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Greifvögeltraining für Flugschauen

Früher, so können wir es in Heldensagen und Märchen nachlesen, sind Könige und Fürsten oft mit Falken auf die Jagd gegangen, die dann die Rebhühner oder Tauben erlegt haben. Heutzutage sind die Falken zwar nicht vom Aussterben bedroht, aber- im Vergleich zu früher - doch eher selten zu sehen. Weil aber der Anblick von fliegenden Greifvögeln für viele atemberaubend schön ist, gibt es Flugschauen, wo die Falken, die Weißkopfseeadler oder die Rotmilane vor Publikum zeigen, was sie können. Seit Anfang Mai finden diese - nicht unumstrittenen - Flugschauen wieder statt, so zum Beispiel auf dem Harzfalkenhof auf dem Ravensberg bei Bad Sachsa im Südharz. Dort arbeitet Heike Klapproth, eine der wenigen Falknerinnen Deutschlands und trainiert die Greifvögel für die Show.

Von Elke Drewes | 21.05.2002
    Das ist unsere Lina, ein Rotmilan, hier gezüchtet. Die werde ich fliegen lassen und sie soll was ganz Schwieriges zeigen, das sie aber auch draußen in der Natur beherrschen muss: einen Brocken in der Luft zu fangen: `Lina, jawoll´: sie hat ihn gefangen und frisst ihn auch gleich in der Luft auf.

    Nach der erfolgreichen Jagd landet der Rotmilan auf der behandschuhten Faust von Falknerin Heike Klapproth. Dabei bimmeln die Glocken an seinen Klauen.

    Das Zur- Faust- kommen, das ist Wichtigste, erst dann kann man den Vogel frei fliegen lassen.

    Heike Klapproth ist gelernte Hauswirtschaftlerin. Falknerin wurde sie aus Liebe zu ihrem Mann Achim, der seit 16 Jahren den Harzfalkenhof führt, und aus Liebe zu den Greifvögeln.

    Das Faszinierende ist, dass der Vogel nicht auf einen angewiesen ist und trotzdem wiederkommt, das ist das Tolle bei den Greifvögeln. So eine Beziehung hängt aber am seidenen Faden, man muss sich täglich drum kümmern.

    Mit Sorgfalt und Disziplin hat die 38 jährige sich das Vertrauen der Greifvögel erarbeitet. Zuerst wird der Vogel auf der Faust getragen und gefüttert, dann an der Leine geflogen.

    Erst, wenn man weiß, dass der Vogel zurückkommt, dann kann man ihn frei fliegen lassen. Und dann hat man es geschafft.

    Natürlich kommt der Vogel zurück, weil er belohnt wird: Auf der Faust füttert ihn die Falknerin mit Eintagsküken. Für Falke, Adler und Milan: die Hauptmahlzeit.

    Futter ist wichtig, aber man lässt den Vogel nicht hungern. Natürlich haben sie ein gewisses Konditionsgewicht, denn wenn sie zu fett sind, können sie nicht fliegen. Das geht uns Menschen genauso, dann sind sie auch faul und träge.

    Das Training für die Flugschau entspricht dem natürlichen Jagdverhalten. Vögel, die nicht jagen, sich von Aas ernähren wie die Geier, diese Vögel bleiben auch in der Schau meist am Boden, segeln also nicht durch die Luft.

    Wir machen keine Halligalli-Veranstaltung, sondern wir zeigen, was die Vögel täglich verrichten bei der Jagd. So hoch in die Luft bekommt man sie selten. Dann braucht man gute Winde, gute Thermik. Und meist ist so ein großer Vogel auch ziemlich faul, sitzt häufig auf einer Stelle.

    Angebunden auf einem Holzpflock hockt ein afrikanischer Gaukleradler mit weißer Brust. In Afrika würde er sich mit scharfen Klauen auf Schlangen stürzen. Im Harzfalkenhof lässt er sich ruhig von Heike Klapproth über das weiche Gefieder im Nacken streicheln.

    Den Chaka kann ich kraulen, deshalb, weil er im Winter geboren ist und in der Stube großgezogen wurde. Das gefällt ihm gut, das kann man stundenlang machen mit ihm, aber frei fliegen lassen, da zeigt er sich sehr stur. Er will nicht hoch in die Luft. Er hat einen eigenen Kopf, einen Dickkopf.

    Doch ein Zeichen trägt die Falknerin vom spitzen Schnabel des Chakas: Ein Narbe am Zeigefinger.

    Wenn sie spielen wollen, dann kann das schon mal vorkommen. Aber richtig angreifen, böse, dass tun sie nie. Es sei denn, irgendwas sitzt quer.

    Die Klapproths trainieren die Vögel nicht nur für die Flugschau. Sie züchten sie auch. Besonders stolz ist das Paar auf die Nachzucht des Himalaya- Schneegeiers. Denn es ist weltweit einzigartig, dass Schneegeier in Gefangenschaft gebrütet haben.

    Wenn sie sich nicht wohlfühlen würden, dann würden sie sich auch nicht vermehren. Dass wir hier gute Zuchterfolge haben, ist ein Zeichen, dass sich die Tiere wohlfühlen.

    Die Schneegeierkinder Leo und Wilhelmine sind inzwischen 5 und 8 Jahre alt. Sie leben in einer Voliere neben ihren Eltern. Früher flogen sie auch frei durch den Park, stellten aber zuviel Blödsinn an.

    Wilhelmine hatte die Angewohnheit, auf den Parkplatz zu fliegen und dann auf die Autodächer. Wenn sie dann abgestiegen ist vom Auto, dann ist sie nicht geflogen, sondern schön am Lack runtergerutscht.

    Wenn die jungen Schneegeier aus den Flegeljahren raus sind, dürfen sie wieder frei fliegen. Bedenken, dass sie wegfliegen, hat Heike Klapproth nicht.

    Bis heute sind sie alle zurückgekommen und da sind wir auch sehr glücklich drüber.

    Der Naturschutzbund NABU ist dagegen, Greifvögel für Flugschauen oder für die Jagd abzurichten. Im Gegensatz zu Pferden beispielsweise, seien es keine Haustiere, sondern wilde Tiere und die sind in ihrer ursprünglichen Umgebung allemal besser aufgehoben, sagt Heinz Habersetzer vom Naturschutzbund Göttingen. Doch die Klapproths halten dagegen, dass sie auch Vögel auswildern, z.B. Stein- und Rauhfußkäuzchen. Denn diese kleinen Eulen sind in freier Natur selten geworden.