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Grenzen für die City

London ist der größte Finanzplatz Europas. Da wundert es wohl nicht, dass sich die britische Regierung gegen die Finanztransaktionssteuer der EU sträubt. Doch ganz untätig sind die Briten bei der Regulierung der Branche nicht.

Von Jochen Spengler | 14.02.2013
    Nur 11 von 17 Euro-Ländern wollen die Transaktionssteuer einführen. Großbritannien steht in seiner Ablehnung bei Weitem nicht allein in der EU. Finanzminister George Osborne gegenüber seinen europäischen Amtskollegen:

    "Ich bin nicht gegen Finanztransaktionssteuern - es gibt eine solche Steuer in Großbritannien, nämlich die auf den Aktienhandel, und wenn wir weltweit uns auf eine solche Steuer verständigen könnten, wäre das eine gute Sache. Aber das wird nicht geschehen."

    Tatsächlich denken New York, Singapur oder Hongkong nicht daran, eine Tobin-Tax auf Finanzgeschäfte zu erheben. Führte London sie ein, so würden die Finanzgeschäfte abwandern, was sich Großbritannien, dessen Finanzsektor 15 Prozent zum Sozialprodukt beisteuert, einfach nicht leisten können. Und wenn sich die EU-Kommission von der europaweiten Steuer zur Eindämmung der Spekulation 50 Milliarden Euro verspreche, so sei dies eine Milchmädchen-Rechnung

    "Die Kommission selbst führt aus, dass eine europäische Transaktionssteuer ernsthafte Folgen hätte für das europäische Wachstum. Sie würde das europäische Sozialprodukt um 1,76 Prozent senken - das würde eine halbe Million Jobs kosten. Das sind nicht meine Zahlen, sondern die der EU-Kommission."

    Nach den eigenen Berechnungen, so Osborne stünden sogar doppelt so viele Arbeitsplätze auf dem Spiel und ein doppelt so hoher Wachstumsverlust. Welche Zahlen auch immer realistisch sind, festzuhalten bleibt, dass in Großbritannien jetzt schon Börsengeschäfte besteuert werden. Bis heute muss ein Anleger auf jeden Aktienkauf eine Abgabe von 0,5 Prozent zahlen, die sogenannte Stamp Duty Reserve Tax, während etwa Deutschland die vergleichbare Börsenumsatzsteuer im Jahre 1991 abgeschafft hat. Auch sonst kann man den Briten - deutschem Stammtisch-Gerede zum Trotz keinesfalls ein Einknicken vor der Finanzbranche vorwerfen. Sie waren die Ersten und weit und breit die Einzigen, die nach der Finanzkrise eine 50-Prozent-Sondersteuer auf Banker-Boni eingeführt haben. Die war allerdings ebenso erfolglos wie unpopulär und wurde 2010 nicht weiter geführt.

    Das Reisen bildete erfuhr letzte Woche der SPD-Kanzlerkandidat. Peer Steinbrück ärgert sich zurzeit, dass die Bundesregierung seine Vorschläge zum Trenn-Bankensystem einfach kopiert habe, während eines Londonbesuchs nahm Peer Steinbrück verblüfft zur Kenntnis, dass die Briten auch in diesem Punkt sehr viel weiter sind:

    "Ich bin hierher gereist noch sehr stark unter dem Eindruck, dass die Offiziellen hier sehr zurückhaltend sind in einer Banken-Regulierung und ich komme hierher und lese von einer Rede des Schatzkanzlers, die sehr stark auf eine Inpflichtnahme und Inanspruchnahme der Banken gerichtet ist und ich rede mit jemandem von der Bankenaufsicht, der mir sagt, in Großbritannien, in der City of London wird höchstwahrscheinlich ein Trennbankensystem eingeführt."

    Tatsächlich wird von der konservativ liberalen Regierung seiner Majestät schon seit Mitte letzten Jahres an konkreten Plänen gearbeitet. Das klassische Bank-Kundengeschäft von den risikoreichen Spekulationen des Investment-Bankings zu trennen.

    Die Pläne hat Schatzkanzler Osborne nun in einen Gesetzentwurf gegossen und auch noch einmal verschärft:

    "2013 ist das Jahr, in dem wir unser Banksystem resetten. Ich kann Ihnen versprechen, dass ihre Hausbank andere Chefs haben wird, als deren Investment-Abteilung, die auch nicht ihre Ersparnisse nutzen darf, um riskante Investments zu finanzieren - und wenn eine Bank die Regeln missachtet, wird das Finanzministerium die Macht haben, die Bank in Einzelteile zu zerschlagen. Wir ziehen nicht bloß einen Sicherheitszaun, sondern wir setzen ihn auch unter Strom."

    Sogar ein Berufsverbot für Banker, die versagen, brachte Osborne ins Gespräch. Alles dient dem einen Ziel, nie wieder soll der Steuerzahler für Fehler der Banken zahlen. Weswegen die britischen Geldinstitute auch künftig 17 bis 20 Prozent an Eigenkapital zurücklegen müssen und damit mehr als das Doppelte dessen, was in Deutschland vorgesehen ist. Erkenntnis des SPD-Reisenden:

    "Ich muss meine Haltung etwas korrigieren, dass die versuchen alle Vorteile, die es am Finanzplatz von London durch eine weitgehende Deregulierung gibt, dass das auch in Großbritannien in Angriff genommen wird, zu ändern."