf besteht jetzt tatsächlich im Bereich der Kunststoffe, da ist der Teil des Recyclates, der quasi Primärmaterialen ersetzt, relativ klein und bewegt sich in der Größenordnung von fünf bis zehn Prozentpunkte."
Die Idee der Kreislaufwirtschaft ist für viele auch deswegen verlockend, weil sie die grundsätzliche Wachstumsidee nicht in Frage zu stellen scheint. Denn das Ziel der Kreislaufwirtschaft ist ja gerade nicht, das Wachstum zu beenden, sondern das Wirtschaften mit der Natur in Einklang zu bringen. Allerdings ist ein permanentes Recycling aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten bei anorganischen Stoffen überhaupt nicht möglich - jeder Verwertungsprozess führt immer auch zu einem Verlust von Material.
Die Transformationsforscherin Maja Göpel: "Es gibt auch so etwas wie Downcycling, ich kann nicht alles ganz häufig im Kreis fahren, irgendwann gibt es auch eine Verlustigkeit in der Qualität der Stoffe einher."
Zum Recycling braucht man Energie, für deren Gewinnung ebenfalls Ressourcen benötigt werden. Manche Rohstoffe sind auch nur begrenzt vorhanden - entsprechend lassen sich daraus nicht beliebig viele Produkte fertigen, die in immerwährenden Kreisläufen zirkulieren. Selbst biobasierte Produkte lassen sich nicht unbegrenzt auf erneuerbarem Weg herstellen.
Recht auf Reparatur soll kommen
"Gleichzeitig gibt es von der Natur vorgeben auch eine gewisse Zyklik im Sinne der Geschwindigkeit wie schnell wir ihr was entnehmen können. Gerade, wenn wir jetzt über eine Bioökonomie sprechen und sagen, gut, wenn die Materialien begrenzt sind, dann machen wir halt alles mit nachwachsenden Rohstoffen. Diese gewisse Demut sich der Biomimikry, wie kann ich Natur so verstehen, dass sie meinen Prozess informiert anstatt jetzt einfach zu sagen: Wir wechseln die Energie im Tank oder wechseln das Material als eine Komponente, das fehlt uns glaube ich noch komplett, in der Art wie wir über Kreislaufwirtschaft nachdenken."
Eine junge Frau repariert am 24.06.2013 im Repair Café in Berlin-Spandau ihren CD-Player. | Verwendung weltweit
EU-Aktionsplan - Mehr Reparaturen, weniger Rohstoffverschwendung
Die EU-Kommission hat den wachsenden Müllbergen den Kampf angesagt. Ein Aktionsplan sieht vor, dass zum Beispiel elektronische Geräte künftig leichter zu reparieren sein sollen, um Ressourcen zu schonen. Doch von der Wirtschaft kommen schon erste Vorbehalte.
Die Europäische Union gibt viele politische Impulse, um eine Kreislaufwirtschaft zu fördern. So soll etwa ein Recht auf Reparatur verankert werden, ebenso wie ein Verbot, unverkaufte und haltbare Waren zu zerstören. Letzteres richtet sich vor allem an die Versandhändler und ihren Umgang mit Warenretouren. EU-Parlamentarierin Anna Cavazzini:
"Die Kritiker drehen das dann immer in so einen Bevormundungsmodus und sagen, die EU bringt so viel Bürokratie auf den Weg und zu viele Regeln schaden der Wirtschaft. Ich glaube aber man muss das eben anders denken. Man muss das als Chance sehen, man muss das sehen als Innovationsantrieb, man darf das nicht nur sehen als die EU verbietet uns da wieder irgendetwas oder regelt da mit irgendwelchen bürokratischen Hürden unser tägliches Leben."
Noch entfernt sich die globale Wirtschaft allerdings von einer grünen Wirtschaft. Bis zum Jahr 2050 könnte sich der Verbrauch natürlicher Ressourcen sogar verdoppeln und der weltweite Müllberg um 70 Prozent wachsen.
Aber gerade für Europa sei ein Umstieg auf eine moderne Kreislaufwirtschaft nicht nur eine Riesenchance, sondern ein ökonomisches Muss, sagt Öko-Pionier Michael Braungart:
"Wir haben praktisch überall den Anschluss verpasst in Europa, in der Digitalisierung, im schnellen Internet. Ich habe eine Kollegin aus Korea, die erschrickt jeden Morgen vor dem Rechner, weil das was wir schnelles Internet nennen, heißt bei ihr, dass der Rechner kaputt sei. Überall, aber wenn wir das verbinden mit Gesundheit, mit Umwelt, dann sind wir weltweit führend, weil diese 40 Jahre Blame und Shame, Weltuntergangsdiskussion, können wir jetzt in Innovation und Qualität umsetzen."