Freitag, 19. April 2024

Archiv

Grenzkontrollen am Brenner
Ein Rückschlag für Europa?

In Kürze will Österreich an allen südlichen Grenzübergängen Kontrollen einführen, auch Grenzzäune sind in der Diskussion. Vor allem die möglichen Auswirkungen auf den viel befahrenen Brennerpass lassen Wirtschafts- und Tourismusverbände schon jetzt Alarm schlagen. Kritiker der Grenzkontrollen sehen zudem den Brenner als Symbol für die europäische Einigung in Gefahr.

Von Susanne Lettenbauer | 21.03.2016
    Ein mit Baumstämmen beladener Lkw befährt den Brennerpass. Im Hintergrund die schneebedeckten Alpen und Tannenwälder, im Vordergrund sieht man zwei Schilder Richtung Innsbruck und Bozen.
    Der Brennerpass zwischen dem österreichischen Tirol und der italienischen Autonomen Provinz Bozen in Südtirol (Deutschlandradio / Susanne Lettenbauer)
    Der Brennerpass kurz vor Ostern. Lkw reiht sich an Lkw. Auf der Überholspur fahren Italienurlauber Richtung Süden. Noch halten sich die Staus in Grenzen. Einen Reisepass braucht man hier seit 1998 nicht mehr. Mit dem Beitritt Österreichs zum Schengen Raum im April 1995 wurden die Kontrollen nach und nach eingestellt. Wo früher Grenz- und Zollanlagen standen, locken heute Restaurants und Outlet-Zentren Gäste an. Stoppen kann man, muss man aber nicht. Noch nicht.
    "Ich weiß, dass der Brenner ein politischer Ort ist. Ich sage immer, er ist so ein bisschen ein Barometer der europäischen Politik, wir haben es ja gemerkt. Die Grenzöffnung war für uns alle das Schönste; wir haben das alle gefeiert."
    Der Bürgermeister der italienischen Gemeinde Brenner Franz Kompatscher war damals dabei, beim Fall der Grenzbäume vor fast genau 18 Jahren, am 1. April 1998. Für seinen Ort Gossensass bedeutete das Schengen Abkommen den massiven Verlust von Arbeitsplätzen. 700 Menschen zogen weg. Die Ankündigung Österreichs, die Grenzkontrollen in Kürze wieder einzuführen, kritisiert Kompatscher trotzdem:
    "Wir haben es jetzt jahrelang genossen, dass wir hin- und herfahren und gar nicht mehr merken, dass es da mal eine Grenze gegeben hat. Also mich persönlich würde es sehr hart treffen."
    Hunderte Flüchtlingen kamen täglich über die Brennerroute
    Auf der anderen Seite der Grenze steht Kompatschers Amtskollege Karl Mühlsteiger, Bürgermeister der österreichischen Gemeinde Gries am Brenner. Er wurde gerade bei den Gemeinderatswahlen in Tirol am 13. März mit großer Mehrheit wiedergewählt:
    "Mir ist wichtig, dass die Sicherheit der heimischen Bevölkerung gewährleistet ist. Und insofern, wenn das nur mit einem Grenzzaun gewährleistet ist, dann stehen wir auch voll und ganz hinter dieser Entscheidung, denn umso mehr kehrt dann wieder Ruhe in der Bevölkerung ein und umso mehr haben wir wieder das Sicherheitsgefühl in der Gemeinde."
    Hunderte Flüchtlinge kamen im vergangenen Jahr täglich über die Brennerroute, gezählt oder registriert hat sie keiner. Die italienischen Beamten schauten weg, die österreichische Polizei ließ sie Richtung Deutschland weiterfahren. An einem Tag waren es 300, an einem anderen 900. Die extra vereinbarten trilateralen Polizeistreifen aus deutschen, österreichischen und italienischen Beamten blieben wirkungslos. 89.000 Asylanträge wurden 2015 in Österreich gestellt, allein 12.288 im Oktober. Wer keinen Asylantrag stellte, reiste weiter nach Kufstein und Rosenheim Richtung Deutschland.
    Als Deutschland in diesem Winter begann, Flüchtlinge ohne Aussicht auf Asyl an der Grenze zurückzuweisen, stieg die Zahl der Asylbewerber in Tirol auf 6.300 aus 42 Nationen. Im Jahr 2016 stellten bislang rund 10.000 Migranten einen Asylantrag in Österreich, ein Drittel der neuen Obergrenze von 37.500 pro Jahr. Fast keiner blieb jenseits der Grenze in Südtirol.
    "Wenn es Zäune braucht, werden weitere Zäune gebaut werden"
    Tennishallen, Traglufthallen und Kasernen dienen derzeit in Tirol als Flüchtlingsunterkünfte. Aber die Kapazitäten werden knapp. Der Wille zu helfen auch. Die politische Meinung hat sich gedreht. Die Äußerungen im fernen Wien kommen sehr deutlich in Tirol an:
    Hans Peter Doskozil, SPÖ: "Wir werden nicht warten können, ob mittelfristig hier diese europäischen Maßnahmen greifen werden, wir müssen jetzt handeln, wir müssen jetzt Maßnahmen setzen."
    Johanne Mikl-Leitner, ÖVP: "Und wenn es Zäune braucht, ja, werden auch weitere Zäune gebaut werden."
    Günther Platter, ÖVP: "Wir müssen leider feststellen, dass die europäische Solidarität nicht funktioniert."
    Werner Faymann, SPÖ: "Es ist ein Unterschied, ob man eine Grenze baut – wir haben 2.600 Kilometer Grenze - oder ob man a Türle baut mit Seitenteilen."
    Eine "Tür mit Seitenteilen" will Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann mithilfe eines speziellen Grenzmanagements an zwölf Grenzübergängen im Süden des Landes errichten. Auch am Brenner. Das Vorbild – der Grenzübergang Spielfeld. Vor einem halben Jahr schloss der sozialdemokratische Politiker noch Grenzzäune aus, wie sie von der Österreichischen Volkspartei ÖVP gefordert wurden.
    Faymanns Parteigenosse Hans Peter Doskozil, vor Kurzem vom Polizeichef im Burgenland zum SPÖ-Verteidigungsminister aufgestiegen, will den Brenner hingegen jetzt am liebsten sofort schließen. Und keiner widerspricht.
    "Zuerst ist festzustellen, dass sich das Jahr 2015 nicht wiederholen darf."
    Landeshauptmann Platter: Tirol ist gezwungen, den Brenner zu kontrollieren
    Tirols Landeshauptmann Günther Platter, ÖVP, unterstützt energisch die Abschottungspolitik von Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Die bisherigen EU-Flüchtlingsgipfel hätten vorzeigbare Ergebnisse vermissen lassen, ist er sich mit der Ministerin einig:
    "Wenn jetzt nicht massive Maßnahmen unternommen werden in Süditalien und dort auch ein Stopp der Flüchtlinge erreicht werden kann, haben wir ein Chaos am Brenner. Und das gilt es nun zu vermeiden."
    In Bayern werde immer stärker kontrolliert, betont Platter, die dortigen Grenzkontrollen in Kiefersfelden und Piding ließen immer weniger Flüchtlinge passieren. Der Zustrom an Migranten werde aber laut offiziellen Prognosen im Frühling und Sommer wieder zunehmen, da seien Maßnahmen unumgänglich, wolle Tirol nicht der "Wartesaal Europas" werden:
    "Ich bin aber beinahe verzweifelt, wenn ich sehe, wie viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht bereit sind, einen Beitrag zu leisten."
    Tirol sei gezwungen, den Brenner zu kontrollieren, weil die EU-Außengrenzen nicht geschützt werden, so Platter. Europa werde zerbrechen an dieser Frage, wenn nichts dagegen unternommen werde, ist der Tiroler Landeshauptmann überzeugt. Deshalb seien Grenzkontrollen am Brenner richtig und wichtig. Europa wird also am Brenner verteidigt?
    "Die EU retten? Die EU kann sich nur retten, indem alle Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen."
    Tourismus sieht geplanten Kontrollen noch gelassen entgegen
    Im Hotel von Helmut Tauber im Südtiroler Bergort Feldthurns herrscht vor Ostern noch Ruhe. Der Obmann des Hotel-und Gaststättenverbandes im Eisacktal, durch das die Brennerautobahn verläuft, versucht, gelassen zu bleiben:
    "Ich denke, jetzt müssen wir erst mal einen Moment abwarten."
    Die Grenze zwischen Österreich und Italien in Tirol
    Auch der Tourismus könnte unter den geplanten Grenzkontrollen zwischen Österreich und Italien leiden. (picture alliance/dpa/Jan Hetfleisch)
    Taubers Familie betreibt ihre Herberge hoch über dem Tal seit 1611. Alle Italienreisenden mussten hier einmal vorbei, auch Johann Wolfgang von Goethe im Herbst 1786 auf dem Weg nach Sizilien. In seinem italienischen Tagebuch beschreibt Goethe die Fahrt zum Brenner:
    "Von Innsbruck herauf wird es immer schöner, da hilft kein Beschreiben. Auf den gebahntesten Wegen steigt man eine Schlucht herauf, die das Wasser nach dem Inn zu sendet, eine Schlucht, die den Augen unzählige Abwechslungen bietet. Wenn der Weg nah am schroffsten Felsen hergeht, ja in ihn hineingehauen ist, so erblickt man die Seite gegenüber sanft abhängig, so dass noch kann der schönste Feldbau darauf geübt werden."
    "Also im Moment fühlen wir als Tourismus keine Schwierigkeiten, natürlich sind wir akut, wir sind in der Vorbereitung, bemühen uns und sind überall mit dabei, wo es gilt, Dinge vorzubereiten, aber wir sehen es im Moment noch nicht ganz so tragisch."
    Reinhold Messern: "Jetzt wird uns bewusst, was Schengen bedeutet hat"
    Einige Meter unterhalb der Taubers liegt der Moarhof am Hang. Ein alter südtiroler Wein- und Obstbauernhof. Man sei gut ausgelastet mit Gästen, sagt die Familie, Gedanken mache man sich aber natürlich schon über die politischen Ereignisse. Die Gäste hätten bislang noch nicht nachgefragt oder storniert:
    "Ich würde lieber abwarten, denn ich will ja keine Panik machen, dann ist nichts. Meine Gäste da vorzubereiten und dann sagen sie, nein, dann storniere ich lieber ... Ich meine, das ist ja unser Geschäft. Natürlich, wenn es soweit ist und die fragen nach, was los ist, dann wird man schon ehrlich antworten und sie dann herlocken und dann ist es anders, wie ich es ihnen sage, das ist sicher."
    "Ich sehe es mal in einem Punkt positiv das Ganze. Jetzt wird uns bewusst, was Schengen bedeutet hat", sagt Bergsteigerlegende Reinhold Messner, der im benachbarten Villnöss-Tal aufwuchs:
    "Wir weinen jetzt alle der offenen Grenze nach. Die offene Grenze war eine große Errungenschaft. Die wird auch wieder kommen. Aber es wird eine lange Durststrecke sein bis es soweit ist."
    In der Zentrale des einflussreichen Hotel- und Gaststättenverbandes HGV in Bozen zeigt sich Präsident Manfred Pinzger zurückhaltend. Man wisse ja nichts Genaues. 30 Millionen Übernachtungen zählt er pro Jahr, ein Anteil von 18 Prozent an der Wirtschaft Südtirols. Seine 5.000 Mitgliedsbetriebe bemerkten noch keine finanziellen Auswirkungen der geplanten Grenzkontrollen. Solange der Verkehr über den Brenner funktioniere, wolle man abwarten. Die Entscheidung Österreich könne er aber verstehen, gibt Pinzger zu:
    "Ja, natürlich, jedes Land ist in sich ja souverän, Österreich hat an und für sich im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern 2015 wesentlich mehr Flüchtlinge aufgenommen. Dass man sich darüber Gedanken macht und ein kleines Land, wie es Österreich eben ist, entsprechende Schritte einleiten muss, das scheint mir relativ klar."
    Südtiroler Handelskammer warnt vor untragbaren Auswirkungen für die Wirtschaft
    In der Bozener Handelskammer rechnen Experten bereits die Verluste bei Grenzkontrollen hoch. Die Auswirkungen auf die Bevölkerung, die Touristen und die Wirtschaft wären völlig untragbar, betont Südtirols Handelskammerpräsident Michl Ebner. Dreißig Stundenkilometer auf der Autobahn am Brenner führen notgedrungen zu Staus und in der Folge zu langen Wartezeiten:
    "Ja, über den Brenner gehen eigentlich sämtliche Transporte aus Italien in den deutschen Raum, Benelux, auch England, dann alles nach Skandinavien und auch in den ost- und nordeuropäischen Raum wie Polen."
    Im Jahr 2012 haben die meisten Güter zwischen Nord- und Südeuropa die Alpen am Brenner überquert; insgesamt waren es 40,7 Millionen Tonnen. Davon wurden 72,5 Prozent auf der Straße transportiert und nur 27,5 nutzten die Schiene.
    "Wir müssen das dann unseren Auftraggebern, den Verladern weiterreichen. Die Verlader reichen das auf die Preise über und eigentlich zahlt dann der Bürger in ganz Europa diese zusätzlichen Kosten."
    Lkws befahren den Brennerpass. Im Hintergrund die schneebedeckte Tannenwälder, im Vordergrund sieht man ein Schilder Richtung Brennersee und Obernberg Gries am Brenner
    Im Jahr 2012 haben die meisten Güter zwischen Nord- und Südeuropa die Alpen am Brenner überquert. (Deutschlandradio / Susanne Lettenbauer)
    Thomas Baumgartner, Chef der Logistikfirma FERCAM aus Bozen und Präsident der italienischen Vereinigung der Spediteure und Autotransporteure ANITA stimmt nicht in die Vorwürfe der Handelskammer ein. Schon jetzt gäbe es massive Aufschläge auf Lkw-Touren Richtung Norden, wegen der Wartezeiten an der deutschen Grenze. Diese Kosten würden umgelegt und letztlich beim Verbraucher landen. Die Grenzkontrollen schadeten somit weniger der Wirtschaft, sondern eher den Bürgern in Europa:
    "Ja, ich selbst persönlich bin immer noch überzeugt, dass eigentlich Österreich das als Druckmittel benutzt, um hier eine europäische Einigung zu finden, man sieht ja auch, dass sich jetzt was bewegt hat. Wir sind als Transporteure immer noch sehr zuversichtlich, dass hier viel Säbel gerasselt wird und dass es eigentlich zum Schluss doch nicht so weit kommt."
    Grenzkontrollen: Nur ein Säbelrasseln Richtung Brüssel?
    Kritiker der Grenzkontrollen vermuten, dass Österreich nur blufft. Säbelrasseln Richtung Brüssel, aber auch Säbelrasseln Richtung eigene Wählerschaft, das sei auffällig, sagt auch der Hotelier Helmut Tauber in Feldthurns. Im April sind in Österreich Bundespräsidentenwahlen, vorvergangenes Wochenende wurden die Gemeinderäte in Tirol gewählt. Das Hauptthema: die europäische Flüchtlingspolitik.
    Ein Erstarken der Rechten, der FPÖ, wie in Oberösterreich vergangenes Jahr, will man möglichst verhindern. Einer der Kandidaten für das Bundespräsidialamt kommt aus Tirol, der konservative ÖVP-Politiker und frühere Nationalratsabgeordnete Andreas Khol. Tirols Landeshauptmann Günther Platter wehrt energisch ab:
    "Also, so ein Blödsinn. Entschuldigung, da gibt es keinen anderen Ausdruck. Ich meine, es gibt immer wieder Wahlen, aber hier geht es um die Sache. Die Träumereien, die manche haben, die haben da keinen Platz. Auch die Hetzerei hat da keinen Platz. Man muss sich sehr vernünftig anschauen, wie entwickelt sich eine Lage und eine Situation. Und die Politik hat auch die Verpflichtung, alle Szenarien mit zu überlegen, bis zum Worst-Case-Szenario, das muss alles mitüberlegt werden, dass die Konzepte auf dem Tisch sind, aber das mit Wahlen in Zusammenhang zu bringen ist absurd."
    Praktisch alle politischen Parteien Österreichs tragen das Grenzmanagement am Brenner mittlerweile mit. Dass Grenzkontrollen Absperrungen wie Zäune bedingen, daran zweifelt jedoch Max Unterrainer, der EU Sprecher der SPÖ Tirol und Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat:
    "Es steht außer Frage, wir brauchen Grenzkontrollen, wir brauchen Kontrollen über eine geordnete Ein- beziehungsweise Durchreise. Was wir nicht brauchen, ist ein trennender Grenzzaun, der uns mitten ins Herz treffen würde."
    Europaprojekt Brennerbasistunnel soll in zehn Jahren fertig sein
    Dieses Herz, von dem in diesen Tagen gern gesprochen wird, das ist die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino, ein informeller Zusammenschluss der drei Bundesländer seit 20 Jahren in den Grenzen der historischen Grafschaft Tirol. Über 700 Jahre lang regierten die Grafen von Tirol Nord- und Südtirol sowie das sogenannte Welschland, das heutige Trentino.
    Für nationalkonservative Kreise ein wichtiges Symbol, die längst überfällige Wiedergutmachung der sogenannten Unrechtsgrenze zwischen Südtirol und dem österreichischen Nachbarbundesland. Die Europaregion dies und jenseits des Brenners gilt als Zeichen einer historischen Konstante, als Symbol für das alte und neue Europa.
    Nicht nur ist man stolz auf den Wegfall der Grenzen - in zehn Jahren soll das Europaprojekt Brennerbasistunnel fertig sein. Geschätzte Kosten: Zehn Milliarden Euro. Es sei unverständlich, wie die EU dieses grenzüberschreitende Verkehrsprojekt realisieren kann, während oben am Brenner die Grenzen geschlossen würden, so Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher:
    "Natürlich, für uns ist der Brenner eine ganz besondere Grenze. Das ist diese Unrechtsgrenze, die es nach dem Ersten Weltkrieg gegeben hat und die wir versucht haben, in den letzten Jahrzehnten auf dem europäischen Weg zu überwinden, durch den europäischen Einigungsprozess. Das ist für uns natürlich sehr bitter, wenn das nun infrage gestellt wird."
    Brenner als Symbol für die europäische Einigung
    Man stehe trotz der Entscheidungen in Wien an der Seite Tirols, betont Kompatscher eisern. Diese Krise werde die Europaregion überstehen:
    "Der Brenner ist immer als Grenze wahrgenommen worden, aber war immer auch Brücke. Schon zur Kaiserzeit ist man zur Kür nach Rom gezogen, es ist dann später auch immer Sehnsuchtsort der Italienreisenden gewesen. Inzwischen ist er Symbol für die europäische Einigung geworden, für das Überwinden nationaler Gedanken, nationalistischen Gedankengutes."
    Die ehemalige Grenzstation der österreichischen Zollwache am Bundesstraßengrenzübergang, Fahrtrichtung Tirol, in Gries am Brenner. 
    Die ehemalige Grenzstation der österreichischen Zollwache am Brenner. (imago/Eibner)
    Die Vorbereitungen für temporäre Flüchtlingsunterkünfte laufen auf Hochtouren. In Brixen entwickelten Schüler mobile Wohncontainer. Die Caritas hat zusätzliche Aufnahmekapazitäten aufgebaut. Man verzichte aber auf Zeltstädte, betont Kompatscher. Am Brenner direkt sind keine Unterkünfte geplant, weil man davon ausgehe, dass alles nur Übergangslösungen sind, betont der Landeshauptmann Südtirols:
    "Wir haben Unterkünfte vorbereitet, die als Puffer fungieren sollen, also für die Zeit, wo dann Menschen vom Süden noch weiter zuströmen, aber am Brenner nicht durchgelassen werden, damit diese zeitweilig betreut werden können. Allerdings fordern wir auch, dass sie auf jeden Fall in das italienische System aufgenommen und gegebenenfalls auf alle Regionen verteilt werden."
    In der Landespolizeidirektion Innsbruck koordiniert eine Einsatzgruppe die Maßnahmen für die Grenzkontrollen. Behördenchef Helmut Tomac erhält die Anweisungen direkt vom Innenministerium in Wien. 1.500 neue Polizeibeamte stellt das Ministerium in diesem Jahr zur Verfügung. Noch wird mit Italien über Ausweichkontrollstellen in Sterzing diskutiert, um mögliche Staus zu entzerren. Flüchtlinge, die per Zug ankommen, werden erst einen Bahnhof später im österreichischen Steinach registriert und im Zweifelsfall wieder nach Italien zurückgeschickt.
    "Es ist so vorgesehen, dass wir am Brenner natürlich alles unternehmen, um Wirtschaft, Tourismus und dergleichen möglichst flüssig zu halten, wir haben im Gegensatz zu Kiefersfelden am Brenner Mehrfachspuren, was die Autobahn betrifft. Wir haben eine eigene Lkw-Spur, wo wir Sichtkontrollen machen und noch eine zusätzliche Lkw-Spur, wo wir dann stichprobenartig die Lkw herausnehmen und kontrollieren."
    "Ostern wird noch nicht relevant sein"
    Jetzt hänge es sehr stark davon ab, wie Italien reagiere, so Tomac. Von zentraler Bedeutung sei die Einrichtung von Pufferzonen im Süden von Italien, so genannte Hotspots, die auf EU-Ebene längst beschlossen wurden. Man müsse auf jeden Fall ähnliche Bilder wie die von der griechisch-mazedonischen Grenze verhindern, nicht nur zu Beginn der Osterreisezeit, ist Tomac überzeugt:
    "Also, Ostern haben wir besprochen. Aus heutiger Sicht wird Ostern noch nicht relevant sein mit unserem Grenzmanagement. Wir werden nicht jedes Auto anhalten, nicht jeden Pass kontrollieren, sondern versuchen, die Autos mit zwanzig, dreißig Stundenkilometer durchfahren zu lassen und Sichtkontrollen zu machen, die zu Kontrollierenden auf einen separaten Platz verbringen.
    Letztendlich sind wir diese Situation, wenn ich den Walserberg hernehme von Salzburg Richtung Deutschland, ja schon seit einiger Zeit gewohnt. Also auch Österreicher müssen da in dem Fall in Kauf nehmen, dass diese halbe Stunde, Stunde Verzögerung eintritt. Ja, das wird wohl auch am Brenner so sein. Aber letztlich ist es eben eine Stunde von einer Urlaubswoche oder von vierzehn Tagen Urlaub und das sollte im Sinne der Gesamtinteressen vertretbar sein."
    Durchreisende Urlauber und Gäste des Einkaufszentrums am Brenner wirken erstaunlich ruhig. Sie wollen sich nicht einschüchtern lassen von den Plänen Österreichs:
    "Das ist in Ordnung. Damit habe ich kein Problem. Da kann man gewissen Dingen doch schon Einhalt gebieten im Vorfeld."
    "Also ich bin der Meinung, irgendwie muss der Zaun her. Tut mir leid, denn so wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen."
    "Kontrolle ja, aber Zaun muss nicht sein."
    "Ach, da gibt’s doch keinen Zaun. Das ist eine Grenzkontrolle und fertig. Und das ist okay."