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Griechenland
"Die Troika-Politik ist erfolgreich"

Bislang fordere Griechenland nur, statt selbst Vorschläge zu machen, sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber im Deutschlandfunk. Mittelfristig werde man darüber reden können, die Laufzeiten der Kredite zu verlängern. Dafür müsse das Land aber auch Gegenleistungen erbringen. In anderen EU-Krisenstaaten habe das Troika-Modell funktioniert.

Markus Ferber im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 04.02.2015
    Porträt von Markus Ferber
    Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. (picture-alliance/dpa/Daniel Karmann)
    "Es geht immer um Geben und Nehmen, nicht nur um Nehmen", betonte Ferber. Im Moment höre man von Finanzminister Yanis Varoufakis aber immer nur, was die anderen machen sollten, und nicht, was Griechenland tun werde. Zudem seien die jüngsten Vorschläge des Finanzministers für eine Umschuldung "hoch risikoreich".
    Ferber sagte außerdem, eine weitere Senkung der Zinsen für griechische Kredite sei kaum möglich, weil sie jetzt schon so niedrig seien. "Zinsfrei kann man es leider nicht geben." Entgegenkommen könne man Athen bei den Laufzeiten. Mittel- und langfristig werde man darüber reden können, die Fristen zu verlängern, sagte der CSU-Europapolitiker.
    Griechenland sollte nach Ansicht von Ferber weiter mit der Troika zusammenarbeiten. Das sei erfolgreich gewesen in Irland, Spanien, Zypern und Portugal - nur in Athen nicht. Das könne nicht an der Troika liegen.


    Das Interview in voller Länge
    Dirk-Oliver Heckmann: Nikosia, Paris, Rom, das waren die ersten Ziele der Auslandsreisen des neuen griechischen Ministerpräsidenten Tsipras und seines Finanzministers Varoufakis. Beide haben in den vergangenen Tagen versucht, Unterstützung zu erhalten von EU-Ländern, die ebenfalls zu den Schuldenstaaten Europas gehören, und für ihre Forderung "Schluss mit dem Spardiktat, Schluss mit der Troika". Um Berlin haben beide bisher einen Bogen gemacht. Dafür wird Tsipras heute von EU-Kommissionspräsident Juncker erwartet, und der hat in dem einen oder anderen Punkt bereits Kompromissbereitschaft signalisiert.
    Am Telefon ist jetzt Markus Ferber von der CSU, er ist stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Europaparlament. Guten Morgen, Herr Ferber.
    Markus Ferber: Guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Bisher forderte Athen ja einen Schuldenschnitt. Jetzt sagt der Finanzminister Varoufakis über ein Interview in der "Financial Times" gestern, der Begriff "Schuldenschnitt", der sei in Ländern wie Deutschland politisch nicht durchsetzbar. Deshalb steht jetzt das Wort "Umschuldung" im Raum, und da geht es um Anleihen mit begrenzter Laufzeit, oder um Anleihen, die an das Wirtschaftswachstum gekoppelt sind. Ist damit ein möglicher Lösungsweg aus dem Dilemma beschrieben?
    Ferber: Schauen Sie, was wir von Herrn Varoufakis bisher gehört haben, war immer, was die anderen tun müssen. Wir würden gerne auch von ihm mal hören, was er bereit ist zu tun. Ein Land, wo die Steuereinnahmen in Erwartung eines Politikwechsels zurückgegangen sind, das ist schon eine interessante Konstellation, und deswegen geht es immer um Geben und Nehmen und nicht nur um Nehmen. Deswegen warten wir alle gespannt auf die Vorschläge Griechenlands und erst dann wird man über Maßnahmen reden können, die auch die Gemeinschaft bereit ist zu tragen.
    "Wer nur fordert und nichts bringt, dem wird auch nichts gegeben"
    Heckmann: Aber da gab es das eine oder andere Signal schon, man wolle jetzt wirklich auch dafür sorgen, dass die reichen Griechen endlich wirklich besteuert werden und ihre Steuern auch zahlen. Das heißt, da gab es schon den einen oder anderen Punkt, der dort angekündigt wurde.
    Ferber: Ja. Aber wenn der Kneipier, wenn der kleine Händler, wenn der Hotelier seine Mehrwertsteuer schon nicht mehr nach Athen überweist, dann sind das schon auch starke Signale. Vier Milliarden Euro weniger Einnahmen vor der Wahl in der Erwartung, dass bei Herrn Tsipras die Steuerehrlichkeit wieder abgeschafft wird, das ist eine starke Botschaft. Und die Ankündigung, Vermögen zu besteuern, ist schön; das muss alles umgesetzt werden.
    Wir haben ja immer die Erfahrung gemacht mit Griechenland, dass auch das Parlament zwar gute Beschlüsse fassen kann, so wie wir uns das gewünscht haben, dass aber im Verwaltungsvollzug viele Dinge hängen bleiben. Da ist ein gerüttelt Maß an Arbeit notwendig. Und wie gesagt: Wer nur fordert und nichts bringt, dem wird auch nichts gegeben.
    Heckmann: Das werden wir in den nächsten Tagen sehen, wie sich das weiterentwickelt. Aber ich verstehe Sie richtig, dass Sie eine Umschuldung durch eine Verlängerung der Fristen oder durch eine Senkung der Zinsen, dass Sie so eine Umschuldung nicht ausschließen?
    Ferber: Eine Senkung der Zinsen ist quasi ausgeschlossen, weil wir schon so weit mit den Zinsen runtergegangen sind bei der letzten Regierung, dass da wenig Luft ist. Zinsfrei kann man es leider nicht geben. Und bei ein Prozent, wo wir bei Langläufern sind, kann man ja nicht sagen, dass das eine erdrückende Zinslast ist. Mit Zinsaussetzung jetzt am Anfang, da hat man schon viel gemacht.
    Die Modelle, die der Finanzminister ins Spiel gebracht hat, sind hoch risikoreich. Ich weiß nicht, wo er die platzieren will und ob die Gemeinschaft in der Lage ist oder überhaupt will, solche risikoreichen Anleihen ins Portfolio zu nehmen. Darüber muss man sehr ernsthaft reden. Aber natürlich wird man über ein paar Maßnahmen reden können und reden müssen, wenn von der Gegenseite auch entsprechend geliefert wird.
    Heckmann: Zum Beispiel über welche Maßnahmen? Was schwebt Ihnen da vor?
    Ferber: Eine Maßnahme steht ja noch aus, ob eine letzte Tranche Griechenland gegeben werden soll. Es geht um die Frage, ob die Europäische Zentralbank weiterhin bestimmte Papiere der griechischen Regierung anerkennt und deswegen griechische Banken auch weiterhin Zugang zur EZB-Refinanzierung haben. Das sind ja Dinge, die wir sehr kurzfristig jetzt lösen müssen, und mittel- und langfristig wird man auch darüber reden können, ob man noch mal die Laufzeiten verlängert. Aber viel Luft ist da nicht. Bisher ist der Plan, bis zum Jahr 2057 diese Kredite abzulösen. Das ist schon eine verdammt lange Laufzeit zu sehr, sehr günstigen Konditionen. Wie gesagt, da ist die Luft sehr weit draußen. Wichtig ist, dass Griechenland auch selber liefert.
    Heckmann: Man wird darüber reden können, die Fristen zu verlängern, sagen Sie. Inwieweit wäre denn eine solche Umschuldung im Prinzip nur ein anderes Wort für einen Schuldenschnitt? Denn in Griechenland, in Athen, da sagt die neue Regierung schon, man ist durchaus bereit, auch mit Euphemismen zu arbeiten, also sozusagen einen Schuldenschnitt herbeizuführen und das unter einem anderen Etikett.
    "Griechenland muss liefern"
    Ferber: Ja, noch mal: Ich habe viele Forderungen gehört und außer, man wolle jetzt die Reichen besteuern, habe ich nichts gehört. Der griechische Staat wird auch dauerhaft seine Aufgabe nicht erfüllen können, wenn jetzt die Reichen, die Reeder mit all ihren Vermögen, wenn Kapitaleinkünfte auch außerhalb Griechenlands zur Besteuerung herangezogen werden. Das muss gemacht werden, das ist unbestritten.
    Aber ein Staat, der all seine Reformen wieder rückgängig macht, ein Staat, der einen so hohen Personalkostenanteil hat und jetzt wieder neue Leute einstellen will, ein Staat, der nicht in der Lage war, seine Sozialsysteme adäquat zu steuern, dass der, der verstorben ist, keine Rente mehr bekommt. Das sind alles die Probleme, die da sind. Und wenn Herr Tsipras sagt, er macht das alles rückgängig und es wird wieder eingestellt und es wird der Mindestlohn erhöht und es wird die Rente erhöht, dann wird er seinen Haushalt nicht steuern können. Das können wir doch nicht über Strecken oder neue Kredite finanzieren. Da muss Griechenland liefern.
    Heckmann: Meine Frage, Herr Ferber, war: Wenn Sie sagen, man kann über Fristverlängerungen sprechen, das kostet Geld. Das heißt also im Prinzip de facto doch ein neuer Schuldenschnitt? Dazu sind Sie bereit?
    Ferber: Nein. Ich habe gesagt, wenn auf der Gegenseite auch entsprechende Angebote gemacht werden, dann wird man auch auf unserer Seite darüber reden können, wie man dauerhaft zu einer Stabilisierung beiträgt. Worauf ich aufmerksam machen wollte, ist, dass wir in dem Motto, was sind die Griechen bereit zu liefern, noch nichts gehört haben, und das fordere ich ein.
    Diskussion um Rolle der Troika
    Heckmann: Kommen wir mal zu der anderen Forderung. Athen hat ja angekündigt, man werde mit der Troika nicht mehr zusammenarbeiten, weil diese Troika ein Programm fahre, das antieuropäisch sei. In Berlin, da sieht man derzeit gar keinen Anlass, da irgendwas zu ändern. Aber Kommissionspräsident Juncker, der kann sich ein Entgegenkommen offenbar vorstellen. Er will die Troika möglicherweise ersetzen durch ein Gremium, das auch demokratisch besser legitimiert ist. Was halten Sie von Junckers Position?
    Ferber: Da muss ich ganz offen sagen, Herr Juncker ist ja nicht der Herr der Troika, sondern die Kommission ist ein Teil der Troika. Deswegen kann Herr Juncker da auch keine Änderungen vorschlagen. Die Troika ist deswegen ins Amt gekommen, weil sich die Geld gebenden Staaten darauf verständigt haben, dass Kontrolle sein muss, über den Internationalen Währungsfonds. Die Kommission hat von sich aus angeboten mitzuhelfen, und für bestimmte Bereiche muss die Europäische Zentralbank mit dabei sein, insbesondere wenn es um die Situation im Bankensektor geht.
    Dass die drei dann, die ja so nie als Troika in den Verträgen stehen, als Troika bezeichnet wurden, da kann man drüber reden. Die können auch unabhängig voneinander kommen. Aber sie sind alle drei notwendig. Wenn der Herr Juncker die Kommission nicht mehr schicken will, würde mich das schon sehr überraschen. Das muss in der Eurogruppe diskutiert werden und nicht von Herrn Juncker. Herr Juncker hat sie nicht ins Amt gesetzt, er kann sie auch nicht abschaffen.
    Heckmann: Sie finden das ein bisschen übergriffig, dass Herr Juncker die Abschaffung fordert?
    Ferber: Ich finde, da mischt sich jemand in Dinge ein, für die er nicht zuständig ist. Ich würde mich freuen, wenn Herr Juncker sich schützend vor seine Mitarbeiter in der Kommission stellen würde und sagen würde, auch wenn die Troika einen schlechten Ruf in Griechenland hat, liebe Kommissionsbeamte, ihr habt einen guten Job gemacht. Das erwarte ich von einem Kommissionspräsidenten.
    Heckmann: Demnächst steht aber ein Urteil an des Europäischen Gerichtshofs, da geht es um das Thema Kauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank, und da gibt es schon ein Votum sozusagen des Generalanwalts, der gesagt hat, dieser Kauf von Staatsanleihen, der ist in Ordnung, wenn sich die EZB aus der Wirtschaftspolitik des jeweiligen Landes heraushält. Das heißt, die meisten rechnen ohnehin damit, dass die EZB die Troika verlassen muss.
    Ferber: Jetzt müssen wir mal ein paar Dinge sortieren. Der Generalanwalt ist nicht der EuGH. Das EuGH-Urteil ist nicht automatisch rechtsgültig im Sinne, dass die Troika zu Ende ist, sondern ist eine Meinung, die dann das Bundesverfassungsgericht im Verhältnis zu dem sogenannten <abbr title="Geldpolitische Outright-Geschäfte (englisch: Outright Monetary Transactions)">OMT</abbr>-Programm berücksichtigen muss. Das heißt, der Wirkmechanismus greift ganz anders. Wenn Sie sich die Beschlüsse der Europäischen Zentralbank von vor 14 Tagen anschauen, wo ein Aufkaufprogramm vorgesehen ist, ist ja Griechenland gar nicht mit dabei, weil es die Voraussetzungen nicht erfüllt, griechische Staatsanleihen. Insofern: Selbst wenn der EuGH das beschließen würde, hat das nichts mit der Troika zu tun, sondern es geht hier ausschließlich um das sogenannte OMT-Programm, das bis heute gar nicht vollzogen wurde.
    Heckmann: Wenn man einen Strich darunter macht, Herr Ferber, finden Sie sich ungerecht beurteilt, wenn man sagt, Sie sind für eine Politik des Weiter-so, des Augen-zu-und-durch, und der sich nicht eingesteht, dass die Sparpolitik in Europa gescheitert ist und dass die einzigen Profiteure die Extremisten von links und rechts sind?
    Ferber: Nein, da lasse ich mich überhaupt nicht subsumieren, weil die Troika-Politik ist erfolgreich gewesen in Irland, sie ist erfolgreich in Spanien, sie ist erfolgreich in Portugal, sie ist erfolgreich in Zypern und sie ist nicht erfolgreich in Griechenland. Und wenn ich mir dieses Verhältnis anschaue, vier zu eins Erfolg gegen Misserfolg, dann kann es nicht nur an der Troika liegen.
    Heckmann: Der CSU-Politiker Markus Ferber, stellvertretender Chef des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Europaparlament. Herr Ferber, danke Ihnen für das Interview.
    Ferber: Gerne, Herr Heckmann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.