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Greifvögel
Tödliche Windräder

So gut Windenergieanlagen fürs Klima sein mögen - für die Tierwelt können sie schnell zum Problem werden. In Spanien sterben jährlich etwa 1.000 Gänsegeier durch die riesigen Rotorblätter. Doch das Problem lässt sich stark vermindern - zumindest theoretisch.

Von Dagmar Röhrlich | 06.01.2015
    Eine Windkraftanlage
    Vogelschützer betrachten große Windparks mit Sorge. (picture alliance / dpa / Revierfoto )
    Ein Geier kann ohne Weiteres 100 Kilometer am Tag fliegen. Er ist ein Perfektionist im langsamen Gleitflug - und genau das ist sein Problem:
    "In den spanischen Pyrenäen gibt es einzelne Standorte, wo Hunderte Vögel durch die Windräder getötet werden, weil die eben bestimmte Flugrouten haben. Und wenn man genau in diese Flugrouten Windräder stellt und eine Kette von Windrädern aufstellt, kommt es zu massiven Verlusten."
    Die Vögel werden regelrecht zerschnitten
    Hans Frey ist Veterinärmediziner und Leiter des Bartgeier-Zuchtzentrums in Haringsee bei Wien. Eine Datenbank für Kollisionen zwischen Geiern und Windrädern in Spanien verzeichnet etwa 1.000 Zwischenfälle pro Jahr - und nur zwei Prozent der betroffenen Geier überleben schwer verletzt.
    "Für die Geier sieht es so aus, als ob sich die großen Rotorblätter nur langsam drehen, sodass sie die Gefahr nicht erkennen. An der Spitze bringen es die Rotorblätter jedoch auf Geschwindigkeiten von 200 bis 300 Kilometer pro Stunde. Auf Filmaufnahmen sieht man, wie die Vögel regelrecht zerschnitten werden."
    Fulvio Genero ist Leiter des italienischen Naturschutzgebiets Lago di Cornino. Die spanische Statistik belegt auch, dass sich die Kollisionen nicht gleichmäßig über das Jahr verteilen. Beispiel Nordspanien:
    "Zu Beginn der Brutsaison im Januar oder Februar ist die Zahl der Kollisionen zunächst gering. Wenn die Jungen ab März schlüpfen und die Eltern Futter herbei holen, steigen die Unfälle stark an. Ab April wird es wärmer und die Thermik besser, sodass die erwachsenen Geier schneller aufsteigen können, wodurch die Kollisionen wieder seltener werden."
    Ein kurzer Anlagen-Stopp kann das Problem mildern
    Stirbt ein Altvogel bei einem Unfall, besiegelt das auch das Schicksal des Nestlings, denn ein Elternteil alleine kann kein Küken großziehen. Aber diese Opfer gehen nicht in die Statistik ein, erklärt Alvaro Cardenal von der Acrena. Das ist ein Unternehmen zur Begutachtung der Umweltfolgen erneuerbarer Energien. Anders als in Nordspanien häufen sich in Südspanien die Unfälle im Oktober und November. Denn dann treffen Geier auf ihrem Weg nach Afrika auf die Windfarmen um Cadiz und der Straße von Gibraltar.
    "In Südspanien lässt sich das Problem leicht lösen, weil die ziehenden Schwärme schon von weitem zu sehen sind. Man stoppt die Anlagen und fährt sie wieder an, wenn die Vögel durch sind. So konnten wir während des Vogelzuges die Zahl der Kollisionen um etwa 40 Prozent mindern."
    In der Nähe der Brutgebiete und Schlafplätze nutzen solche Maßnahmen jedoch nichts: Dort sind die Vögel ständig unterwegs. Diese Anlagen müssten einfach in einigem Abstand errichtet werden.
    "Mit Blick auf den Naturschutz müssen Windkraftanlagen vor dem Bau sehr viel sorgfältiger geplant werden. Große Brisanz bekommt dieses Thema derzeit auch in Afrika, wo die Geierpopulation ohnehin durch Vergiftungen stark zurück geht. Dabei werden in Kenia oder Südafrika große Windfarmen in den Brutgebieten errichtet. Die Bewegungen dieser Vögel müssten vor dem Bau und mit dem Betrieb der Windfarmen sehr viel besser erforscht werden."
    Auch seien die Monitoringprogramme viel zu kurz angelegt, um die Auswirkungen der Anlagen auf eine Population zu erkennen. Das ist vor allem für stark bedrohte Arten bedenklich wie den Schmutzgeier - oder für den Bartgeier, der gerade mit großer Mühe in den Alpen wieder angesiedelt wird. Und so bereiten die dort geplanten Windfarmen den Naturschützern Sorgen. Hans Frey:
    "Das große Fragezeichen ist, was passiert, wenn wir in den Alpen beginnen mit den Windrädern. Das kann sich sehr verhängnisvoll auswirken auf den Bartgeier. Das ist ein völlig offenes Thema, wo wir vorsichtig sein müssen."