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Griechenland-Abstimmung
"Die mit Nein stimmen sind keine Helden"

Carsten Linnemann will heute im Bundestag gegen eine Verlängerung der Finanzhilfen für Griechenland stimmen. Die Währungsunion in ihrer jetzigen Konstruktion habe keine Zukunft, sagte der CDU-Abgeordnete im DLF. Eine konstruktive Debatte sei notwendig – aber nicht immer möglich gewesen.

Carsten Linnemann im Gespräch mit Christoph Heinemann | 27.02.2015
    Carsten Linnemann, Vorsitzender der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung
    Carsten Linnemann, Vorsitzender der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung (dpa / Karlheinz Schindler)
    In der Regierungskoalition mit der FDP hätte eine solche Ablehnung im Bundestag weitere Finanzhilfen für Griechenland stoppen können, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung im Deutschlandfunk. Heute seien unterschiedliche Meinungen möglich und das sei gut so. Er selbst habe bereits 2012 das Hilfspaket für Griechenland abgelehnt, und seine Beweggründe seien heute dieselben, so Lindemann.
    Die Währungsunion in ihrer jetzigen Konstruktion habe keine Zukunft. Die in der Finanzkrise eingeführten Instrumente seien "stumpf" und müssten nachgebessert werden. Der Euro-Rettungsschirm biete keine Antwort auf die Frage, wie mit Staaten umzugehen sei, die langfristig nicht an die Kapitalmärkte zurückkehren könnten. Deshalb plädiere die Mittelstandsvereinigung für eine "Staateninsolvenzordnung".

    Das Interview in voller Länge
    Christoph Heinemann: Auf dem anderen Telefon Carsten Nummer zwei, nämlich der Bundestagsabgeordnete Linnemann von der CDU. Er ist Vorsitzender der Unions-Mittelstandsvereinigung. Guten Morgen!
    Carsten Linnemann: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Hat Herr Schneider Sie überzeugt?
    Linnemann: Nein, hat er nicht. Aber ich respektiere das. Es gibt unterschiedliche Meinungen und ich glaube, wir sind jetzt an einem Zeitpunkt angelangt im Vergleich von vor zwei, drei Jahren, dass heute kritisch geredet wird, auch konstruktiv, und man wird nicht als Europakritiker abgestempelt, wenn man eine andere Meinung hat, und das gefällt mir.
    Heinemann: Sie werden mit Nein stimmen heute?
    Linnemann: Ich werde heute mit Nein stimmen, weil ich auch das Paket grundsätzlich abgelehnt habe 2012, und die Gründe haben sich nicht geändert.
    Heinemann: Nämlich?
    Linnemann: Ich glaube, um es mal grundsätzlich auszudrücken, dass die Währungsunion in der jetzigen Konstruktion, so wie sie jetzt gebaut ist, keine Zukunft hat. Sie werden feststellen, auch in der Geschichte, es hat nie eine Währungsunion gegeben, die funktioniert hat ohne Durchgriffsrechte. Und deswegen plädieren wir von der Mittelstandsvereinigung auch seit Jahren für eine Staaten-Insolvenzordnung, die ganz klar einen Fahrplan vorgibt, wie man mit Staaten umgeht, die an den Kapitalmarkt nicht zurückkommen können.
    Mit anderen Worten: Der Rettungsschirm, den es jetzt gibt, oder der Mechanismus, der gibt eigentlich nur eine Antwort auf die Frage, was passiert, wenn man die Bedingungen einhält, oder die Auflagen. Dann gibt es neue Kredite. Aber auf die Frage, was passiert, wenn die Bedingungen, die Auflagen nicht eingehalten werden, gibt es meiner Meinung nach keine überzeugende Antwort.
    Heinemann: Herr Linnemann, wir wollen uns anhören, was Bernd Lucke gesagt hat, der Vorsitzende der AfD:
    "Das ist ein großer Sieg für Griechenland, denn Griechenland hat ja keinerlei konkrete Zusagen gemacht. Die haben einen siebenseitigen Brief geschrieben, da stehen praktisch keine Zahlen drin, reine Absichtserklärungen, ohne dass irgendwie quantifiziert wird, welche Sparanstrengungen Griechenland unternimmt. Also keine konkreten Zahlen, aber sie kriegen konkrete Zahlungen dafür, und das ist doch kein schlechtes Geschäft für die Griechen."
    Ist das heute ein guter Tag für die AfD?
    Linnemann: Nein, das sehe ich nicht so. Die Zweifel sind natürlich begründet von Herrn Lucke. Die AfD stellt auch zum Teil die richtigen Fragen, nur katastrophale Antworten. Stellen Sie sich mal vor, Deutschland würde heute aus dem Euro austreten, zurück zur D-Mark. Das sind für mich populistische Ansätze. Ganz so einfach ist es nicht! Ich meine, es macht sich ja keiner einfach im Deutschen Bundestag bei dieser Abstimmung, oder auch bei den letzten, weil das natürlich kompliziert alles ist, und so einfach wie Herr Lucke kann man es sich nicht machen.
    "Das ist alles stumpf, was da beschlossen wird"
    Heinemann: Aber schauen wir uns das mal an: Griechenland wird über Jahre mit Milliarden gefüttert werden. Die Europäische Zentralbank zerkocht den Euro gerade zur Weichwährung. Hatten Sie sich die Währungsunion so vorgestellt?
    Linnemann: Ich habe ja gesagt: Sie hat einen Konstruktionsfehler. Ich meine, man macht mir häufig den Vorwurf, dass ich zu ökonomisch denke und die politische Komponente unterschätze. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass eine Währungsunion nach ökonomischen Gesetzmäßigkeiten nun mal funktioniert. Das ist so! Die Gravitation, die Schwerkraft, das kann man nicht wegreden, und ich glaube, man hat versucht, es über Regeln zu organisieren - Stichwort Maastricht -, und es wurde dann gebrochen. Wir Deutschen waren mit dabei.
    Jetzt hat man in den letzten Jahren versucht, diese Regeln zu verschärfen. Sie kennen die Stichworte Sixpack, Twopack. Man hat einen Quasi-Automatismus im Bereich von Sanktionen für Länder, die die Stabilitätskriterien nicht einhalten, eingeführt, und jetzt sehen wir wieder: Frankreich bekommt wieder eine Verlängerung um zwei, drei Jahre, im Jahre 2017 stehen die Präsidentschaftswahlen an, und man sieht, das ist alles stumpf, was da beschlossen wird, und deshalb müssen wir dringend nachbessern.
    Heinemann: Wird in der Eurozone heute südeuropäisch gesprochen?
    Linnemann: Nein. Das sind platte Behauptungen und ich glaube, wir müssen weg von diesem südeuropäisch, nordeuropäisch. Wir brauchen eine konstruktive Debatte und wir als Mittelstandsvereinigung bringen uns ein, übrigens nicht nur jetzt, sondern seit sechs, sieben, acht Jahren und fordern eine Staaten-Insolvenzordnung, mit anderen Worten einen Fahrplan für Staaten, die nachhaltig nicht zurückkommen können, wie geht man mit der Kapitalverkehrsfreiheit um, mit der Beteiligung von Gläubigern bis hin zu Parallel- oder neuen Währungen.
    "Jeder hat seine freie Entscheidung"
    Heinemann: Herr Linnemann, wieso trauen sich so wenige Ihrer Parteifreunde, heute mit Nein zu stimmen?
    Linnemann: Ganz ehrlich, Herr Heinemann: Es macht sich doch keiner einfach. Ich finde es auch zu einfach zu sagen, die, die mit Nein stimmen, sind Helden oder wie auch immer. Wir haben doch lange Debatten in der Fraktion und hoch konstruktiv und da wird auch keiner unter Druck gesetzt. Jeder hat seine freie Entscheidung und das ist auch gut so in einer Volkspartei. Das muss man aushalten können. Deswegen ist das auch bitter, die Ankündigung von Wolfgang Bosbach, dass er überlegt, Konsequenzen zu ziehen. Wir brauchen solche Persönlichkeiten und deshalb glaube ich, auch diejenigen, die heute mit Ja stimmen, machen es sich nicht einfach.
    Heinemann: Es wird keiner unter Druck gesetzt, haben Sie gesagt. Aber vielleicht hat ja doch der eine oder andere Jasager Angst vor Frau Merkel?
    Linnemann: Nein! Das glaube ich nicht. Ich glaube, wir brauchen eine konstruktive Debatte. Ich gebe zu, in der letzten Koalition mit der FDP war das natürlich eine knappe Geschichte. Wenn Sie da mit Nein gestimmt haben, haben Sie auch so was mal stoppen können. Es ging um die eigene Mehrheit; jetzt geht es nicht mehr um die eigene Mehrheit. Da gibt es schon einen Unterschied zu damals, das gebe ich zu. Trotzdem sind wir jetzt in einem Modus, wo wir konstruktiv miteinander reden können.
    Heinemann: Ihr Nein ist heute ein Luxus-Nein?
    Linnemann: Das ist wieder so eine Aussage. Ich habe von Anfang an, ich habe auch dieses Rettungspaket 2012 nicht unterstützt. Ich habe mir jetzt noch mal meine persönliche Erklärung angeschaut von damals. Daran hat sich leider nichts geändert. Ich kann die heute eins zu eins so abgeben wie damals und deshalb wieder ein Nein.
    Heinemann: Das war der CDU-Politiker Carsten Linnemann. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Linnemann: Danke, Herr Heinemann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.