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Green Economy weckt bei ärmeren Ländern Misstrauen

Mit Green Economy soll Wirtschaftswachstum ohne Zerstörung der Umwelt und Ausplünderung der Naturreserven erreicht werden. Die Idee der grünen Wirtschaft wird die UN-Konferenz in mehrere Lager spalten. Die Industriestaaten versprechen sich gute Geschäfte, die ärmeren Länder befürchten ausgebremst zu werden.

Von Jule Reimer | 19.06.2012
    Green Economy - das grüne Wirtschaften - gehört auf der UN-Konferenz Rio+20 zu den Kernanliegen der Europäischen Union. EU-Umweltkommissar Janez Potocnik ist sicher, dass er dabei die Unternehmen hinter sich hat. Wasser einzusparen, weniger Energie zu verbrauchen, das liege sowie im Interesse der Wirtschaft:

    "Und es macht erst recht Sinn, Ressourcen einzusparen, denn Rohstoffe spielen in der Kostenstruktur der Unternehmen eine immer größere Rolle, weil die Rohstoffpreise seit Beginn dieses Jahrhunderts erheblich angezogen haben."

    2050 werden neun Milliarden Menschen auf der Erde leben, die Mittelklasse und ihre Konsumansprüche wachsen. Wenn aber alle Erdenbürger regelmäßig ein neues Laptop und ein neues Smartphone erwerben und dabei so viel Müll produzieren wie bisher, sind Ressourcen und Natur bald am Ende.

    Dennoch spaltet die Idee der Green Economy die UN-Konferenz in mehrere Lager. Das vom UN-Umweltprogramm UNEP entwickelte Konzept empfiehlt unter anderem, Elektrogeräte und anderes, was Metalle enthält, zu recycln, und auch die Dienstleistungen der Natur anzuerkennen: Moore zum Beispiel binden schädliches CO2 und klären belastetes Wasser.

    Doch das Konzept weckt Misstrauen bei den ärmeren Ländern, weil sie befürchten, dadurch in ihrer Entwicklung gebremst zu werden, gleichwohl UNEP viele neue, menschenwürdige Arbeitsplätze verspricht.

    "Wachstum schafft Arbeitsplätze, Wachstum schafft soziale Sicherheit, Wachstum ist auch entscheidend für die ökologische Modernisierung."

    Sagt Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler. Genau diese Sichtweise wird in Rio von vielen hinterfragt. Zu den Kritikern gehört der ehemalige ecuadorianische Energieminister und Wirtschaftswissenschaftler Alberto Acosta. Nicht das Wachstum an sich, sondern das Wohlbefinden der Bevölkerung müsse im Vordergrund stehen, und:

    "Wenn ich Bergbau betreibe und dabei gravierend die Umwelt zerstöre, wird das trotzdem als Wachstum verbucht. Dabei hat jedes Wachstum seine Geschichte, sozial und ökologisch. Und deshalb müssen wir anerkennen, dass es gutes und schlechtes Wachstum gibt."

    Firmen wie Siemens und Puma haben zugesagt, interessierte Entwicklungsländer beim Umsteuern in Richtung Green Economy zu beraten. Die Industriestaaten - allen voran die Deutschen - versprechen sich von der Strategie zudem gute Geschäfte. Schätzungen gegen davon aus, dass sich der Weltmarkt für Umwelttechnologie bis 2025 auf über drei Billionen Euro verdoppeln wird.

    Besonders großes Misstrauen ruft die Idee der Weltbank hervor, für die Dienstleistungen der Natur - zum Beispiel als CO2-Senken - eine Art Börse einzurichten. Für Nimmo Bassey, Chef des Umweltverbandes Friends of the Earth International, nur ein weiterer Versuch der Kommerzialisierung.

    "Das Green-Economy-Konzept wird ein Vehikel sein, um noch mehr Wachstum zu erzeugen und es zielt darauf ab, aus den immer fragiler werdenden Ökosystemen noch mehr an Ressourcen herauszuholen."

    Allerdings hatten gerade Umweltverbände immer beklagt, dass viele Unternehmen die Natur für ihre Gewinnzwecke kostenlos beanspruchten. Ökonomen sagen deshalb: Auch die Natur müsse einen Preis haben. Zu den größten Herausforderungen der Rio+20-Konferenz gehört, die richtige Balance zwischen Sozialem, Umwelt- und Naturschutz und den Wünschen der Wirtschaft zu finden.