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Griechenland
Das Geld des Staats, der keines hat

Von Mittwoch bis Freitag werden in Griechenland die meisten Banken wohl doch wieder öffnen. Geld für Rentenauszahlungen oder ähnliches ist zum Glück noch vorhanden. Doch woher kommen derzeit eigentlich die Einnahmen des griechischen Staates, um zumindest diese Zahlungen zu gewährleisten?

Von Michael Braun | 30.06.2015
    Palmen vor blauem Himmel und Sonnenschein
    Der Tourismus ist für Griechenland extrem wichtig. 2014 erwirtschaftete dies Branche 13,5 Milliarden Euro. (Jan-Martin Altgeld )
    Im Werbevideo des griechischen Tourismusverbandes tanzen schöne Menschen am Strand. Sie streifen durch die historischen Stätten, halten die Hand vom Segelboot aus in blaues Wasser.
    Wer mal da war, weiß: Vieles ist so. Aber die Begleitmusik der Ratingagentur Standard & Poor's zum aktuellen Griechenlanddrama lautet: Herabstufung der Kreditwürdigkeit auf "ungenügend". Der Ausblick: negativ, auf "zahlungsunfähig" also. Dies verband die Agentur gestern Abend mit der Prognose, in Griechenland werde dieses Jahr die gesamtwirtschaftliche Leistung um drei Prozent schrumpfen. Für eine Branche, den Tourismus, ist es geradezu katastrophal, dass die politischen Querelen mitten in der Saison kulminieren. Denn die Branche ist bedeutend für die griechische Volkswirtschaft. Stefan Schneider, Europa-Volkswirt der Deutschen Bank:
    "Die Griechen können im Moment keine Überweisungen ins Ausland tätigen. Aber natürlich können die Ausländer gerne ihr Geld in Griechenland ausgeben. Und der Tourismus ist extrem wichtig. Man muss natürlich auch sehen, wie er aufgebaut ist: Ein erheblicher Teil sind ja internationale Veranstalter. Also, wie viel von den Ausgaben, den ein deutscher Tourist für seinen Griechenlandurlaub tätigt, dann tatsächlich in Griechenland verbucht werden, ist natürlich noch mal eine Frage. Generell ist das natürlich ein Punkt, wo Griechenland reüssieren kann."
    2014 war ein Rekordjahr für den griechischen Tourismus. Es kamen 23 Prozent mehr Besucher, insgesamt 22 Millionen. Griechenland nahm dabei rund 13,5 Milliarden Euro ein. Das waren fast acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Oder anders gesagt: Mit diesen Einnahmen konnte Griechenland seine Importe von Arzneimitteln, Kunststoffen, Stahl, Maschinen und Autos bezahlen.
    Arbeitsabwanderung in vollem Gange
    Eine weitere Einnahmequelle ist die Lohnarbeit. Die deutsche Außenhandelsorganisation Germany Trade and Invest berichtet, immer mehr multinationale Konzerne aus den Bereichen Pharma und Kosmetik nutzten günstige Lohnkosten und gutes Know-how griechischer Unternehmen, um im Rahmen von Auftragskooperationen in Griechenland fertigen zu lassen. Das erscheint wohl auch sicherer, als selbst in eigene Fabriken zu investieren. Die Hürden scheinen zu hoch. Klaus Engel, der Chef des Spezialchemiekonzerns Evonik, hat sie so beschrieben:
    "Wenn man da erst mal beginnt in Griechenland und muss feststellen, wem gehört da welches Grundstück und wie sind die Rechtsverhältnisse geregelt, dann fängt man natürlich bei Adam und Eva erst mal an. Da fehlt es an Fundamentalem."
    Daran hat auch die jetzige Regierung bislang nichts geändert. Sie hat eher Investoren verschreckt, auch solche, die eine weitere Geldquelle Griechenlands speisen wollten: die Privatisierungen. Fraport etwa, der Betreiber unter anderem des Frankfurter Flughafens, wollte 1,3 Milliarden Euro zahlen, um gemeinsam mit einem griechischen Minderheitsaktionär 14 griechische Regional- und Ferienflughäfen zu übernehmen. Man spricht noch miteinander. Aber zuletzt war zu hören, Fraport denke darüber nach, das Angebot zurückzuziehen.
    Weggehen, das tun auch viele Griechen, für eine gute Zukunft des Landes die falschen. Deutsche-Bank-Volkswirt Schneider:
    "Wir sehen natürlich im Moment das Phänomen, was wir praktisch in allen südeuropäischen Krisenstaaten haben, dass die, die die sprachliche Kompetenz haben und auch auf dem europäischen, speziell auf dem deutschen Arbeitsmarkt attraktiv sind, ihrem Land den Rücken kehren. Und von daher wird das natürlich noch schwieriger."
    Und wenn sie aus dem Ausland Geld an die Familie in Griechenland überweisen sollten – schön. Aber für finanzielle Stabilität in Griechenland reichen wird es nicht.