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Grexit
Söder: Ein Rücktritt Tsipras ist nicht relevant

Dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras traue man eine ökonomische Umsetzung der Reformen nicht zu, sagte der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) im DLF. Daher sei die Drohung Tsipras, möglicherweise zurückzutreten, auch nicht wichtig.

Markus Söder im Gespräch mit Christine Heuer | 30.06.2015
    Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU).
    Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU). (imago / Schreyer)
    Es sei dennoch schlimm, dass Tsipras überlege zurückzutreten, wenn sein Volk im Referendum gegen einen Ausstieg aus dem Euro-Raum stimme. "Hier spielt jemand mit seinem eigenen Volk, mit Europa", sagte Söder. Er nannte das Verhalten unseriös.
    Grexit ist ehrlicher Weg
    Söder plädierte für einen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro-Raum. "Mit dieser Regierung ist ein Grexit unvermeidbar und es wäre ein ehrlicher Weg. Ein geordneter Ausstiegsplan ist ein besserer Weg für beide Seiten", sagte Söder weiter.
    Auf die Frage, wie es weitergehen werde, wenn beim Referendum für einen Verbleib im Euro-Raum gestimmt werde, sagte Söder: "Ein Ja des griechischen Volkes bedeutet nicht, dass neu verhandelt werde, sondern ein Ja zum jetzigen Angebot. Aber wie soll das gehen, wenn die griechische Regierung das ablehnt?"
    Das vollständige Interview können Sie hier nachlesen.
    Christine Heuer: Das letzte, was wir von Alexis Tsipras gehört haben, ist, dass er ein Ja der Griechen zum Rettungsplan der Gläubiger nicht umsetzen wird, verbunden mit so etwas wie einer Rücktrittsankündigung.
    Am Telefon ist der bayerische Finanzminister, natürlich von der CSU, Markus Söder. Guten Morgen!
    Markus Söder: Guten Morgen. Grüß Gott!
    Heuer: Alexis Tsipras, Herr Söder, will ein Ja der Griechen im Referendum nicht umsetzen. Wittern Sie Morgenluft? Tritt Tsipras vielleicht zurück?
    Söder: Letztlich ist es nicht relevant, ob Tsipras im Amt bleibt oder zurücktritt. Das Schlimme an der Geschichte ist, wenn man sich jetzt allein den kurzen Vorbericht anhört: Er überlegt, zurückzutreten. Er sagt seinem Volk, sie sollen unbedingt dagegen stimmen, und glaubt, dass dann danach nach einem Nein bessere Verhandlungsoptionen sind. Das Ganze ist so tief unseriös, dass man sagen kann, hier agiert einer enorm mit Europa übrigens als Ganzem, aber vor allem mit seinem eigenen Volk. Insofern hoffe ich, dass die Griechen unabhängig von der Entscheidung von Herrn Tsipras eine vernünftige Entscheidung treffen.
    Heuer: Mit dieser Regierung wollen Sie jedenfalls nicht mehr reden?
    Söder: Das Problem ist, dass man mit dieser Regierung schwer reden kann. Ich selber bin ja in der privilegierten Situation, dass ich gar nicht reden muss.
    Mit Tsipras ist Grexit unvermeidbar
    Heuer: Manchmal schon.
    Söder: Ja. Ich bedauere ja manchmal die Euro-Finanzminister, die sich hier wirklich bis an die Grenzen der Möglichkeit Mühe geben, ins Gespräch zu kommen, und immer wieder aufs Neue vor den Kopf gestoßen werden. Ich glaube, das ist das Grundproblem an der ganzen Situation. Deswegen denke ich, dass am Ende mit dieser Regierung ein Grexit fast unvermeidlich ist und dies auch der ehrlichere Weg wäre, zumal man noch sagen muss, dass die Fundamentaldaten, also die ökonomischen Argumente zunehmend gegen einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone sprechen. Es ist ja nichts anderes als eine Hängepartie von Woche zu Woche. Insofern glaube ich, dass eine geordnete, eine vernünftige, ein wohlüberlegter Ausstiegsplan am Ende der bessere Weg für beide Seiten ist.
    Heuer: also keine offene Tür mehr, Herr Söder? Verstehe ich Sie richtig? Und auch keine finanzielle Brücke zwischen heute und Sonntag, wie es ja zum Beispiel das Europaparlament vorschlägt?
    Söder: Wir werden jetzt sehen, was die nächsten Stunden und ein, zwei Tage passiert. Es überschlägt sich ja die Meldung jeden Tag sozusagen um die Optionen. Die Bundeskanzlerin hat ja gesagt, dass natürlich generell die Türen offen sind, aber offen heißt jetzt nicht, dass die Bedingungen komplett geändert werden. Türen offen heißt ja zu dem Lösungsvorschlag, der gemacht wurde und der ja schon, wenn man ganz ehrlich ist, ein sehr, sehr großzügiger ist und der schon auch in vielen Parlamenten in Europa kein leichter Weg war für Regierungen, wenn sie den vorschlagen. Denn in vielen Ländern Europas geht es ja deutlich schlechter als Griechenland und viele Parlamentarier in anderen Ländern Europas haben niedrigere Rentenniveaus, niedrigere Mindestlöhne, sollen jetzt aber Solidarbeitrag für Griechenland bringen. Da ist schon viel an Ärger angestaut. Man muss ja nur die Pressestimmen selbst in Spanien und Italien lesen. Da wird eher sogar offen für ein Nein zu Griechenland geworben.
    Referendum-Ja bedeutet keine neuen Verhandlungen
    Heuer: Aber wenn die Griechen nun im Referendum Ja sagen zum Gläubigerplan, dann wird wieder verhandelt über Hilfsprogramme, wie wir das in den letzten Monaten schon erlebt haben?
    Söder: Ein Ja des griechischen Volkes kann ja nicht bedeuten, es soll neu verhandelt werden, sondern es bedeutet ja nur ein Ja zu dem jetzigen Angebot. Das heißt, das muss dann umgesetzt werden. Die Frage ist nur, wie soll das gehen, wenn die Regierung quasi das ablehnt, denn das Grundproblem besteht doch. Selbst wenn ein verhandeltes Papier auf dem Tisch liegt, selbst wenn die griechische Regierung zusagen würde, sie möchte es umsetzen, wer glaubt, wer vertraut dieser Regierung, die in den letzten Wochen und Monaten alles getan hat, jede Form von Vertrauen zu verspielen, und der man übrigens auch nicht zutraut, dass sie eine ökonomisch vernünftige Regelung umsetzen könnte.
    Heuer: Aber das Hilfsprogramm ist ja nicht vom Tisch. Das sagen Sie ja selber. Ist es Ihrer Fraktion eigentlich noch zuzumuten, darüber noch einmal nachzudenken?
    Söder: Man wird sehen, wenn die Entscheidung jetzt kommt, ob und wie das dann gemacht werden soll. Natürlich gibt es hier eine klare Beschlusslage auch der Institutionen zu diesem jetzigen Angebot. Ich glaube nur, dass am Ende die griechische Regierung so oder so dieses Angebot nicht annehmen will und immer wieder einen Grund finden wird, es zu verzögern oder nicht umsetzen zu können oder hinauszögern zu wollen. Das Grundproblem ist und bleibt dabei: Griechenland kann und will vor allen Dingen nicht dieses System der gegenseitigen Vernunft und der Solidarität akzeptieren, das in Spanien, in Portugal und anderswo ehrlicherweise große Erfolge gezeigt hat. Griechenland setzt sich selbst außerhalb dieser Solidarität und das ist das eigentlich Schlimme an der ganzen Situation.
    Die Welt kann sich nicht dauern um Griechenland kümmern
    Heuer: Aber das Hilfsprogramm - ich komme noch mal darauf zurück -, das ist immer noch nicht ganz vom Tisch. Wollen Sie wirklich noch mal eine Bundestagsabstimmung riskieren, bei der die CSU dann vorher heftig protestieren dürfte und den Rettungspaketen dann vielleicht am Ende doch zustimmt? Kann ja sein, dass es in Griechenland auch eine neue Regierung gibt.
    Söder: Hätte, hätte, Fahrradkette, hat da jemand mal gesagt. Wir werden sehen, was dann am Ende in diesen Tagen herauskommt. Ich glaube, dass am Ende - - Ich kann jetzt nicht prognostizieren, welcher Winkelzug zu welchem Zeitpunkt kommt. Ich glaube nur, das ist für mich persönlich gesprochen und ich glaube, ich denke wie viele Deutsche da, dass am Ende ein Grexit, und zwar ein sauber vorbereiteter, ein vernünftig organisierter und auch langfristig der bessere Weg wäre, denn das ist jetzt eine Hängepartie. Man stelle sich jetzt vor, es wird noch einmal dieses Programm verlängert. Dann stehen wir im Herbst wieder vor derselben Situation.
    Und ehrlicherweise, bei den großen Problemen, die wir haben, von IS-Terror, der sich anbahnt auch nach Europa, internationale Herausforderungen, eigentlich kann sich auch Europa und die Welt nicht dauernd nur um Griechenland kümmern und damit beschäftigen und nur die Launen einer griechischen Regierung in Athen, dass damit sozusagen ganz Europa gelähmt und blockiert wird. Das ist schon eine schwierige Situation, die irgendwie so oder so demnächst eine vernünftige und ohne Panik eine saubere Lösung verlangt.
    Heuer: Das liegt aber nicht in der Hand der anderen, sondern in der von Athen. Was machen Sie eigentlich, wenn Syriza bleibt, und zwar an der Regierung und im Euro? Rausschmeißen kann man die ja nicht.
    Söder: Ja, das wird sich zeigen. Letztlich kommt es ja darauf an, ob die entsprechenden Hilfszusagen geleistet werden, und da haben jetzt die Institutionen, auch die EU-Finanzminister, auch die Staatschefs eine relativ - und das finde ich auch gut - klare Sprache gesprochen, dass der Plan B für Griechenland nicht so aussehen kann, dass der Plan A noch mal aufgeweicht wird. Das wäre übrigens der falsche Ansatz, sondern da gibt es jetzt einen klaren Ansatz und es geht ja auch um die Glaubwürdigkeit der gesamten Euro-Zone.
    Man stelle sich vor, man hat jetzt im ganzen Verfahren solche klaren Akzente gesetzt und kommt dann am Ende zu dem Ergebnis, dass man doch alles so macht, wie Tsipras will. Dann passiert Folgendes: Dann gibt es tatsächlich eine Ansteckungsgefahr in der Eurozone, aber nicht, wie man vor drei, vier Jahren befürchtet hat, dass Länder ausscheiden, sondern dass Länder innerhalb der Eurozone sich sagen, dann machen wir doch das griechische Modell und wählen einfach nur sehr extreme linke Regierungen, und am Ende haben wir eine Art sehr deutschen Länderfinanzausgleich auf europäischer Ebene. Der bedeutet etliche Massen Schulden, wenige zahlen, dazu gehört Deutschland.
    Heuer: Herr Söder, aber Regeln werden doch ständig gebrochen, von Frankreich zum Beispiel. Da lässt die Europäische Kommission das zu. Auch Deutschland hat die Drei-Prozent-Marke ja gerissen. Warum geht es immer nur gegen die Griechen, wenn die das machen?
    Söder: Zunächst mal haben Sie völlig recht, dass die damalige Regierung unter Gerhard Schröder uns Hans Eichel diesen Bereich mehrfach damals verletzt hat. Das war übrigens damals schon ein großer Fehler. Man hat das aber korrigiert, indem man mit Fiskalpakt und Stabilitätspakt dem ganzen System schärfere Zähne gegeben hat nach der großen Eurokrise. Es ist in der Tat so, dass nach der Eurokrise man die Mechanismen verbessert hat, die übrigens auch dazu helfen würden, dass, sollte Griechenland aus dem Euroraum ausscheiden, die Kollateralschäden für Griechenland groß sind in der Tat, aber für den europäischen Verbund eher überschaubar bleiben.
    Griechenland braucht Reform des Staatswesen
    Heuer: Aber, Herr Söder, diese scharfen Zähne, die beißen ja nicht immer und nicht jeden.
    Söder: Sie sollen ja nicht beißen, aber sie sollen klar machen, dass sie funktionieren, und funktionieren heißt in dem Fall ganz klar, Griechenland hat so viele Optionen bekommen, hat diese Optionen nicht gezogen, ganz im Gegenteil Zeit verplempert. Hinzu kommt ja noch eines: Wenn wir in anderen Fällen über Volkswirtschaften reden, die ein stabiles Staatswesen haben, liegt ja in Griechenland nicht nur das Problem darin, dass sie jetzt mal eine Finanzknappheit haben von ein, zwei Milliarden, sondern im Grunde - und auch das bedarf eine Reform des Staatswesens - von Grund auf. Darin liegt ja das eigentliche Problem. Die Produktivität geht ja gen null und durch die neue Regierung hat sich das noch verschlechtert. Da müsste etwas getan werden und deswegen, glaube ich, braucht es diese Regeln, um auch alle anderen zu schützen.
    Heuer: Ihre Prognose? Wann ist der Spuk vorbei?
    Söder: Na ja, das ist jetzt eine sehr schwierige Frage. Wir haben ja jetzt jeden Tag irgendwie eine Verlängerung dieser Situation. Das wichtigste Datum dürfte jetzt dann sicherlich diese Volksabstimmung erst einmal sein, aber auch dann ist nichts vorhersehbar. Deswegen glaube ich auch, bevor man sich nicht ständig abhängig macht von Interviews, die aus Athen kommen, sollten die Europäer am Ende dann ein geordnetes und vernünftiges und auch ökonomisch sinnvolles Verfahren wählen.
    Heuer: Der bayerische Finanzminister Markus Söder im Interview mit dem Deutschlandfunk. Die schlechte Telefonleitung, die bitten wir zu entschuldigen. Herr Söder, an Sie vielen Dank.
    Söder: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.