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Griechenland-Diskussion
Zwischen Politik und Ökonomie

In der Griechenland-Krise stehen sich finanzielle Interessen und die Idee eines geeinten gemeinsamen Europas oft unvereinbar gegenüber. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Das war schon immer so – und hat bisher nicht zum Zusammenbruch der europäischen Bündnisse geführt.

Von Michael Braun | 25.06.2015
    Eigentlich ist es klar: In die Währungsunion kommt nur, wer sich allenfalls maßvoll neu verschuldet und einen Schuldenstand von höchstens 60 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung hat. Danach dürfte die Währungsunion im Moment nur aus Luxemburg, Lettland und Litauen bestehen. Alle anderen reißen die Hürde des Vertrags von Maastricht. Aber das Argument, auch in den Verhandlungen mit Griechenland zu einmal verabredeten ökonomischen Grundfesten zurückzukehren, scheint nachrangig.
    "Wenn man es sozusagen ganz streng ordnungspolitisch sieht, kann man das sicherlich befürworten. Andererseits, die wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen, die das mit sich bringt, die sind kaum übersehbar. Man würde sicherlich befürchten, dass sich Griechenland vielleicht stärker Russland zuwendet, vor allem politisch."
    Damit sagt Daniel Lenz von der DZ Bank, dass politische Erwägungen mehr gelten als ökonomische.
    "Letztendlich... die Regierungschefs werden ja die Entscheidungen treffen"
    Den Chefs geht es vor allem um die politische Union. Dass die Pflege nötig hat, haben Lobbyisten beobachtet. Liane Buchholz etwa, die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes öffentlicher Banken:
    "Auffällig ist aus unserer Sicht in der europäischen Debatte über Europa heute aktuell, das wir heute weiter von dem Ziel einer politischen Union entfernt sind als noch vor einigen Jahren. Heute diskutieren wir auf europäischer Ebene viel mehr im Stil 'I want my money back', das heißt also im Sinne der europäischen Bewegung aus den Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts."
    Denken in der jeweils eigenen Kategorie
    Es scheint hier, bei der Gestaltung der Europäischen Währungsunion, nicht anders zu sein als vor 25 Jahren bei der deutsch-deutschen Währungsunion. Vor allem der Umtauschkurs der Löhne und Gehälter im Verhältnis eine DDR-Mark zu einer D-Mark hatten den damaligen Bundesbankpräsidenten Karl-Otto Pöhl erzürnt, weil er die Folgen ahnte: Die unproduktiven ostdeutschen Betriebe konnten diese Löhne niemals erwirtschaften, Pleiten und Arbeitslosigkeit sah er voraus. Er trat zurück. Die Bundesbank scheint aber erleichtert, dass Pöhl spät seinen Frieden mit den politisch motivierten Vorgaben der deutsch-deutschen Währungsunion gemacht hat. Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele zu diesem Thema:
    "Karl-Otto Pöhl hatte aber noch vor seinem Tod – er ist im letzten Jahr verstorben – hatte er noch ein Interview gegeben und dort gesagt, dass er die Situation falsch eingeschätzt hätte. Es wäre richtig gewesen, die deutsche Einheit so schnell wie möglich umzusetzen. Und er hatte auch Verständnis für den Umtauschkurs eins zu eins."
    Der aktuelle Bundesbankpräsident Jens Weidmann folgt den politischen Zwängen in der Griechenlanddebatte nicht. Jedenfalls stimmt er im Zentralbankrat gegen den nun fast täglich steigenden Rahmen für Notfallkredite an griechische Banken. Seine Begründung:
    "Es geht ja nicht darum, einen Zustand, der eigentlich nicht nachhaltig ist, zu finanzieren, sondern dass Griechenland auf eigenen Beinen stehen kann, und zwar ohne die Hilfe der Partner, indem es eben wettbewerbsfähige Strukturen schafft, seine Verwaltung in Ordnung bringt."
    Geht es wirklich darum? Die "Chefs" reden. Und haben dabei ihre Kategorien im Sinn.