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Grenzland Griechenland (5/5)
Griechische Ziegen, albanische Hirten

Nach dem Ende des Kommunismus in Albanien kamen in den 1990er-Jahren Hunderttausende nach Griechenland. Bis heute arbeiten viele Albaner lieber für wenig Geld als Maurer, Maler oder Hirten, als in der Heimat arbeitslos zu sein.

Von Panajotis Gavrilis | 23.02.2018
    An der griechisch-albanischen Grenze
    An der griechisch-albanischen Grenze (Dradio/ Panajotis Gavrilis)
    Die kurvige, aber gut asphaltierte Straße führt durch dichten Wald mitten im Gebirge. Verschneite Bergspitzen, blattlose, kahle Bäume prägen die Landschaft. Bis auf Dimitris sind nur zwei Kühe auf der Straße unterwegs.
    "Siehst du den Bergkamm da drüben? Da ist die Grenze. Zu unserer Seite hin, da wo es am Berg runtergeht: Das ist Griechenland. Auf der anderen Seite ist Albanien."
    Offene Grenze in der Region Epirus
    Hier in den Bergen verläuft die Grenze mitten durch den Wald, ohne Zaun, ohne Stacheldraht. Ohne Überwachung. Wer sich in der Region Epirus auskennt, kann die 300 Kilometer lange griechisch-albanische Grenze problemlos überqueren und unbemerkt in die EU einreisen. Das wissen vor allem auch Drogenkuriere. Laut griechischer Polizei wurden 2016 etwa 65 Prozent des beschlagnahmten Cannabis über Albanien geschmuggelt.
    Auf einem Berghang, etwa 600 Meter hoch, stehen mehrere Ställe für die knapp 1.000 Ziegen und Schafe.
    "Die Kleinen haben schon Mittag gegessen. Jetzt kriegen sie auch noch etwas. Die großen Schafe müssen dafür raus, sie lassen die Babys sonst nicht essen. Klar ist der Job anstrengend. Du musst dich um alles kümmern. Ich bin jeden Tag hier."
    Im Stall riecht es eindringlich nach Essig. Das ist der Uringestank der Schafe, meint Nico, 35, der in Turnschuhen, Jeans und Pullover die Heuballen im Stall verteilt.
    Keine Arbeit in der Heimat
    Nico sieht seinen Sohn und seine Frau nur für ein paar Wochen. Auch der 50-jährige Tarik hat seine Familie in Tirana gelassen.
    "Drüben bei uns gibt es keine Arbeit. Die Oberen denken nur an sich und ihre eigene Tasche, nicht aber an die einfachen Leute. Deswegen sind wir hier, haben unsere Kinder und Frauen zurückgelassen. Natürlich hätte ich sie lieber hier bei mir, aber wo sollen sie hier hin? Ich habe hier kein Haus und ich bin mit den Tieren bald unterwegs. Sechs Monate hier in den Ställen, sechs Monate oben in den Bergen."
    24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche - ein harter Job.
    "Es ist schon in Ordnung. Wenn damals die Grenze nicht geöffnet worden wäre, wo hätten wir in Albanien arbeiten sollen? Ich bin freiwillig hergekommen und hier gilt: 'Du kriegst so viel, wie du arbeitest. Wenn du nicht willst, dann geh.' Was soll ich also machen? Ich will ja arbeiten."
    Nach dem Ende des Kommunismus in Albanien, kamen in den 1990er-Jahren Hunderttausende nach Griechenland. Kaum ein neues Gebäude wurde ohne albanische Arbeiter gebaut. In den Städten sind sie Maurer oder Maler. Auf dem Land sind sie Bauern oder Hirten. Gerade hier in der Region seien alle Hirten Albaner. Ohne sie könnte ich keine Tiere halten, sagt der Grieche Dimitris.
    "Es geht nicht nur um die Herden. Es ist in ganz Griechenland so: Es gibt einfach niemanden, der anpackt. Die meisten jungen Leute haben studiert. Wenige sind Arbeiter oder Bauern geworden. Wo findest du hier heute einen Arbeiter? Wenn es niemanden gibt, der anpackt, dann gibt es keine Herden und auch keine Produktion."
    Schlichtes bis ärmliches Leben in Griechenland
    Die Lebensverhältnisse zumindest für die vier albanischen Arbeitskräfte sind schlicht bis ärmlich. Im Steinhaus mit Holzofen, kleiner Kochnische und einem Zwei-Quadratmeter-Bad leben sie monatelang auf engstem Raum.
    Das Licht funktioniert leider nicht. Also das Zimmer ist vielleicht maximal 12 Quadratmeter groß, ein Meter Mal 1,80 sind die Betten groß.
    Wie hält es sich das hier aus, wenn drei Männer hier in einem so kleinen Zimmer schlafen?
    "Wir sind Freunde", antwortet Tarik. Er und die anderen Hirten geben sich bescheiden: Immerhin empfangen sie albanisches Fernsehen über Satellit, sagen sie. Insgesamt sei das hier alles immer noch besser, als in Albanien arbeitslos zu sein.
    (*) Anmerkung der Redaktion: Die Namen der Protagonisten wurden geändert.